Im Interview spricht Alexandra Thoß, Leiterin des Geschäftsfeldes Ausbildung bei der IHK, darüber, wie sich die Coronakrise auf die Ausbildung auswirkt, und über ihre Prognosen für den nächsten Jahrgang.
Frau Thoß, im September ist betrieblicher Ausbildungsstart. Laut der Ausbildungsumfrage Baden-Württemberg wird ein Drittel der Ausbildungsbetriebe gar nicht mehr oder weniger ausbilden als im Vorjahr. Wie ist die Lage im Kammergebiet?
Die regionalen Zahlen entsprechen ziemlich genau denen des Landes. Natürlich bewegt die Coronakrise die Betriebe momentan sehr – auch im Bereich Ausbildung. Bei der letzten Statistik zum 31. Mai hatten wir in unserem Kammergebiet 27,6 Prozent weniger Ausbildungsstellen als im Vorjahr. Ich glaube aber, dass einige Verträge noch nachgeschoben werden. Denn seit des Lockdowns im März stand zum Teil in den Unternehmen der Betrieb still, und somit wurden auch keine Bewerbungsgespräche geführt. Die meisten Betriebe haben bei der Umfrage aber angegeben, dass sie ihre Ausbildungsaktivitäten beibehalten wollen. Sie wissen ja auch: Die jetzigen Azubis sind die Fachkräfte der Zukunft. Und diese werden sie dringend benötigen.
Sie haben also Hoffnung, dass die meisten Schulabgänger und -abgängerinnen auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz noch fündig werden?
Ich schätze, dass wir in diesem Jahr im Vergleich zu anderen Jahren sehr spät noch einen größeren Schwung an Ausbildungsverträgen bekommen. Vielleicht auch noch welche, die innerhalb der ersten zwei Monate nach dem offiziellen Ausbildungsstart anfangen, das ist ja auch möglich.
Wie ist es bei denen, die bereits in Ausbildung sind, welche Folgen der Pandemie spüren sie?
Viele unserer Mitgliedsbetriebe mussten für ihre Auszubildenden Kurzarbeit anmelden oder sie freistellen. Das waren vor allem Betriebe im Bereich Hotellerie und Gastronomie und im Einzelhandel, die komplett schließen mussten.
Zur Person
Alexandra Thoß (47) ist Leiterin des Geschäftsfeldes Ausbildung bei der IHK Hochrhein-Bodensee. Nach dem Abitur absolvierte sie eine Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel und anschließend ein Studium der Psychologie. Bevor sie 2012 zur IHK kam, war sie 13 Jahre als Ausbildungsleiterin und Personalentwicklerin bei unterschiedlichen Unternehmen tätig, zuletzt bei Takeda (vormals Nycomed) in Konstanz.
Wurden auch Auszubildende gekündigt?
Bisher zum Glück kaum. Aber die Gefahr besteht, dass eine Welle an Insolvenzen auf uns zukommt. Und dann müssen die Azubis dieser Betriebe woanders untergebracht werden. Hierfür gibt es jetzt eine neue Funktion in der bundesweiten IHK-Lehrstellenbörse unter www.ihk-lehrstellenbörse.de. Dort können Azubis aus Insolvenzbetrieben gezielt nach neuen Betrieben suchen, bei denen sie ihre Ausbildung fortsetzen können und auch angeben, dass sie Kontaktaufnahme durch die IHK wünschen.
Gibt es Unternehmen, die jetzt noch freie Ausbildungsplätze haben?
Wir haben leider keine konkreten Zahlen, wie viele freie Plätze es jetzt noch gibt. Geht man aber davon aus, dass die Ausbildungsaktivität weitestgehend stabil bleibt, dann müssten jetzt noch einige freie Ausbildungsplätze in der Region da sein, sonst hätten wir nicht so ein hohes Minus an Eintragungen.
Wie können diese Stellen noch besetzt werden?
Betriebe, die gerade noch nach zukünftigen Auszubildenden suchen, können die freie Stelle in unserer Lehrstellenbörse eintragen. Sie ist dann bundesweit sichtbar. In der Börse finden sie auch Gesuche von Azubis, die gerade nach einem neuen Betrieb suchen. Vielleicht ist da auch jemand Passendes dabei. Außerdem können sich die Betriebe natürlich jederzeit direkt bei uns melden. Unsere Ausbildungsberater wissen häufig, wo gerade gesucht wird oder wer noch nach einer Ausbildungsstelle sucht.
Interview: doe