Der jährliche grenzüberschreitende Martini Apéro der IHK Hochrhein-Bodensee und des Arbeitgeberverbandes Kreuzlingen und Umgebung hat Tradition. Umso bedauerlicher war es im vergangenen Jahr, dass die Netzwerkveranstaltung pandemiebedingt nicht stattfinden konnte. Nun kamen Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Schweiz und Deutschland wieder zusammen, um sich neben der Coronakrise auch über Themen wie den Klimaschutz auszutauschen. Den Input lieferte Kristian Peter, Geschäftsführer beim International Solar Energy Research Center Konstanz. Er berichtete, wie wir künftig unseren Strombedarf im Landkreis Konstanz über erneuerbare Energien decken können. Im Interview haben wir nochmal gefragt, wie das genau klappen könnte.
Herr Peter, Sie forschen zum Thema Solarenergie und sind überzeugt, dass Deutschland seinen Energiebedarf zu 50 Prozent aus Sonnenenergie decken könnte. Wie kann das gehen?
Wir haben noch nicht ansatzweise das Potenzial der Sonnenenergie in Deutschland ausgeschöpft. Pro Jahr trifft eine riesige Menge an Sonnenenergie auf die Erde – ein Vieltausendfaches dessen, was die Menschheit im Jahr benötigt. Aktuell liegt der Anteil der Sonnenenergie am deutschen Strommix bei circa zehn Prozent. Da ist noch viel Luft nach oben. Außerdem ist die Sonnenenergie besonders günstig. Während derzeit die Preise an der Strombörse explodieren, werden Solaranlagen gleichzeitig immer wirtschaftlicher.
Sehen wir irgendwann überall Solaranlagen?
Es werden deutlich mehr Solarmodule auf den Dächern sein. Auch an den Häuserwänden, die nach Süden, Osten und Westen zeigen, könnten Solaranlagen befestigt werden. An Gebäuden angebrachte Photovoltaikanlagen müssen aber ästhetisch schön integriert werden. Am Rande von Schnellstraßen, auf Flächen, die sonst ungenutzt bleiben, werden sich Photovoltaikanlagen nach der Sonne richten. Auf landwirtschaftlichen Flächen werden Solarmodule horizontal mehrere Meter über den Boden installiert oder senkrecht in Reihen stehen. Vielleicht wird es auch auf dem Bodensee eine schwimmende Solarinsel geben. Um mit Sonnenenergie 50 Prozent des Strombedarfs decken zu können, müssen ein Prozent der landwirtschaftlichen und drei Prozent der bebauten Flächen genutzt werden. Das ist überschaubar.
Die erneuerbaren Energien haben einen Nachteil: Sie produzieren nicht zuverlässig Strom. Nicht immer scheint die Sonne oder weht der Wind. Dieser Kritikpunkt wird gerne als Argument verwendet, warum es noch anderer Kraftwerke bedarf. Sehen Sie das auch so?
Nein, die brauchen wir nicht. Wir benötigen intelligente Netze und regelbare Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, um die Schwankungen im Stromnetz auszugleichen. Zudem haben sich in den vergangenen Jahren Stromspeicher enorm weiterentwickelt, so zum Beispiel die Solarstromspeicher. Diese Speicher können einen guten Teil des Solarstroms für längere Zeit vorhalten, bis er benötigt wird. Wir haben im ISC Konstanz eine TH-E-Box entwickelt. TH-E steht für thermische und elektrische Gebäudeenergieversorgung. Die Box funktioniert so: Unter Einsatz von Photovoltaik können diese Anlagen sowohl Wärme als auch elektrische Energie zu jeder Jahreszeit erzeugen, umwandeln und speichern. Die Boxen sind bestückt mit einer großen aufladbaren Batterie, einer elektrischen Wärmepumpe und einem Blockheizkraftwerk (das heißt am besten einer Brennstoffzelle), das zur Strom- und Wärmeerzeugung dient. Damit kann ein Einfamilienhaus komplett mit Strom und Wärme versorgt werden. Es gibt schon viele Lösungen. Jetzt geht es darum, sie umzusetzen.
Interview: hw
Bild: Referent Kristian Peter (Mitte) mit IHK-Hauptgeschäftsführer Claudius Marx (rechts) und Attila Wohlrab, Präsident des Arbeitgeberverbandes Kreuzlingen und Umgebung.