Mit nachhaltigem Konsum hat sich auch der Handels- und Tourismusausschuss bei seiner jüngsten Sitzung Ende Oktober beschäftigt. Gastgeber war Ausschussmitglied Olaf Jung, Inhaber der Eventlocation Teamwelt in Höchenschwand. Nachdem Roland Scherer von der Universität St. Gallen die neueste Studie zu den wirtschaftlichen Verflechtungen des deutsch-schweizerischen Grenzraums vorgestellt hatte, berichteten Iris Fischer und Klaus Ballas von der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft über das wachsende Bedürfnis der Menschen, nachhaltig zu konsumieren. Im Interview haben wir sie ebenfalls zum Thema befragt.
Frau Fischer, spielt das Thema Nachhaltigkeit bei Kaufentscheidungen eine Rolle?
Allerdings. Angetrieben wird dies insbesondere durch die Plastikverschwendung und den Klimawandel, worum sich deutsche Verbraucher am meisten sorgen. So gaben 68 Prozent der befragten deutschen Verbraucher an, dass sie mindestens hin und wieder beim Kauf eines Produkts dessen Umwelteinfluss berücksichtigen. Dies betrifft vor allem frisches Obst und Gemüse (83 Prozent) sowie Fleisch und Fisch (80 Prozent). Allerdings sagen 42 Prozent auch, nachhaltige Produkte seien zu teuer. Die deutschen Konsumenten und Konsumentinnen erwarten daher von Unternehmen, nachhaltigere Produkte oder Dienstleistungen möglichst ohne hohe Preisaufschläge anzubieten.
Herr Ballas, dann stimmt der Eindruck, dass die Mehrheit der Menschen nachhaltig leben möchte, aber nicht bereit ist, dafür Geld auszugeben?
Das ist richtig. Nur 17 Prozent der deutschen Verbraucher waren im Zeitraum Dezember 2020 bis Mai 2021 bereit, mehr Geld für Waren auszugeben, die angaben, nachhaltig zu sein. Die Mehrheit der Verbraucher will oder kann es sich schlichtweg nicht leisten, mehr für Nachhaltigkeit zu bezahlen. Der Preis bleibt daher ein wichtiges Kaufkriterium. Hinzu kommen der Mangel an Informationen oder die Unübersichtlichkeit bei den verschiedenen Siegeln. Dies hält vor allem die Verbraucher, die bereit sind, eine nachhaltigere Wahl zu treffen, vom Kauf eines solchen Produktes ab. Um erfolgreich zu sein, müssen die Unternehmen verständliche und vor allem vertrauenswürdige Angaben in puncto Nachhaltigkeit machen und den Verbraucher zu mehr nachhaltigem Konsum anleiten, indem sie den Aufpreis mit entsprechendem Mehrwert rechtfertigen. 61 Prozent der deutschen Verbraucher sind bereit, ihr eigenes Verhalten zu ändern, wenn sie dabei Geld sparen können, beispielweise durch einen reduzierten Energie- oder Wasserverbrauch.
Also ist der nachhaltige Konsument bisher mehr Wunsch als Wirklichkeit, Herr Ballas?
Nein, ganz und gar nicht. Das Nachhaltigkeitsbewusstsein hat sich deutlich geändert. 86 Prozent der Verbraucher berücksichtigen zum Beispiel beim Kauf von Produkten die Verpackungsmenge. Doch genauso wie sie selbst, müssen auch Unternehmen nachhaltig agieren. 62 Prozent der deutschen Verbraucher glauben, dass es in der Verantwortung eines Unternehmens liegt, für Nachhaltigkeit bei Produkten und Dienstleistungen zu sorgen und sich selbst auch entsprechend zu verhalten. Die Stimmung geht in eine ganz eindeutige Richtung, doch das Verhalten braucht bekanntlich mehr Zeit und auch Möglichkeiten.
Frau Fischer, was ist Ihr Fazit für Unternehmen?
Steigender Druck von Seiten des Konsumenten und von Investoren sowie verschärfte Regulierungen auf EU- und Deutschlandebene werden in Zukunft noch mehr über den Erfolg oder Misserfolg eines Geschäfts oder einer Marke entscheiden. Nachhaltigkeit wird sich auf die gesamte Wertschöpfungskette auswirken. Unternehmen sollten somit im eigenen Interesse Nachhaltigkeit als Wertbringer und Unterscheidungsmerkmal zum Wettbewerb begreifen und zum integralen Bestandteil ihres Geschäftsmodells machen.
Interview: hw