Im ersten Teil der Artikelserie ging es um die Aufnahme von Grunddaten zum Energieverbrauch. Doch mit dem Wissen, wie und wo Energie im Unternehmen verbraucht wird, sind noch keine Einsparungen erreicht. Daher geht es im zweiten Teil der Serie nun darum, Effizienzpotenziale im Betrieb umzusetzen.
Beginnen sollte man mit einfachen und pragmatischen Lösungen. Jedes Gerät, das abgeschaltet werden kann, vermindert den Energieverbrauch. Jeder Austausch von alten Bauteilen und Motoren durch effiziente Neuteile reduziert die Energiekosten. Es ist deshalb sinnvoll, ein Ersatzteilekonzept für Großverbraucher zu erstellen. Um genau zum Zeitpunkt einer Reparatur das energieeffizienteste Ersatzteil verfügbar zu haben, muss dieses Ersatzteil auch in der Beschaffungsstrategie, zumindest als Alternative, hinterlegt sein.
Ob Kühlung, Ventilatoren, Lüftung, Wärmeversorgung, Antriebe oder Beleuchtung: Es gibt heute schon sehr effiziente technische Lösungen, durch die sich deutliche Energie- und CO2-Einsparungen ergeben könnten. Dennoch werden diese nicht genutzt, denn neue Techniken und Verfahren müssen vielfältige Hemmnisse im Unternehmen überwinden. Die Auffassungen „Das haben wir schon immer so gemacht“ oder „Kenn ich nicht – brauch ich nicht“ führen in einigen Fällen dazu, an Bestehendem festzuhalten. Auch der Zwang zum billigen Einkauf ohne Berücksichtigung der Lebenszykluskosten verhindert Verbesserungen.
Lebenszykluskosten
Beim Betreiben von Maschinen, Anlagen oder Gebäuden kommen neben den reinen Anschaffungskosten auch die Kosten für Unterhalt und Energieverbrauch hinzu. Werden zu den Investitionskosten und dem Unterhalt noch die Entsorgungskosten hinzugerechnet, sind die Lebenszykluskosten erfasst.
Vor allem beim Unterhalt werden die wahren Energiekosten oft nicht genau ermittelt. Dadurch sind die Gesamtkosten bei Investitionen für die gesamte Nutzungszeit selten vergleichbar. Deshalb sollte neben den reinen Energiekosten (Strom, Gas, Heizöl) auch immer der Aufwand für Druckluft, Wasser, Kühlung, Dampf et cetera detailliert einbezogen werden.
Auch die Kosten für Wartung und Ersatzteile sind Teil der Lebenszykluskosten. Erst damit erfassen Sie die vollen Kosten einer Investition.
ZiM
Die größten Hemmnisse einer breiteren Einführung von effizienten Technologien bestehen in der mangelnden Information über Kosten und Nutzen. Für viele Verbesserungen können außerdem keine verallgemeinernden und einfachen Aussagen zu Einsparungen getroffen werden, da Einsparpotenziale individuell und anwendungsbezogen sind. Und wenn dann noch Vorgaben bestehen, dass sich eine Einsparung in weniger als drei Jahren wirtschaftlich rechnen muss, sind viele effiziente Bauteile schnell außerhalb von Beschaffungsrichtlinien. Dass die Berechnung der wirtschaftlichen Einsparung in vielen Fällen keine Aussagen zur Klimarelevanz enthält, macht einen Vergleich noch schwieriger.
Hinzu kommen komplexe Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen innerhalb eines Unternehmens. Viele Zielvereinbarungen sind auf den Erfolg einzelner Personen fokussiert. Verbesserungen in der Gruppe oder im Unternehmen sind zum einen nicht leicht zu ermitteln. Zum anderen ist die Bereitschaft gering, beziehungsweise es fehlen Zeit und Ressourcen, sich in neue und komplexe Systeme einzuarbeiten.
Zudem kommt es bei Ersatzinvestitionen häufig zu Zeitdruck. Ein ungeplanter Ausfall sollte möglichst sofort behoben werden, denn Kundenaufträge sind zu erfüllen. Gibt es keine Alternativen in der Ersatzteilbeschaffung, werden die Standardbauteile nachgeordert.
Energieeffizienz kommt deshalb nicht dahergeflogen und ist in vielen Fällen nicht einfach aus Standards oder Merkblättern abzulesen. Verbesserungen benötigen Zeit und Bereitschaft, auch neue Techniken zu prüfen. Dazu sind die üblichen Regeln der Abschreibung zu überdenken. Ein erster Schritt wäre eine Gesamtbetrachtung nach Lebenszykluskosten.
