Die Einstellung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung ist mit etlichen Herausforderungen verbunden. Damit diese besser von Unternehmen gemeistert werden können, gibt es die Einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber (EAA). Angesichts der vielen Herausforderungen ist deren Aufgabengebiet komplex und vielfältig.
Es sind nur ein paar Meter von der Bushaltestelle „Alter Markt“ in Lörrach zum Büro der EAA für die Landkreise Lörrach und Waldshut. Die großzügigen Räumlichkeiten im zweiten Stock sind bequem und vor allem barrierefrei via Aufzug zu erreichen. Dafür ist die Arbeit, die hier geleistet wird, umso herausfordernder. Die EAA unterstützt seit 2022 Arbeitgeber dabei, Arbeits- und Ausbildungsplätze für Menschen mit Behinderung einzurichten und zu sichern.
Denn diese Aufgabe „stellt Firmeninhaberinnen und -inhaber oder Personalverantwortliche oft vor für sie unbekannte und viele Herausforderungen“, weiß Petra Kraus. Die große Schwierigkeit bestehe unter anderem darin, dass viele Institutionen und Einrichtungen, aber auch Fördermöglichkeiten hier eine Rolle spielen oder spielen können. „Da steht oft die Frage im Raum, wie man sich vorbereitet, welche Schritte man wann und wie unternimmt“, führt Petra Kraus aus.
Aus diesem Grund wurden die EAA ins Leben gerufen und bei den Integrationsfachdiensten (IFD) eingerichtet. Sie sollen genau das sein, was ihr Name verheißt: „Eine Anlaufstelle für Arbeitgeber und ihre Belange und Fragen rund um die Teilhabe im Arbeitsleben – und zwar eine niedrigschwellige“, bringt es Petra Kraus auf den Punkt. Sie ist eine von sechs Ansprechpartnerinnen der EAA innerhalb des IFD. Zum Team in Lörrach zählen noch Cathrin Steuber, Regine Deininger und Claudia Trüby. Teresa Kirchherr und Andrea Schäfer-Kipper sind im Waldshuter Büro engagiert und kommen einmal pro Woche ins Markgräflerland. Der IFD-Stützpunkt Lörrach-Waldshut war einer der ersten in Baden-Württemberg. Er wurde 1989 von Petra Kraus aufgebaut. Betreut werden von hier aus die beiden gleichnamigen Landkreise. Zuständig für den Landkreis Konstanz ist der IFD Bodensee-Oberschwaben, der eine Außenstelle in Radolfzell betreibt.
Im gesetzlichen Auftrag unterwegs
„Wir arbeiten kostenfrei, neutral und unabhängig“, sagt Sozialpädagogin Cathrin Steuber. Das gilt für alle Anlaufstellen: Die EAA ist im gesetzlichen Auftrag unterwegs, nicht für einen Verband, eine Lobbygruppe oder ein Unternehmen. Basis der Arbeit ist das Sozialgesetzbuch IX – genauer gesagt Paragraf 185a zur „Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen“.
Wann und wie die EAA aktiviert wird, „ist unterschiedlich“, berichtet Petra Kraus. „Es kann sein, dass ein Arbeitgeber oder Personalverantwortlicher Kontakt aufnimmt, weil das Unternehmen eine Stelle für einen Menschen mit Behinderung einrichten möchte. Genauso ist es auch möglich, dass eine Arbeitnehmerin beim IFD vorstellig wird und wir dann dazu geholt werden.“ Die konkreten Gespräche und Treffen sind auf verschiedenen Wegen möglich: „Natürlich fahren wir gern zu den Unternehmen, um die Lage an Ort und Stelle zu sehen. Das erleichtert unsere Arbeit.“
Keine zeitliche Begrenzung
Flankiert werden Besuche beim Arbeitgeber durch Videokonferenzen, Telefonate oder auch vertrauliche Vier-Augen-Gespräche in den Büros der EAA. Dabei gehe es in erster Linie darum, die jeweilige Situation zu erkennen und Lösungswege zu finden. Petra Kraus: „Wir verstehen uns als Lotsen oder auch Wegbereiter. Wir öffnen Türen, vermitteln Kontakte und übernehmen auch Schritte innerhalb unseres Netzwerkes. Dabei ist unsere Arbeit nicht zeitlich begrenzt.“ Das verstehe sich allein aus dem Aufgabenfeld: „Es geht der EAA ja auch darum, Arbeitsplätze von Menschen mit Behinderung zu sichern, sie also den sich wechselnden Bedürfnissen anzupassen“, ergänzt Cathrin Steuber.
Wobei es nicht nur technische Einrichtungen sind, die bei der Teilhabe von Bedeutung sind. „Bei der Arbeitsplatzgestaltung eines Gehörlosen sind andere Faktoren zu beachten als bei einer Person, die vielleicht psychisch oder in ihrer Beweglichkeit stark beeinträchtigt ist.“ Und: Es geht nicht allein um die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer. Das ist Petra Kraus wichtig zu betonen: „Bei der Gestaltung oder Einrichtung eines solchen Arbeitsplatzes etwa, sind die kommunikativen Fähigkeiten der jeweiligen Führungskräfte gefragt.“ Gerade bei Umstellungen im Arbeitsprozess oder Wechseln im Führungsteam sei es wichtig, die Botschaften und relevanten Informationen verständlich zu machen. Cathrin Steuber: „Eventuell reicht da das rein Verbale nicht aus, und man benötigt einen Gebärdensprachdolmetscher.“
Warum der Aufwand?
Die Frage, ob sich Inklusion für Unternehmen lohnt, stellen sich weder Petra Kraus, Cathrin Steuber noch ihre Kolleginnen. Die Antwort liefern der Arbeitsmarkt und die demografische Entwicklung. „Schon jetzt ist es für viele Firmen schwierig, offene Stellen zu besetzen oder Auszubildende zu finden“, sagt Petra Kraus. Durch Teilhabe könne hier eine Entlastung geschaffen werden, die zudem noch starke Unterstützung erfährt: Sowohl die Agentur für Arbeit als auch das Integrationsamt und Rehabilitationsträger leisten finanzielle Hilfen. Dazu kommt: Unternehmen, die mindestens 20 Beschäftigte haben, sind verpflichtet, fünf Prozent ihrer Stellen für Menschen mit Behinderung bereitzustellen. „In Baden-Württemberg erfüllen mehr als 6000 beschäftigungspflichtige Arbeitgeber diese Pflicht nicht. Dem stehen mehr als 16.000 arbeitslos gemeldete schwerbehinderte Menschen im Land gegenüber, davon fast die Hälfte mit akademischer oder schulischer oder beruflicher Ausbildung“, weiß Petra Kraus. Umso schöner sei es, dass es viele kleine Unternehmen gebe, „die keinen Menschen mit Behinderung beschäftigen müssen, sich aber dennoch dafür entschieden haben“. Unternehmen, die verpflichtet sind, es aber nicht tun, zahlen die sogenannte Ausgleichsabgabe an das Integrationsamt. „Diese Mittel sind es, mit denen unter anderem die Arbeit der EAA finanziert wird“, erläutert Cathrin Steuber. „Das ist doch ein schöner Kreislauf“, findet Petra Kraus.
mrk
Bild: Cathrin Steuber (links) und Petra Kraus von der Einheitlichen Ansprechstelle für Arbeitgeber (EAA) in Lörrach. Sie unterstützen Arbeitgeber dabei, Arbeits- und Ausbildungsplätze für Menschen mit Behinderung einzurichten und zu sichern.