Wenn die Kurzarbeit vorbei ist, wieder geöffnet werden kann und die Mitarbeitenden zurückkommen, dann stehen viele Unternehmer vor einigen Herausforderungen. So lange waren die Mitarbeiter noch nie weg, das Unternehmen noch nie so lange zu. Und auch wenn die gesamte Ausstattung noch vor Ort ist, braucht es für alle einen emotionalen und kooperativen Neustart.
Als Experte für Veränderung und gelingenden Wandel beschäftigen Sie sich im Moment viel damit, was Unternehmen jetzt vermeiden oder besser richtig machen sollten, wenn es darum geht, neu durchzustarten. Warum sollte ein Unternehmen überhaupt darüber nachdenken, das „Neu durchstarten“ aktiv zu gestalten? Geht es nicht einfach so weiter?
Jörg Tausendfreund: Das wäre natürlich schön und bestimmt auch das, was sich alle, sowohl Mitarbeitende als auch Unternehmer, wünschen würden. Die Realität sieht jedoch ganz anders aus. Viele Unternehmer machen gleichzeitig genau hier einen entscheidenden Denkfehler. Die Unternehmer waren die ganze Zeit vor Ort und am Ball. Die Mitarbeitenden hingegen waren vielfach teilweise oder komplett in Kurzarbeit und haben in der Konsequenz den direkten Kontakt und Anschluss zu dem, was passiert, gar nicht halten können. Neustart bedeutet, dass in der ersten Zeit ganz viel in Schulung und Ausbildung, aber auch in die erneute Bildung des Teams investiert werden muss. Nichts ist fataler, als jetzt mit der Haltung „Versuch und Irrtum“ neu durchzustarten. Abläufe müssen neu vereinbart und eingeübt werden, wer gute Leistungen und hervorragenden Service bieten will, muss das vorab tun und nicht am Kunden üben. Konflikte sind sonst vorprogrammiert, und die Kooperation leidet, anstatt besser zu werden.
Wenn jetzt also ein Unternehmer beschließt, in den Neustart zu investieren, dann muss das ja in der Realität sehr schnell gehen. Gibt es denn so etwas wie eine Checkliste oder Tipps, was unbedingt gemacht werden sollte?
Nun ja, hier kollidieren zwei Dinge, die irgendwie gut zusammengeführt werden sollten. Auf der einen Seite geht es natürlich darum, schnell wieder effektiv und leistungsfähig zu werden. Auf der anderen Seite braucht es gerade in dieser Phase ganz viel Menschlichkeit, ganz viel Kontakt und Gespräche. Im Prinzip können Unternehmer, wenn sie fünf Punkte beachten, direkt schon ganz viel richtig machen. Damit ein Team gut arbeiten kann, ist es wichtig, zu jeder Zeit klare Ziele zu haben. Damit ist gemeint, dass die Mitarbeitenden eine echte Orientierung dahingehend brauchen, was wichtig ist und was auf das Erreichen des Ziels einzahlt. Damit ist auch gemeint, dass sie ihre Handlungen darauf ausrichten können, das Ziel zu erreichen. Klare Aufgabenverteilung ist ebenfalls enorm wichtig. Es muss im Team klar sein, wer was macht. So können sich die Mitarbeitenden auf ihre Aufgabe einstellen und am Ende ist alles getan, was es für einen erstklassigen Service und eine gute Leistung braucht. Das bedeutet übrigens nicht, dass Mitdenken nicht mehr stattfinden soll. Es geht einfach darum, viel Klarheit zur eigenen, primären Aufgabe zu haben und zum Beispiel Doppelleistungen oder Nicht-Leistung zu vermeiden.
Zur Person
Jörg Tausendfreund ist Experte, Innovator und Autor. Sein Fachgebiet ist das gelingende Gestalten von Wandel und digitaler Transformation für Unternehmen und Organisationen. Tausendfreund zeigte in zwei IHK-Kompaktwebinaren betroffenen Betriebe auf, welche Vorbereitungen zu treffen sind, um so schnell wie möglich wieder mit einem motivierten Team am Start zu sein und gemeinsam Leistung zu bringen. Im nachfolgenden Interview fasst Jörg Tausendfreund zusammen, auf was Inhaber, Geschäftsführer aus dem Einzelhandel, Gastgewerbe, Dienstleistungsbetriebe, Veranstalter und Freizeiteinrichtungen achten müssen, um ihre Mitarbeitenden wieder gut einsteigen zu lassen.
Nach der Aufgabenverteilung ist dann wichtig, dass die Verantwortlichkeiten klar geregelt sind. Hier geht es darum, dass einfach so klar wie möglich ist, wer was entscheiden kann. Zu wem kann ich gehen, wenn ich in diesem Fall eine Entscheidung brauche? Noch wichtiger: Bis zu welchem Punkt kann ich selbst entscheiden? Und hier ist es natürlich am besten, den Mitarbeitenden viel Entscheidungsraum zu geben. Die gemeinsamen Regeln sollten klar sein. Das heißt, alle wissen, wo die Grenzen sind, und dass die Zusammenarbeit geregelt ist. Viele Unternehmer machen hier keinen ausreichend guten Job und lassen zu viele Dinge ungeregelt. Gleichzeitig wissen wir alle, dass zum Beispiel ein Fußballspiel nur funktionieren kann, wenn es einheitliche, verstandene und eingehaltene Regeln gibt. So ist das im Team auch. Und zum Schluss noch die klare Kommunikation. Die Informationen und Anweisungen müssen einfach, eindeutig und klar sein. Und wenn sie nicht verstanden wurden, dann gilt es einfach nochmal nachzulegen, aber bitte wertschätzend.
Es macht den Eindruck, dass es im Moment eher darum geht, die Mitarbeitenden auf der menschlichen Ebene abzuholen und gar nicht so sehr beim erneuten Einüben der eigentlichen Tätigkeit. Ist das richtig oder zu einfach gedacht?
Zum Teil. Selbstverständlich ist es wichtig, dass die Mitarbeitenden ihre Aufgaben gut ausführen können und wissen, was sie zu tun haben. Doch gerade in der Situation des Neustarts nach einer längeren Phase der Kurzarbeit ist es wichtig, dass die Menschen gut abgeholt und mitgenommen werden. Viele werden – vielleicht berechtigterweise – noch Angst haben oder sehr unsicher sein, wie es wohl weitergehen wird. Und das ist im Moment auch noch nicht so richtig klar. Deshalb ist es wichtig bei den Dingen, die klar sein können, tatsächlich auch für Klarheit zu sorgen. Genau das hilft, Konflikte zu vermeiden. Und der Unternehmer sollte sich in der Neustartzeit viel Raum für persönliche Gespräche und den Austausch mit dem Team nehmen. Unsicherheit können wir am besten begegnen, indem wir miteinander reden.
Interview: Daniela Hermann
Die Webinare zur Serie „Aus der Kurzarbeit zurück…“ sind abrufbar auf dem Youtubekanal der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg:
https://www.youtube.com/user/IHK78050