Vor der Pandemie war Homeoffice eher die Ausnahme. Inzwischen gehört für viele Unternehmen an Hochrhein und Bodensee mobiles Arbeiten zur neuen Normalität. Das ergab eine Umfrage der IHK, an der rund 100 Betriebe teilgenommen haben. Die Unternehmen wurden befragt, ob sie mobiles Arbeiten anbieten, welche Erfahrungen sie gemacht haben und was sie künftig planen.

Aus den Ergebnissen geht hervor, wie sehr die Krise bei den Unternehmen die Arbeitskultur verändert hat: 62,2 Prozent der Befragten gaben an, dass seit Beginn der Krise verstärkt im Homeoffice gearbeitet wird. Nur 12,2 Prozent haben dies bereits vor der Krise getan. Für 25,5 Prozent der befragten Unternehmen kam das Homeoffice vorher wenig oder gar nicht infrage – meist, weil es die Tätigkeit selbst, etwa in der Produktion oder bei einer Dienstleistung unmittelbar am Kunden, nicht zulässt.
„Die Unternehmen und ihre Belegschaften haben in der Coronakrise einen Digitalisierungsschub erlebt“, sagt Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee. „Digital angepasst wurden Arbeitsstrukturen und oft die gesamte Kommunikation nach innen und außen. Ganze Geschäftsmodelle wurden umgestellt und angepasst – Bildungsangebote fanden online und ohne jede physische Präsenz statt, die Kundenberatung und der Verkauf wurden am Bildschirm möglich. Obwohl oft aus der Not geboren, zeigten sich schnell Effizienzgewinne, Zeit- und Kostenvorteile. Es ist deshalb absehbar, dass vieles davon über die Pandemie hinaus Bestand haben wird.“
Die Unternehmen setzen auch in Zukunft auf das mobile Arbeiten, wenn auch nicht ausschließlich. Etwas mehr als die Hälfte der Unternehmen strebt ein hybrides Modell aus Präsenzarbeit und Homeoffice an. Nur 22 Prozent der Betriebe wollen wieder komplett zur Präsenzkultur zurückkehren. Keine Überraschung, denn die Erfahrungen mit dem Arbeiten von zu Hause werden rückblickend sehr positiv bewertet: 61 Prozent gaben an, die guten Erfahrungen mit dem mobilen Arbeiten würden deutlich überwiegen, nur 8,9 Prozent sind im Rückblick nicht zufrieden.
Für viele Unternehmen ist das Homeoffice aber in erster Linie mit neuen Erfahrungen verbunden und damit auch mit Herausforderungen. Für 56,6 Prozent der Unternehmen war die Neuorganisation der Arbeit nicht einfach, umstellen musste man sich auch bei der Personalführung (31,1 Prozent). Hinzu kamen rechtliche Aspekte (27,7 Prozent) und zusätzlicher bürokratischer Aufwand (28,8 Prozent). Von technischen Problemen aufgrund von Ausstattung oder schlechter Internetverbindung berichtet jedes fünfte Unternehmen. Knapp die Hälfte sagt außerdem, eine gute Balance zwischen Zeiten im Homeoffice und am Arbeitsplatz für die Abläufe im Unternehmen zu finden, sei eine große Herausforderung.

Ob es eines rechtlichen Anspruches für das mobile Arbeiten bedarf, verneint eine Mehrheit der befragten Unternehmen. Nur 22,2 Prozent befürworten einen solchen Anspruch. 17,7 Prozent der Betriebe lehnen einen Anspruch zwar nicht per se ab, sind aber skeptisch, weil die Unternehmen „aktuell schon genug zu stemmen haben“. „Über alle Branchen hinweg halten Unternehmen einen rechtlichen Anspruch auf Homeoffice nicht für nötig. Das Bewusstsein, den Beschäftigten auch nach der Pandemie mehr Flexibilität in ihrer Lebensgestaltung anzubieten, ist ohnehin schon längst vorhanden“, sagt Marx. „Fachkräftemangel und die zunehmende Bedeutung der Arbeitgeberattraktivität tun ein Übriges. Es ist ein Trend, der durch die Krise einen Push erlebt hat, beide Seiten haben sich daran gewöhnt, die Erfahrungen sind ganz überwiegend positiv. Der Markt braucht an dieser Stelle keine Nachhilfe vom Gesetzgeber.“
Dennoch gibt es für Marx noch einiges zu klären. „Mobiles Arbeiten braucht einen Rechtsrahmen. Begriffe wie Telearbeit, Homeoffice oder mobiles Arbeiten müssen eindeutig definiert und voneinander abgegrenzt werden. Es macht rechtlich einen großen Unterschied, ob einem Arbeitnehmer gestattet wird, einen Teil seiner Arbeitsleistung außerhalb des Unternehmens an einem Ort seiner Wahl zu erbringen oder ob sein Arbeitsplatz im Unternehmen gänzlich aufgelöst und dauerhaft an einen anderen Ort verlegt wird. Die Geltung der Arbeitsstättenverordnung, die Fürsorge- und Sorgfaltspflichten des Arbeitgebers, die Sicherstellung des Arbeits- und des Datenschutzes, die Ausstattung des Arbeitsplatzes und nicht zuletzt Versicherungsfragen hängen damit zusammen.“ Und die dürften nicht erst beantwortet werden, wenn zum ersten Mal ein Mitarbeiter in seiner Wohnung auf der Treppe gestürzt ist. „Und nicht zuletzt: Noch immer gibt es keine flächendeckende Versorgung mit Breitbandanschlüssen, und die Mobilfunkabdeckung in unserer Region ist defizitär. Das ist während der Pandemie für viele Menschen und Unternehmen in unserer ländlichen Region zu einem Problem geworden“, sagt Marx. „Mobiles Arbeiten funktioniert nur, wo sichere und leistungsfähige Netzanbindung gegeben ist. Hier nicht ins Hintertreffen zu geraten, ist für unseren ländlichen Raum von existenzieller Bedeutung.“
Text: hw
Bilder: Döderlein/IHK
Bildbeschreibung (oben):
Ein Wechsel zwischen Büro und Homeoffice ist seit Beginn der Coronapandemie in vielen Unternehmen üblich.