Der Fachkräftemangel spitzt sich seit Jahren zu. Viele Unternehmen können ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen, dabei sind die Jobaussichten im Anschluss an eine Ausbildung sehr gut. Warum entscheiden sich dennoch viele junge Menschen gegen eine Ausbildung? Und warum lohnt es sich, über eine Ausbildung nachzudenken? Das erklären Alexandra Thoss, Geschäftsführerin für den Bereich Ausbildung der IHK, und Elena Blum, Prüfungssachbearbeiterin für gewerbliche Berufe.
Alexandra Thoß: Viele junge Menschen entscheiden sich sehr schnell gegen eine Ausbildung. Das hat nicht selten mit der Stellung der Berufsausbildung in unserer Gesellschaft zu tun. Seit Jahren wird das Studium von der Politik aktiv beworben, leider zu Lasten der Ausbildung. Junge Menschen fürchten um ihre soziale Stellung, wenn sie sich für eine Ausbildung entscheiden. Hinzu kommt, dass viele Schulabgänger*innen kaum etwas über die Möglichkeiten mit einer Berufsausbildung wissen.
Elena Blum: Ich habe das an mir selbst beobachtet. Nach dem Abitur wollte ich direkt an die Uni. Ein Klassenkamerad wollte erst einmal eine Ausbildung machen. Ich habe das nicht verstanden. Er hat doch das Abitur gemacht. Erst im Studium habe ich ihn verstanden. Neben der Theorie fehlte auch mir der Praxisbezug. Nach dem Bachelor habe ich deswegen eine Ausbildung bei der IHK zur Kauffrau für Büromanagement begonnen und Anfang 2021 erfolgreich abgeschlossen. Die IHK hat mich direkt nach der Ausbildung übernommen. Mit meinem Studium der Archäologie hätte ich trotz guter Noten keinen Job gefunden.
Thoß: Ich habe nach der Schule eine Ausbildung gemacht und erst danach studiert. Das möchten wir den jungen Menschen mit auf den Weg geben. Die Ausbildung ist keine Endstation, sondern kann die Basis für einen sehr vielseitigen Bildungsweg und eine spannende Karriere sein. Zum einen gibt es zahlreiche Fortbildungsmöglichkeiten, zum anderen die Option eines späteren Studiums.
Blum: Diesen Weg werde auch ich weitergehen. Mir stehen noch alle Karrierewegen offen, aber mein Praxiswissen möchte ich nicht missen. Ich weiß jetzt, wie wertvoll eine Ausbildung ist und dass sie dem Studium in nichts nachsteht. Leider wissen das viele Gymnasiasten nicht. Ihnen werden oft nur die Möglichkeiten eines Studiums aufgezeigt. Über die duale Ausbildung spricht in der Oberstufe keiner.
Thoß: Das ist schade, denn nicht für jeden ist das Studium das Richtige. Das zeigen die Abbruchquoten an den Hochschulen eindeutig. Der Großteil der Studienaussteiger*innen entscheidet sich dann für eine Ausbildung, und die meisten sind damit sehr happy. Zeit hat man dennoch verloren. Eine umfassende Berufsorientierung sollte deswegen in allen Schulzweigen stattfinden.
Blum: Mein Bildungsweg wäre vielleicht ein anderer gewesen, wenn ich mehr über die duale Ausbildung gewusst hätte. Besonders die Vorteile werden oft unterschlagen. Es ist falsch zu glauben, dass ein Studium finanziell gesehen immer die bessere Wahl ist. Ich verfolge jetzt meinen ganz eigenen Karriereweg und möchte, sobald ich etwas routinierter in meinem ersten Job bin, parallel eine Weiterbildung zur Wirtschaftsfachwirtin in Angriff nehmen.
hw
Freie Ausbildungsplätze
Für alle Kurzentschlossenen: Es gibt noch freie Ausbildungsplätze zum Ausbildungsstart 2021. Ein Blick in die IHK-Lehrstellenbörse lohnt sich immer:
www.ihk-lehrstellenboerse.de