Die Augen sind der Spiegel der Seele, sagt man. Schaufenster funktionieren ganz ähnlich. Die Auslage zeigt, was der potenzielle Kunde im Laden erwarten kann. Im Idealfall arbeitet das Fenster sogar als weiterer Verkäufer. Dekorationstipps, damit das genau so funktioniert, gibt eine professionelle Gestalterin, die im Auftrag der IHKs bei den Einzelhändlern in der Region unterwegs war.
Da stehen enorm viele Produkte im Fenster herum.“ „Ich kann die Öffnungszeiten nicht finden.“ „Aber die Beleuchtung ist super, genau auf den Punkt.“ „Wenn ich von dieser Seite der Straße komme, kann ich die Dekoration gar nicht erkennen.“ – An diesem Abend Ende Oktober ist ordentlich was los im Zentrum von Bad Dürrheim, trotz Nieselregens und der etwas fortgeschrittenen Stunde. Ein gutes halbes Dutzend ortsansässige Einzelhändler zieht mit Simone Mader, Innenstadtberaterin der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, und Schaufensterberaterin Karin Wahl durch die Straßen der kleinen Innenstadt und nimmt die Auslagen in Augenschein. Ihre Mission: den neutralen Blick zu schulen; üben, die Fenster der Geschäfte, an denen sie täglich vorbeikommen und die ihnen so vertraut sind, durch die Kundenbrille zu sehen.
„Schließlich muss der Wurm dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“, hat Karin Wahl auch schon bei ihrem vorangegangenen Vortrag immer wieder betont. Am nächsten Morgen wird sie bei jedem einzelnen der angemeldeten Innenstadthändler zum individuellen Schaufenstercheck vorbeischauen, analysieren, Positives bestärken, Schwachstellen ansprechen, Tipps geben.
Der kostenlose zweitägige Workshop in Bad Dürrheim, aber zum Beispiel auch in St. Georgen, Sulz und Rottweil war ein Angebot der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg und wurde gefördert vom Landeswirtschaftsministerium. Für die IHK Südlicher Oberrhein und andere Kammern bundesweit war Karin Wahl ebenfalls schon als Schaufenstercheckerin unterwegs. „Für uns ist das zum einen ein Service für unsere Mitgliedsunternehmen, zum anderen aber auch ein wichtiger Baustein in unserem Engagement zur Belebung der Innenstädte“, erläutert IHK-Beraterin Simone Mader die Idee hinter dem Workshop-Zyklus. Gute Schaufenster ziehen nicht nur Kunden in den Laden und machen den einzelnen Händler glücklich. Gibt es mehr von ihnen, werten sie eine Straße oder sogar das ganze Zentrum auf und verleiten Besucher zum Bummeln und Verweilen. Attraktive Schaufenster machen attraktive Innenstädte.
Passanten zu Kunden machen
Als professioneller Gestalterin und Trainerin für Warenpräsentation liegen Karin Wahl gut gemachte Schaufenster am Herzen: „Sie sind Türöffner und Visitenkarte eines Geschäftes. Überzeugt das Fenster, wird aus dem Passanten ein potenzieller Käufer.“ Die Crux – und mit ein Grund, warum man etwas Mühe in seine Schaufenstergestaltung stecken sollte: Das Buhlen um die Aufmerksamkeit des Betrachters muss schnell gehen. Die Entscheidung „Bleibe ich stehen oder gehe ich weiter“ fällt ein Passant binnen weniger Sekunden. In dieser Zeit muss der Laden seine Botschaft rübergebracht haben.
Und in dieser Zeit nimmt der Mensch vorm Fenster, so zeigen Wahrnehmungsuntersuchungen, drei Dinge bewusst wahr – und sieben unbewusst. Bewusst können das die Produkte und die Accessoires im Fenster sein. Unbewusst wirken Farben, Licht, Stimmung – aber auch tote Fliegen und umgefallene Preisschildchen. Die Summe der Eindrücke entscheidet.
„Wer neun Sekunden vor einem Schaufenster verbringt, kommt mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit auch dorthin, wohin man ihn haben will, nämlich in den Laden“, verweist Wahl auf aktuelle Studien. Also gehe es darum, den Passanten vor dem Fenster zu fesseln: „Es muss einem gelingen, dass der kleben bleibt.“ Und das funktioniert am besten, wenn man einige bewährte Grundregeln der Schaufenstergestaltung beherzigt (siehe unten) und indem man den Kunden mit auf eine Reise nimmt: Storytelling ist das Zauberwort. „Es geht darum, das eigene Angebot in eine Geschichte einzubetten, die den Betrachter abholt, ihn freut, amüsiert oder fasziniert“, sagt Wahl. Das schafft Nähe und Verbundenheit. Dafür ist Kreativität ebenso nötig wie ein gutes Gespür für die Zielgruppe und das Image, das man für sein Geschäft vermitteln möchte. Wer trendige Mode an junge Leute verkauft, kann (und muss) eine abgedrehtere Dekoration entwerfen als der gediegene Herrenausstatter – der sein Publikum allerdings auch nicht unterschätzen darf.
