Mit dem Sommer, steigenden Temperaturen und einer an Fahrt aufgenommenen Impfkampagne können Unternehmen in der Gastronomie, Hotellerie und im Handel endlich wieder loslegen. Im letzten Teil unserer Schwerpunktserie haben wir mit Inhaberinnen und Inhabern dieser Branchen gesprochen und stellen fest, dass die Zuversicht zurückkehrt.
Finn Wilkesmann, My Cabin, Konstanz
Bei dem 2020 gegründeten Camping-Start-up My Cabin hat Corona viele Pläne verändert. „Als Corona nur ein Bier war, war unsere Idee noch ziemlich neu. Wir wollten uns mit der Planung etwas mehr Zeit lassen und nach der Gründung langsam wachsen. Doch die Pandemie hat der Campingbranche einen Hype verpasst, und viele haben unsere Idee kopiert. Wir mussten deswegen schnell loslegen. Die Coronakrise haben wir als Tourismusunternehmen deswegen als zweischneidiges Schwert erlebt. Beschleuniger auf der einen Seite und wachsender Konkurrenzdruck auf der anderen“, sagt Geschäftsführer Finn Wilkesmann (Bild). My Cabin vermittelt naturnahe Übernachtungsspots. Es richtet sich an Reisende mit Rucksack, Zelt, Camper oder Wohnwagen. Gastgeber sind Bauernhöfe, Privatleute, Klöster oder Landgasthöfe. Schnell wachsen, obwohl das Land im Lockdown ist, war keine einfache Aufgabe. „Wir hatten eine Finanzierungslücke, auch aufgrund von Corona. Da wir aber erst gegründet hatten, fielen wir bei allen Coronahilfsprogrammen durchs Raster. Geholfen haben uns dann glücklicherweise die allgemeine Start-up-Förderung des Landes sowie zwei private Impact-Investoren.“
Mit dem Ende des Lockdowns und dem Beginn des Sommers erwartet Wilkesmann einen weiteren Push für seine Branche. „Der Sommer wird verrückt werden, was Camping angeht. Und es wird sich zeigen, wie groß die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage post-covid tatsächlich ist. Viele Campingplätze sind jetzt schon ausgebucht. Bei uns sind die Buchungen zwar noch verhalten, aber es zeichnet sich bereits ab, dass sich das in den nächsten Wochen ändert. Unser Konzept zeigt jetzt schon, dass die Nachfrage groß ist. Unsere Zielgruppe will eine Alternative zum Campingplatz, sie will mehr in der Natur sein. Hierfür bieten wir einen geregelten Rahmen.“
Es scheint ein allgemeines Aufatmen in der Tourismusbranche zu geben. Die große Erholung sieht die Branche allerdings erst für das kommende Jahr. „Mehr noch als die Gästefrage stellt sich den typischen Gastgewerbsanbietern gerade eine andere: Wo bekomme ich für 2021 noch Fachkräftepersonal her?“
Insgesamt ist die Stimmung laut Wilkesmann in nahezu allen Bereichen sehr gut, sogar besser als noch vor sechs Monaten gedacht. „Besonders der Binnentourismus profitiert“, sagt der Konstanzer Unternehmer. „Fernreisen wird es auch weiterhin geben, aber viele Menschen haben gemerkt, dass Deutschland doch auch ganz schön ist. Verstärkt wird die Binnennachfrage durch das Thema Microadventure. Einfach mal für zwei Tage raus – dieser Trend hat sich durch Corona beschleunigt.“
Bettina Kornmayer, Heikorn Kleidung GmbH, Singen
„Ich denke, die enorme Erleichterung ist jedem anzumerken, doch eine gewisse Unsicherheit bleibt bestehen, was ist mit der nächsten Herbstsaison? Kommt nochmal ein Lockdown?“, sagt Bettina Kornmayer (Bild) von Heikorn Kleidung aus Singen. Der lange Lockdown steckt der Unternehmerin immer noch in den Knochen. Über viele Monate kreisten ihre Gedanken zwischen Wut und Verzweiflung und immer um die Frage, wie sie die weiteren Kosten bedienen kann: Gehälter, Sozialversicherungen, Finanzamt und die Miete. Aber auch darum, wie und womit sie ihre Kunden abholt, um neue Mode zu zeigen und zu verkaufen.
Jetzt kann die Singenerin wieder ihre Kunden bedienen. Doch der Start musste gut geplant werden. „Unsere Vorbereitungen lagen zuerst in der Umsetzung der jeweiligen Hygieneauflagen und der Planung der Mitarbeiter. Man wusste ja nicht, wie viel los sein wird. Außerdem haben wir viel Zeit verbracht mit der Verteilung von der aufgestauten Ware. Es musste ein Ausgleich zwischen neuer Ware und noch reduzierter Ware vom Januar und Februar erarbeitet werden.“ Dennoch blickt Bettina Kornmayer positiv nach vorne. „Wenn wir vom Staat die versprochenen Hilfen erhalten, bin ich recht zuversichtlich für das restliche Jahr. Die Umsätze ziehen erfreulicherweise sehr gut an, die Frühjahrs- und Sommermode wird also sicher gut verkauft werden. Wir haben geplant, bis in den Juli hinein regulär die Sommerware zu verkaufen, da wir für den Herbst erst ab August geordert haben, somit haben wir Zeit. Dem Herbst und Winter sehe ich auch positiv entgegen, vorausgesetzt, es gibt keine neuen Einschränkungen!“
Carolin Engel, Werkstatt für Hüte und Mützen, Radolfzell
Dankbar und erleichtert ist Carolin Engel (Bild) aus Radolfzell, dass ihr Geschäft nach Monaten des Lockdowns wieder geöffnet ist. „Es sieht tatsächlich so aus, als ob sich die Coronalage langsam entspannt. Darüber bin ich sehr froh und hoffe, dass wir auch die längerfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie gut verdauen werden.“ Wenn sie zurückblickt, dann spricht die Unternehmerin von einem großen Auf und Ab mit vielen schlaflosen Nächten. „Als Einzelhändler sind wir allerdings von Natur aus Optimisten und daran gewöhnt, uns am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen.“ Die Zeit im Lockdown hat die Radolfzellerin genutzt, um Dinge zu erledigen, für die sie sonst keine Zeit hatte. „Meine Werkstattarbeit ging gut voran, und es entstanden mehrere Gruppen ganz neuer Hüte und Mützen mit frischen Ideen und viel Muße. Ich bin erleichtert, dass die Menschen jetzt ganz bewusst wieder im Einzelhandel kaufen und der Wert der Fachgeschäfte im Lockdown deutlich wurde: Beratung, Freundlichkeit, Individualität und fachliche Kompetenz. Vieles ist in dieser Zeit schärfer sichtbar geworden.“ Carolin Engel sagt, dass das Schlimmste hoffentlich überstanden ist und mit der fortschreitenden Impfkampagne auch eine langfristige Entspannung kommt. „Wir alle sind relevant für unser wirtschaftliches System.“
hw