Text: ZiM
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„Klimaneutralität ist unser Ziel“
Interview mit Uwe Lügering und Marco Philipp von der IGS Aerosols GmbH in Wehr
Welche Rolle spielen Energieeffizienz und Klimaschutz bei der IGS Aerosols GmbH?
Uwe Lügering: Das Thema ist seit über 20 Jahren bei uns präsent. Seit Langem sind wir als EMAS-Unternehmen umweltzertifiziert und verpflichten uns damit zu einer kontinuierlichen Verbesserung unserer Umweltleistung über gesetzliche Anforderungen hinaus. Wir haben im Unternehmen schon einiges getan, um unsere Energieeffizienz zu verbessern. Klimaneutralität ist unser Ziel. Doch das geht nicht von heute auf morgen. Das ist ein Prozess mit vielen kleinen Schritten.
Was haben Sie schon umgesetzt?
Marco Philipp: Wir haben zwei Werke am Standort. Bei einem haben wir die Heizung von Öl auf Gas mit Pufferspeicher und Blockheizkraftwerk (BHKW) umgestellt. Ein Gas-BHKW erzeugt gleichzeitig Strom und Wärme. Damit sind wir von öffentlichen Versorgern unabhängiger. Unser Werk 2 hat noch eine Ölheizung. Hier möchten wir Richtung Photovoltaik und Elektrowärmepumpe gehen. In beiden Werken befassen wir uns außerdem mit der Abwärme aus der Produktion. Hier sehen wir noch großes Potenzial.
Uwe Lügering: Unsere Bemühungen lohnen sich bereits heute. Die Verbräuche sind eindeutig rückläufig. Nur in unserer Pharmasparte hat sich der Verbrauch leider erhöht. Das liegt daran, dass sich die Herstellungspraxis für Arzneimittel verändert hat, in unserem Fall wurde der Einsatz von Klimaanlagen notwendig, um die richtigen Reinluftbedingungen zu gewährleisten. Das zieht natürlich viel Energie.
Marco Philipp: Es ist immer wichtig zu wissen, wo wird was und wie viel verbraucht. Dazu haben wir die Gebäudetechnik neu aufgebaut, um die ganzen Verbraucher und Zählerstände zu dokumentieren und auswerten zu können. Ein weiteres wichtiges Thema bei uns ist die Erzeugung von Druckluft, die wir für unsere Produkte brauchen. Dabei muss Luft unter viel Energieaufwand komprimiert werden. Druckluft ist deshalb sehr teuer. Wir haben deswegen ein Projekt gestartet, um herauszufinden, wo Druckluft im Produktionsprozess verloren geht.
Uwe Lügering: Man muss sich alles im Betrieb anschauen. Nahezu überall gibt es Möglichkeiten, effizienter zu werden. Bis auf einen Dieselstapler haben wir unseren Fuhrpark auf Elektrofahrzeuge umgestellt, bis Ende nächsten Jahres wird die Umstellung komplett sein. Der Fuhrpark soll künftig über eine Photovoltaikanlage mit Strom versorgt werden. Wir haben außerdem die Beleuchtung auf LED umgestellt und in der IT die großen energieintensiven PCs durch kleine Laptopsysteme ersetzt. Klimaschutz ist eine Querschnittaufgabe im Unternehmen. Da gehören alle Abteilungen dazu.
Wird das Thema immer wichtiger?
Uwe Lügering: Auf jeden Fall. Durch das Klimaschutzgesetz und den Green Deal der EU wissen wir, in welche Richtung die Entwicklung geht. Je später man mit mehr Energieeffizienz anfängt, desto mehr hat man vor sich, sollten sich die Gesetze noch einmal deutlich verschärfen. Wir bereiten uns quasi durchgehend vor, um bei einer veränderten Gesetzgebung anpassungsfähig zu sein. Wir werden das hinbekommen, weil wir müssen. Das muss jedem Unternehmen klar. Wer nicht am Ball bleibt, ist früher oder später raus.
Marco Philipp: Wir würden uns aber mehr Verständnis für den Mittelstand wünschen. Die Umstellung auf Klimaneutralität ist für kleinere und mittlere Unternehmen eine Kraftanstrengung. Die Politik muss hinschauen, ab wann gesetzliche Regelungen zu einem Wettbewerbsnachteil gegenüber Konkurrenten außerhalb der EU werden.
Interview: hw