Sind Krisenzeiten Gründerzeiten? Die Ergebnisse aus dem KfW-Gründungsmonitor 2021 widersprechen dieser These: 2020 ging die Anzahl der Gründungen um elf Prozent zurück. Als Grund nennt der Gründungsmonitor die wirtschaftliche Unsicherheit wegen der Coronapandemie. Der Rückgang betraf vor allem sogenannte Notgründungen, die Chancengründungen blieben relativ stabil. Rund ein Drittel der geplanten Gründungen wurde verschoben.
Bei einem Pressegespräch im St. Georgener Technologiezentrum diskutieren Sylvia Scholz, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Villingen-Schwenningen-Rottweil, Thomas Wolf, Mitglied der Geschäftsleitung der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, Martin Friedrich, Geschäftsführer des St. Georgener Technologiezentrum (TZ) und Ursula Schulz, Leiterin der Geschäftsstelle Villingen-Schwenningen beim Landesnetzwerk „bwcon“, wie Corona das Gründungsinteresse in der Region geprägt hat und wie es mit Formaten wie dem Innovation Lab gefördert werden kann. Die Expertenrunde war sich einig, dass die Coronapandemie das Gründungsinteresse gestärkt hat. Der Rückgang des öffentlichen Lebens und die Arbeitszeitreduktion aufgrund von Kurzarbeit gaben Raum und Zeit für die Auseinandersetzung mit Gründungsideen. Viele dieser Ideen verschwinden allerdings in der Schublade. Zu Unrecht, findet Ursula Schulz, die in Gesprächen mit Gründungsinteressierten vielen Ideen mit Potenzial begegnet.
Es herrscht eine große Unsicherheit, ob die Idee umsetzbar ist, und häufig fehlen auch Mitstreiter, die an die Idee glauben. Thomas Wolf betont, dass Investoren vor allem in die Persönlichkeit investieren, die Idee sei weniger wichtig als das Team. Bei diesen Hürden setzen die Partner mit dem Innovation Lab an, einem Format, dass im Herbst in die dritte Runde geht.
Hintergrund
Das im TZ ansässige regionale Digital Hub ist eines von insgesamt zehn – vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg 2018 prämierten und mit insgesamt bis zu einer Million Euro über einen Zeitraum von drei Jahren geförderten – physischen Anlaufstellen für die Digitalisierung im Land. Der Arbeitskreis Gründung des Digital Mountains Hub hat sich zum Ziel gesetzt, die Gründungsdynamik in der Region zu erhöhen. Hierfür wurden spezielle Angebote für die Zielgruppen der Gründungsinteressierten, der Gründungswilligen als auch der Gründer entwickelt.
Hilfe für ein tragfähiges Geschäftsmodell
Im Innovation Lab entwickeln 20 Gründungsinteressierte ihre Ideen in Teams weiter und holen sich dazu das Feedback aus dem Markt ein. Mit Methoden wie „Lean Start-up“ und „Design Thinking“ unterstützen die Innovationscoaches von bwcon dabei die anfängliche Idee zu einem tragfähigen Geschäftsmodell auszubauen. Und dank Sponsoren wie der PE Stiftung sowie den Unternehmen EBM Papst und Papst Licensing ist das Programm für die Teilnehmer kostenfrei und wird zweimal im Jahr angeboten. Kamen die Teilnehmenden in den ersten beiden Durchgängen von der Hochschule Furtwangen und der Dualen Hochschule in Villingen-Schwenningen, öffnet sich das Innovation Lab in diesem Herbst zum ersten Mal für Berufserfahrene. Die Agentur für Arbeit unterstützt in dieser Situation mit Beratung und Förderprogrammen wie dem Existenzgründerzuschuss. Sylvia Scholz sieht hierin eine große Chance für bisherige Arbeitnehmer, ihre Ideen auszutesten, bevor sie den Schritt in die Selbstständigkeit wagen.
In dem Gespräch waren die Gewinnerinnen des letzten Innovation Lab live aus Paris und Lyon zugeschaltet. Martina Bencetic und Sophia Kirchner von der Hochschule Furtwangen und Celine Broghammer von der Dualen Hochschule Villingen-Schwenningen hatten die Jury mit ihrer Idee Easyabroad und ihrem Pitch überzeugt. Easyabroad ist eine Peer-to-Peer-Plattform, bei der Studierende direkte Hilfe von Studenten beim Auslandsstudium bekommen. Celine Broghammer findet die Durchmischung mit Berufserfahrenen sehr spannend.
Das junge Team nutzt das Netzwerk aus dem Ökosystem Schwarzwald-Baar-Heuberg, das die IHK mit Partnern aufgebaut hat. So bekamen sie Unterstützung bei der Erstellung ihres digitalen Prototypen oder bei der Recherche zum Schutz Ihrer Idee. Die Durchmischung mit erfahrenen Gründern ist für sie der logische Schritt, diesen Austausch noch besser zu verankern.
Partner begleiten Gründende
Martin Friedrich war über das Konsortium Digital Mountains Mitinitiator des Innovation Lab und sponsert es über die PE Stiftung. Er betont, dass das Innovation Lab nicht zwingend in eine Gründung münden muss. Die Erfahrungen aus diesem Innovationsprojekt bringen die Teilnehmer persönlich weiter und sind auch für jeden Arbeitgeber interessant. Wenn es doch konkreter wird mit der Gründung, begleiten die Partner auch auf dem weiteren Weg. So bietet die IHK in der Gründergarage ebenfalls zweimal jährlich eine Begleitung beim Schritt in die Selbstständigkeit an. Bestandteile der Gründergarage sind ein Mentorenprogramm, das Gründernetzwerk und Workshops zu rechtlichen und finanziellen Themen wie auch zu Marketing und Businessplanung.
Text: wis
Bild: Helen Moser
Bild: Diskutierten in St. Georgen die aktuelle Gründungssituation (von links): Ursula Schulz, Martin Friedrich, Thomas Wolf und Sylvia Scholz.