In den ersten beiden Teilen der Artikelserie „Klimaschutz im Unternehmen“ ging es um das Erkennen von Effizienzpotenzialen im Betrieb und um konkrete Strategien für Einsparungen. Im Fokus der dritten und letzten Folge steht die Investitionsplanung.
Viele Maschinen, Anlagen und Geräte in Betrieben werden heute überwiegend nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten angeschafft. Eine Vorgabe ist dabei in vielen Unternehmensrichtlinien entscheidend: Eine Investition soll sich in möglichst kurzer Zeit amortisieren, innerhalb von zwei bis fünf Jahren, am besten weit unter den üblichen Abschreibungssätzen. Selten wird die Investition unter den Aspekten Energieeffizienz oder Klimaschutz bewertet. Genauso wenig werden die wahren Lebenszykluskosten einer Maschine betrachtet oder künftige Energiepreissteigerungen eingerechnet. Dabei muss klar sein, dass jede Investition, die heute getätigt wird, lange im Unternehmen bleibt, manchmal sogar mehrere Jahrzehnte. Viele Anlagen und Geräte werden deutlich über die geplanten Nutzungszeiten hinaus verwendet. In nahezu allen Unternehmen stehen Maschinen, die 15 Jahre oder länger im Einsatz sind. Somit lohnt sich langfristig die Betrachtung der Klimarelevanz bei jeder Investition.
Bekannt ist, dass die Kosten für Ressourcen und Energie steigen werden und das Verursachen von CO2 teurer wird. Anschaffungen, die dies nicht berücksichtigen, können in der Zukunft ein Nachteil sein und zusätzliche Kosten verursachen, die wiederum einen Wettbewerbsnachteil darstellen. Gesetzliche Regelungen, Auflagen oder Grenzwerte werden den Druck weiter erhöhen. Zudem ist es ungewiss, wie Verbraucher, Kunden und Märkte reagieren werden. Möglicherweise lassen sich Produkte nur noch erfolgreich vermarkten und absetzen, wenn der CO2-Fußabdruck von Gütern oder Prozessen klein ist oder gegen Null geht. Ohne ein „Green Labeling“ wird die Wettbewerbsfähigkeit vermutlich leiden und der Absatz ausbleiben. Das Berücksichtigen von klimarelevanten Daten bei jeder Anschaffung sollte deshalb zum Standard in der Beschaffungsstrategie werden. Neben den reinen wirtschaftlichen Gesichtspunkten wie günstiger Preis oder schnelle Abschreibung sollten aber auch die Prozess-, Energie-, Nachhaltigkeits- und Wartungskosten in Zukunft Entscheidungskriterien sein.
CO2-Fußabdruck
Mit dem CO2-Rechner (www.klimaktiv.de/de/299/unternehmen.html) für Unternehmen werden auf transparente Weise alle unmittelbar und mittelbar verursachten Emissionen entsprechend dem Greenhouse-Gas-Protocol (Scope 1, Scope 2 und Scope 3) sowie der ISO Norm 14064-1 erfasst, bilanziert und dokumentiert. Somit kommen Sie in wenigen Schritten zum Corporate Carbon Footprint (CCF) Ihres Unternehmens inklusive CO2-Bericht und erhalten Kennzahlen für Ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Das Ecocockpit (www.mittelstand-energiewende.de/servicestelle/projekte/co2-fussabdruck.html) ist die kostenfreie Lösung zur Ermittlung des CO2-Fußabdruckes. Erstellen Sie mit dem Ecocockpit in wenigen Schritten die CO2-Bilanz Ihres Unternehmens (CCF) und Ihrer Produkte (PCF). Identifizieren Sie unkompliziert und praxisnah Ihre CO2-Treiber im Unternehmen und leiten Sie Maßnahmen zur Reduzierung ab.
Hinterfragen Sie jede Investition mit einem Sechs-Fragen-Schnellcheck:
- Welche Energieversorgung benötigt die Anschaffung oder Produktentwicklung?
Erfassen Sie alle Energieträger (Strom, Wärme, Kälte, Druckluft, Ab- und Zuluft) und die geforderte Menge und Qualität der Energieversorgung (zum Beispiel Leistungen, Dauerbetrieb, Reinheit). Streben Sie eine Mehrfachnutzung von Energie (Kaskaden, Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung) an. - Sind effiziente Bauteile angeboten worden?
Vergleichen Sie nur Angebote mit gleichwertigen Effizienzklassen (zum Beispiel Motoren, Sensoren, Anzeige- und Auslesewerte, Regelbarkeit, Abschalteinrichtungen) über alle Bauteile. Akzeptieren Sie keine Angebote, in denen unterschiedlich effiziente Bauteile im Wettbewerb stehen. Fordern Sie dabei immer möglichst effiziente Bauteile nach dem aktuellen „Stand der Technik“ ein. - Können nicht benötigte Funktionen abgeschaltet werden?
Viele Maschinen und Geräte verbrauchen im Stand-by-Modus Energie. Bestehen Sie auf vollständigen Ausschaltungen und erlauben Sie keine laufenden Anlagenteile ohne Produkt. Sind Zeitschaltungen möglich? - Ist alles geschützt und gedämmt?
Eine gute und vollständige Wärme- und Kältedämmung muss selbstverständlich sein. Gerade dabei können nachträglich kaum noch zusätzliche Dämmschichten aufgebraucht werden. Zudem ist die Qualität des Dämmmaterials mit zu berücksichtigen. - Sind alle Anlagenteile zugänglich, und gibt es ein Ersatzteilkonzept?
