Die lange Phase der Hochkonjunktur am Oberrhein scheint sich vorerst ihrem Ende zu nähern. Nachdem Baden-Württemberg fünf Jahre lang reale Wachstumsraten zwischen 1,2 und 3,1 Prozent verzeichnen durfte, ist davon auszugehen, dass sie dieses Jahr nur noch knapp im positiven Bereich liegen.
Die Gründe sind vor allem in der stotternden weltwirtschaftlichen Entwicklung zu suchen. So hat der Internationale Währungsfonds erst im Oktober zum vierten Mal in Folge seine Wachstumsprognose auf nun 3,2 Prozent für 2019 gesenkt. Solch geringe Wachstumsraten wurden zuletzt während der globalen Finanzkrise verzeichnet. Dies ist zuallererst eine Folge des Handelskriegs zwischen den USA und China und den verhängten Zöllen, die in den zurückliegenden Monaten den Handel zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt gebremst haben. Diese Verwerfungen haben in der international stark eingebundenen Industrie am Oberrhein im Laufe des vergangenen Jahres bereits zu Einbußen geführt. So kämpfen die Industrieunternehmen seit etwa einem Jahr mit einem deutlich rückläufigen Auftragseingang.
Deshalb verliert der Index der Geschäftslage am südlichen Oberrhein auch zum Herbst erneut deutlich an Boden. Zum dritten Mal in Folge sinkt sein Wert auf nun nur noch 36 Punkte – im Vergleich zum Frühsommer ein erneuter Rückgang um 9 Punkte. Mit 46 Prozent sind es aber immerhin noch knapp die Hälfte der Unternehmen, die ihre eigene Geschäftslage als gut bezeichnen, während 10 Prozent heute schon unzufrieden sind. Weiterhin zehren die Unternehmen also von der guten wirtschaftlichen Entwicklung der vergangenen Jahre. Allerdings zeigt sich wie schon zuletzt eine Diskrepanz zwischen der Industrie, wo die Lagebewertung mit 20 Punkten am negativsten ist, und den eher auf die Inlandsnachfrage ausgerichteten Dienstleistungsbranchen sowie der Bauwirtschaft.
Noch stärker als bei der Lagebewertung ist die Abwärtsbewegung bei den Erwartungen an die kommenden zwölf Monate: Der Index der Geschäftserwartungen verliert 18 Punkte und liegt nun mit minus 6 Punkten erstmals seit Jahresbeginn 2013 wieder im negativen Bereich. Das heißt, zum ersten Mal übersteigt der Anteil der Unternehmen, die mit einer negativen Geschäftsentwicklung rechnen (23 Prozent), wieder jenen derer, die positiv in die Zukunft blicken (17 Prozent).
Ende des Beschäftigungsbooms?
Interessant zu sehen sein wird, in welchem Maße sich diese Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt auswirkt. Die vergangenen zehn Jahre waren durch einen konstanten Beschäftigungsaufbau am Oberrhein gekennzeichnet. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist im Kammerbezirk Jahr für Jahr gestiegen – von 359.000 im Jahr 2008 auf 442.000 im Jahr 2018. Und dies auch in wachstumsschwächeren Jahren. Einiges deutet jedoch darauf hin, dass der Trend nun erstmals gebrochen werden könnte. So fällt der Index der erwarteten Beschäftigung von 2 auf minus 13 Punkte ab und damit auf den tiefsten Stand seit der globalen Finanzkrise. Bisher hat sich die Zahl der Arbeitslosen im Kammerbezirk im Jahresvergleich nur leicht erhöht: von 19.690 im September 2018 auf 20.282 im September 2019. Ob der Arbeitsmarkt auch in den kommenden Monaten derart stabil bleibt, muss sich aber erst noch zeigen.
Auch der Index der Inlandsinvestitionen folgt dem allgemeinen Abwärtstrend. Wie schon in der jüngsten Konjunkturumfrage verliert er zehn Punkte und rutscht nun mit minus einem Punkt erstmals seit 2013 wieder knapp in den negativen Bereich. Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Entwicklung der Investitionsmotive: Nur noch 22 Prozent der Unternehmen geben an, zum Zwecke der Kapazitätserweiterung zu investieren. Dieser Anteil lag vor einem Jahr noch bei 35 Prozent. Die Unsicherheit bei den Unternehmen steigt, und entsprechend vorsichtig agieren sie im Hinblick auf die eigenen Investitionsentscheidungen.
Nachfrage macht wieder große Sorgen
Eine Entwicklung, die sich schon im Frühjahr abzeichnete, bestätigt sich in der Herbstumfrage. Während der Fachkräftemangel aktuell etwas in den Hintergrund rückt, sorgen sich mehr und mehr Unternehmen um die Inlandsnachfrage. Mittlerweile gibt mit 51 Prozent mehr als jedes zweite Unternehmen an, eine sinkende Inlandsnachfrage zu fürchten – so viele wie noch nie seit die Frage erstmals im Jahr 2011 gestellt wurde. Der Fachkräftemangel wird weiterhin von 56 Prozent der Unternehmen als Risiko gesehen und bleibt damit der meistgenannte Risikofaktor. Allerdings lag der entsprechende Wert zu Jahresbeginn noch bei 69 Prozent. Dies unterstreicht, dass die Fachkräfteverfügbarkeit stets durch zwei große Einflussfaktoren geprägt wird: zum einen langfristig durch den demografischen Wandel sowie das abschmelzende Erwerbstätigenpotenzial und zum anderen durch die konjunkturellen Schwankungen der Wirtschaft und den daraus folgenden kurz- und mittelfristigen Fachkräftebedarf.
Norbert Uphues
Den vollständigen Konjunkturbericht zum Download gibt es unter https://www.suedlicher-oberrhein.ihk.de (Konjunktur)
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