Deutschlands Wirtschaft ist im Krisenmodus: Retrospektiv blicken wir auf immer noch gestörte Lieferketten nach der Pandemie und einen nach wie vor anhaltenden Energiepreisschock. Dies alles trifft gegenwärtig auf rund sieben Prozent Inflation und eine mögliche Bankenkrise. Prospektiv stehen im Pflichtenheft: Dekarbonisierung der Wirtschaft laut Klimaschutzgesetz und immer mehr Forderungen nach Nachhaltigkeit. Dabei gibt es nicht nur eine Koinzidenz der Ereignisse. Vieles hängt auch faktisch miteinander zusammen: Energiekrise, Dekarbonisierung und Nachhaltigkeit sind für die Wirtschaft untrennbar miteinander verbunden. Mit dem „Aktionsmonat Nachhaltigkeit“ stellt sich die IHK Südlicher Oberrhein an die Seite der Unternehmen, um die vielschichtigen Herausforderungen zu bewältigen.
„Die Reduzierung fossiler Energieträger wird entscheidend sein für die ökologische und die ökonomische Zukunftsfähigkeit der Unternehmen“, ist sich André Olveira-Lenz sicher. Der Leiter des Geschäftsbereichs Innovation und Umwelt bei der IHK Südlicher Oberrhein hat zugleich die Federführung „Umwelt“ der baden-württembergischen Industrie- und Handelskammern. Mit seiner Expertise ist er maßgeblich beteiligt am „Aktionsmonat Nachhaltigkeit“ der IHK Südlicher Oberrhein (Programm siehe Kasten Seite 18). Diese Art Gipfeltreffen der Nachhaltigkeit soll den IHK-Mitgliedsunternehmen in krisenhaften Zeiten Orientierung und Impulse geben, sich für die vielfältigen Herausforderungen zu wappnen und trotz Krisenmodus Herr der Lage zu bleiben.
„Nachhaltigkeit ist DAS neue Paradigma der Wirtschaft“, ist Olveira-Lenz überzeugt. Besonders spürbar werde diese gerade beim Blick auf die Energiepreise: „Unternehmen, die vor Jahren bereits auf erneuerbare Energien gesetzt haben, sind nun klar im Vorteil.“ Dass genau dies der vielversprechendste Weg sein dürfte, die Energiekrise hinter sich zu lassen, sieht auch Sebastian Bolay so. Der Bereichsleiter „Energie, Umwelt, Industrie“ bei der DIHK hat die Interessen des Mittelstands vertreten, als in Berlin die Energiepreisbremse ausgehandelt wurde. Er wird Keynote-Speaker sein beim Forum „Energiekrise – was folgt danach?“, das im Rahmen des „Aktionsmonat Nachhaltigkeit“ am 4. Mai ab 9.30 Uhr im Forum Merzhausen in Freiburg stattfinden wird. Das Forum ist so konzipiert, dass Unternehmen motiviert werden, ins Handeln zu kommen und sich selbst die Frage zu beantworten, was nach der Energiekrise folgt.
Längst noch nicht über den Berg
Dass diese Folgen wenig mit Entspannung zu tun haben, bestätigt auch Bolay: „Wir stehen zwar besser da, als wir noch vor einem halben Jahr dachten. Allerdings haben sich die Energiepreismärkte beruhigt, weil wir auch Glück hatten und der Winter milde verlief – und weil mit staatlichen Subventionen gegengesteuert wurde.“ Was den kommenden Winter betrifft, will der Experte nicht ausschließen, dass es knapp werden könnte mit Gas und Strom. Und: „Die Energiepreise liegen immer noch auf dem dreifachen Niveau von vor der Krise und werden sicherlich auch nicht wieder auf Vorkrisenniveau zurückkehren.“
Was folgt also nach der Energiekrise?
Sebastian Bolay hofft vor allen Dingen auf dezentrale Lösungen und auf eine Art Selbstfürsorge der Unternehmen: „Österreich und Ungarn nutzen nach wie vor russisches Gas. Falls sich das ändern sollte, stellt sich die Frage der Netzstabilität. Indien und China werden nach der Pandemie wieder größeren Energiehunger haben und den Weltmarktpreis für Flüssigerdgas (LNG) treiben. Der Netzausbau in Deutschland wird auf Jahre hinaus ein Problem darstellen und Energie-Preis-Zonen – mit den teuersten Preisen in Bayern und in Baden-Württemberg – könnten kommen.“ Am besten also, Unternehmen verbrauchen so wenig Energie wie möglich – und produzieren so viel davon, wie es geht, eben selbst.
Beispiele hierfür gibt es auch im Bezirk der IHK Südlicher Oberrhein viele. Repräsentanten davon werden beim „Aktionsmonat Nachhaltigkeit“ dabei sein. Mit Vertretern der Energieversorger, Berichten aus der Praxis, wie sie zum Beispiel das „Nachhaltigkeitsnetzwerk Energie, Energieeffizienz und Erneuerbare“ beisteuert, oder Experten zu Themen wie Scope-3-Emissionen oder Trinationaler Wasserstoff-Initiative bietet der „Aktionsmonat Nachhaltigkeit“ ein Füllhorn der unterschiedlichsten Wege heraus aus der Energiekrise und hin zu mehr ökologischer Nachhaltigkeit.
In einem Positionspapier unterstützt auch die DIHK das Ziel, Deutschland bis 2030 erheblich treibhausgasunschädlicher zu machen und bis 2045 sogar klimaneutral. Wie dies vor dem Hintergrund der Energiekrise und ihrer Folgen gelingen kann, hat Sebastian Bolay darin formuliert: „Der Wandel des Energiemixes von fossilen zu erneuerbaren Energien in Deutschland in den kommenden sieben Jahren bis 2030 ist eine Herkulesaufgabe. Erhebliche negative Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Deutschland drohen, wenn nicht zügig politische Weichenstellungen vorgenommen werden“, schreibt er. Im Positionspapier findet sich aber auch die Aufforderung, heimische Potenziale in den Blick zu nehmen, um die Versorgungssicherheit der Unternehmen zu stärken. Wie dies genau aussehen kann, wird Thema des „Aktionsmonats Nachhaltigkeit“ sein.
Text: dg
Bilder: Adobe Stock/Fokussiert (oben), Schuering/DIHK (Mitte), Adobe Stock/xyz+ (unten)
Das bietet der Aktionsmonat nachhaltigkeit
Hier eine Auswahl der Veranstaltungen der IHK Südlicher Oberrhein:
- „Energiekrise – Was folgt danach?“, Forum Merzhausen, 4. Mai, 9.30 Uhr
- „Scope 3-Emissionen: Der Schlüssel zur vollständigen Treibhausgasbilanz“, Online, 9. Mai, 14 Uhr
- „CO2- Bilanz erstellen – Schritt für Schritt“, Offenburg, 10. Mai, 16 Uhr, https://veranstaltungen.freiburg.ihk.de/b/?p=co2bilanzerstellen
- „Green Deal und Tourismus – wo stehen wir heute und wo geht’s hin?“ Online, 15. Mai, 14 Uhr
- „Nachhaltigkeitsnetzwerk: Energie, Energieeffizienz und Erneuerbare“
- IHK Südlicher Oberrhein in Lahr, 23. Mai, 14 Uhr
- „Lithiumgewinnung und Geothermie am Südlichen Oberrhein“ Online, 26. Mai, 10.30 Uhr
Infos zu allen Veranstaltungen und die Möglichkeit zur Anmeldung unter www.fuerdiewirtschaft.de/aktionsmonat-nachhaltigkeit