Servicefähigkeit und Reparaturfähigkeit erhöhen die Verfügbarkeit. Möglichst viele Standardteile (Anbieterbreite und Verfügbarkeit beachten) und wenige Spezialteile. Jedes Sonderbauteil reduziert die Flexibilität in der Ersatzteilversorgung. Gleichzeitig erhöht es die Abhängigkeit von Lieferanten. Lassen Sie sich vor jeder Anschaffung von den Anbietern ein vergleichbares Ersatzteilpaket anbieten. Natürlich sollten auch die Servicekosten immer berücksichtigt werden. - Sind Gewährleistungen und Schnittstellen vorhanden?
Achten Sie auf langfristige Funktionsfähigkeit. Eine Einbindung in eigene Systeme sollte ohne Sonderanfertigung/-programmierung möglich sein. Machen Sie die Erfüllung von Garantien nicht von besonderen Erfüllungsoptionen wie Wartung in kurzen Intervallen von speziellem Personal abhängig.
Die Funktionen von Technik, Beschaffung und Energieversorgung sollten deshalb immer den gesamten Zusammenhang einer Investition berücksichtigen. Nicht jeder günstige Einkauf ist langfristig wirtschaftlicher und klimaeffizient. Es kann sinnvoller sein, zu Beginn etwas mehr Geld auszugeben, wenn dadurch das Budget bei der Wartung geringer bleibt und der CO2-Fußabdruck insgesamt möglichst klein ist.
Text: Zim
Bild: ARaymond/Juri Junkow
Bildbeschreibung:
Kunststofffertigung bei dem Automobilzulieferer A Raymond in Weil.
Michael Zierer
Telefon: 07622 3907-214
Mail: michael.zierer@konstanz.ihk.de
»Klimaneutralität ist unser Ziel«
Interview mit Joachim Gerteis, Manager Environmental Affairs and Occupational Safety bei dem Automobilzulieferer A Raymond
Welche Rolle spielen Energieeffizienz und Klimaschutz bei A Raymond?
Joachim Gerteis: Den Umwelt- und Klimaschutz verfolgen wir schon seit Jahrzehnten in unserem Unternehmen. Wir haben schon früh ein Umweltmanagement eingeführt. Dabei geht es um die Umweltverträglichkeit von Produkten und Prozessen einerseits sowie die Verhaltensweisen der Mitarbeiter andererseits. 2012 haben wir beschlossen, zusätzlich ein Energiemanagement einzuführen. Mit über 300 Messstellen können wir sehr genau und minutiös die Energienutzung beobachten und den einzelnen Abteilungen genaue Angaben zum Energieverbrauch geben. Dabei geben wir den Verbrauch auch in Euro an, damit die Kolleginnen und Kollegen sich den Verbrauch besser vorstellen können. Das Monitoring dient natürlich auch dazu, den Energieverbrauch immer weiter zu senken.
Was machen Sie genau, um den Energieverbrauch zu senken?
Wenn wir erkennen, dass eine Maschine zu viel Energie verbraucht, denken wir über Ersatz nach. Bei Neuinvestitionen, egal ob Kühlmaschinen, Pumpen oder Spritzgussmaschinen, achten wir darauf, dass die Verbrauchswerte sehr gut sind. Das Angebot an energieoptimierten Maschinen wird auch immer besser. Es gibt mittlerweile Spritzgussmaschinen, die voll elektrisch und nicht hydraulisch sind. Auch vor Ort tüfteln wir an der Produktion, zum Beispiel ob Temperatursprünge bei der Härtung sein müssen oder ob es doch konstanter geht. Es geht aber bei allem auch darum, die einzelnen Mitarbeiter zum Mitmachen zu motivieren. Jeder soll sich Gedanken machen, auch wenn es nur darum geht, das Licht auszumachen oder richtig zu lüften. Selbstverständlich schulen wir unsere Belegschaft, das Thema Energieeffizienz stets mitzudenken.
Darüber hinaus nutzen wir die Abwärme in der Produktion zum Beispiel zur Beheizung der Duschen in den Sanitäranlagen. Bei größeren Anlagen nutzen wir Sprinklertanks als Wärmepuffer. Für den Pendelverkehr zwischen den Standorten Weil und Lörrach haben wir Elektroautos angeschafft, die an Tankstellen auf dem Werksgelände geladen werden. In Lörrach planen wir außerdem gerade, die ganze Fläche komplett neu zu bebauen. Wir möchten dann auf das Grundwasser zurückgreifen und damit heizen. Der Standort wird dann CO2-neutral sein.
Ist A Raymond für die Zukunft gut aufgestellt?
Wir stehen vor zwei Herausforderungen: der Mobilitätswende und dem Klimaschutz. Unser Weg geht nur in eine Richtung: Klimaneutralität. Das wird von uns erwartet und verlangt. Zum einen vom Gesetzgeber, zum anderen von unseren Kunden, den großen Autoherstellern. Die möchten bis 2030 klimaneutral sein, das heißt, wir als Lieferant müssen das dann auch. Wir sind gut aufgestellt, weil das Thema für uns nicht neu ist. Aber es bleibt eine große Kraftanstrengung, weil wir auch wettbewerbsfähig bleiben müssen. Wir hoffen, dass die Anstrengungen irgendwann ein Wettbewerbsvorteil sein werden, bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Es bedarf weiterer Innovationen, die uns helfen, CO2-neutral zu werden. Eine wichtige Rolle wird der Wasserstoff spielen.
Interview: hw