Schicken deutsche Unternehmen ihre Mitarbeiter nach Frankreich, müssen sie Meldepflichten und umfangreiche arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtliche Formalitäten beachten. Zwar gab es in der Vergangenheit schon von der IHK Südlicher Oberrhein erzielte Erleichterungen, doch reichen die in der tagtäglichen Praxis schlicht noch nicht aus. Das ergab eine neue Mitgliederumfrage.
Es war nicht die erste Umfrage der IHK Südlicher Oberrhein zum Arbeitseinsatz deutscher Unternehmen in Frankreich. Bereits vor drei Jahren hatte die Kammer, für deren Mitglieder Frankreich ein wichtiger wirtschaftlicher Partner ist, ihre Unternehmen zu den bürokratischen Hürden befragt. „Dank der vielen Rückmeldungen damals hatten wir in unseren zahlreichen Gesprächen mit der französischen Verwaltung gute Argumente, um Erleichterungen bei Warenlieferungen und Messebesuchen zu bewirken. Auch die geplante Gebühr für die Entsendungsmeldungen wurde wieder verworfen“, blickte IHK-Hauptgeschäftsführer Dieter Salomon bei der Vorstellung der Studie zunächst zurück. „Unserem Vorwurf bei unserem Besuch im französischen Arbeitsministerium in Paris damals, dass das reiner Protektionismus sei, hat dort niemand widersprochen.“ Es gehe den Franzosen bei ihren Regelungen um Lohndumping oder fehlende Sozialabgaben – Dinge, die laut Salomon von deutschen Firmen eben nicht zu befürchten seien. Weitere Verbesserungen hätte es dennoch nicht gegeben. „Das Thema ist dann mit der Pandemie in den Hintergrund gerückt.“
Deutsche Unternehmen stecken zurück
Entsprechend fallen nun die Ergebnisse der neuen Umfrage aus. „30 Prozent der Befragten teilen mit, dass sie ihre Frankreichgeschäfte reduzieren werden, zehn Prozent denken gar über eine Einstellung nach“, berichtet Stefanie Blum, stellvertretende Leiterin Geschäftsbereich International der IHK. Sie hat Verständnis für die Überlegungen der Betriebe: „Sie müssen diesen Aufwand zusätzlich bepreisen, das lässt ihre Angebote teurer werden und damit sind sie gerade gegenüber französischen Anbietern nicht mehr konkurrenzfähig.“ Als die größten Herausforderungen bei den Entsendeformalitäten nannten die Unternehmen die Übersetzung deutscher Dokumente wie medizinische Atteste, Lohn- und Stundenzettel oder Arbeitsverträge ins Französische sowie die Benennung eines französischsprachigen Vertreters. Blum: „Eine solche Person oder die Übersetzung sorgen für zusätzliche Kosten.“ Auch die Weitergabe von datenschutzrelevanten Informationen an Dritte bei der Entsendung sehen viele kritisch.
Geht es darum, welche Änderungen die Unternehmen am stärksten entlasten würden, herrscht Einigkeit bei den Befragten: Knapp 90 Prozent wünschen sich, dass die Meldepflicht bei kurzzeitigen Einsätzen entfällt (siehe Grafik Seite 17). Rund 70 Prozent sprechen sich für den Wegfall der Meldepflicht bei kurzfristigen Einsätzen wie unerwarteten Reparaturen aus. Blum: „Wünschenswert wäre, wenn Frankreich diese EU-Richtlinie weniger streng auslegen würde. So wie Dänemark, wo alle Arbeitseinsätze unter acht Tagen nicht gemeldet werden müssen. Oder Österreich, wo bei Arbeiten von geringem Umfang oder geringer Dauer die Meldepflicht entfällt.“ Deutschland konzentriere sich bei der Regelung auf die Bereiche, in denen Betrug am häufigsten vorkommt: auf dem Bau, in der Reinigungs- oder der Logistikbranche.
Spontan geht gar nichts
Eine Auslegung der EU-Richtlinie wie in Dänemark oder Österreich würden sich Monika Roob und Antonyo Hummel von der Firma MSG Krandienst aus Kehl wünschen. „Wir haben seit 2017 einen Betrieb in Frankreich, aber es ist einfacher, wenn ein Arbeitnehmer für zwei Jahre nach Paris geht als für einen Arbeitseinsatz wenige Stunden nur auf die andere Rheinseite“, konstatiert Roob. „Auch wenn wir einen französischen Vertreter haben und die Sprache sprechen, kostet uns der Mehraufwand doch mehrere Stunden in der Woche.“ Hummel ergänzt: „Wir möchten es ja richtig machen, aber es ist so kompliziert, dass das beinahe unmöglich ist.“ So sei es beispielsweise äußerst heikel, spontan einen Ersatzfahrer für einen Kran nach Frankreich zu schicken. „Früher war das alles problemlos, wir haben links und rechts des Rheins auf Anfragen reagiert, ohne uns Gedanken zu machen. Jetzt werden wir bürokratisch gelähmt.“ Für ihn besonders absurd: „Habe ich einen neuen Mitarbeiter in Kehl, der im Elsass lebt, darf ich ihn im ersten Monat nicht nach Frankreich entsenden.“
Vorschlag: die Kammern als Abwickler
IHK-Hauptgeschäftsführer Salomon betont, dass es nicht grundsätzlich um die Richtlinie gehe. „Könnten Firmen zu Dumpingpreisen in Frankreich arbeiten, würde das ja unseren Betrieben ebenfalls schaden.“ Es geht ihm um das tägliche Arbeiten, dafür wünscht er sich einfache Lösungen. Eine Idee: „Warum könnte die Akkreditierung nicht über die Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern laufen? Wir haben doch sowieso alle Daten von unseren Mitgliedern.“ Letztendlich betreffe die Problematik nicht nur die Unternehmen auf deutscher, sondern auch auf französischer Seite. „Es ist ja auch in deren Sinne, dass unsere Firmen bei ihnen aktiv sind.“
Die IHK Südlicher Oberrhein wird nun erneut mit den Umfrageergebnissen auf die französische Verwaltung zugehen, um Erleichterungen einzufordern. „Wir sind außerdem bereits in Kontakt mit den Ministerien in Baden-Württemberg“, informierte Pascale Mollet, Leiterin Stabsstelle für grenzüberschreitende Zusammenarbeit.
Text: naz
Graphik: IHK/Bild: Adobe Stock, Sergey Novikov
Graphik: Umfrage der IHK Südlicher Oberrhein zum Thema „Arbeitseinsatz in Frankreich“ unter 261 Mitgliedsunternehmen, Februar/März 2022
Bild: Die Passerelle des Deux Rives verbindet malerisch Straßburg und Kehl. Doch der grenzüberschreitende Arbeitsalltag ist von deutlichen Hürden gekennzeichnet.