Einer der größten Fehler, der Karin Wahl bei ihren Coachings immer wieder begegnet, ist, dass Ladenbesitzer ihre Produkte ohne Konzept dekorieren, nach dem Motto „Hauptsache, die Ware steht im Fenster.“ Was meist auch zur Folge hat, dass dort viel zu viel steht, weil der Inhaber sein ganzes Portfolio zeigen möchte. Für den Betrachter eine anstrengende Reizüberflutung. „Man muss sich bewusst machen, dass das Schaufenster der Appetithappen ist, der Lust auf mehr machen soll“, sagt Wahl zum Abschluss. uh
Einige der wichtigsten Grundregeln und Anregungen zur Gestaltung von Schaufenstern im Kurzüberblick.
- Licht: eines der wichtigsten Hilfsmittel. „Nur was im Licht steht, kann gesehen werden“, stellt Karin Wahl fest. „Licht in einem Schaufenster ist das erste, was signalisiert ‚Ich bin da, komm gerne rein.‘“ Auch tagsüber ist Licht wichtig. Es nimmt dem Fenster die Spiegelung. Tipp: Moderne LED-Beleuchtung spart Energie. Und: Beleuchtung regelmäßig nachjustieren, wenn Ware umgeräumt wird.
- Betten Sie Ihre Waren in eine Story ein, lassen Sie sie nicht einfach für sich alleine rumstehen. Schöne Idee: Saisonal dekorieren – zu Weihnachten, Fasching, Ostern, Frühling, Stadtjubiläum. Pflicht: sehr regelmäßig umdekorieren. Wer Laufkundschaft vorm Fenster hat, mindestens alle drei bis vier Wochen. Tägliches To-do: Tote Fliegen einsammeln und verrutsche Auslage richten.
- Eyecatcher schaffen und Waren zu Gruppen zusammenfassen, statt sie über die volle Fläche der Auslage verteilen. Das ist einfach ruhiger fürs Auge und überfordert den Betrachter nicht. Farben und Größen gruppieren. Beispiel: Drei von einer Größe werden ruhiger wahrgenommen als drei unterschiedliche Größen der gleichen Ware. Insgesamt gilt: Weniger ist mehr.
- Wer die Wahl hat, sollte sich für eine Teilrückwand für die Warendekoration entscheiden. Das vereint die Vorteile eines offenen Schaufensters (Blick in den Laden – der entsprechend ansehnlich sein sollte) und einer geschlossenen Rückwand (Ware kann für sich wirken).
- Die Ware auf Augenhöhe präsentieren. Das bedeutet auf einer Höhe etwa zwischen 80 und 160 Zentimetern. Mit Hilfe von Podesten lässt sich so auch Ware auf mehreren Ebenen ausstellen.
- Hochwertige Materialien wählen. Ansehnliche Kunststoffweihnachtsbäume sind zwar teurer, machen aber auch mehr her (und halten länger – positiv für die Umweltbilanz) als der Billigkollege aus dem Baumarkt. Zudem ist nichts unattraktiver und langweiliger, als wenn alle Händler zu den gleichen günstigen Glitzersternchen vom Discounter um die Ecke greifen.
- Beachten Sie die Laufrichtung Ihrer Kunden. Von welcher Seite sehen sie Ihr Fenster zuerst? Der Blick schweift meist von links oben nach rechts unten. Wichtig, damit Schriftzüge und Storytelling verstanden werden.
- Kreativität ist das A und O – und gute Ideen müssen auch gar nicht viel kosten. Mit echtem Herbstlaub, einem Vintagekorb und einem alten Rechen lässt sich ein attraktives und nachhaltiges Herbstfenster auch kostengünstig dekorieren.
- Bewährt hat sich für Warengruppen der Aufbau als Pyramide, mit einem entsprechenden Lichtspot darauf. Das ist für das Kundenauge am angenehmsten und am besten aufzunehmen.
- Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber wird trotzdem im Eifer des Gefechts gerne mal vergessen: Mode muss gebügelt und auf der Figur abgesteckt sein, um wertig rüberzukommen.
- Die Öffnungszeiten sollten gut sichtbar auf der Scheibe kommuniziert sein. Im Idealfall sind sie mit anderen Händlern abgestimmt, sodass ein Innenstadtbesuch immer lohnt.
- Preisschilder gehören in jedes Fenster. Damit der Kunde sich orientieren kann. Ansehnlich gestaltet und mit weiteren Infos zu Material et cetera helfen sie mehr, als dass sie schaden.
Noch mehr Input rund um Gestaltung
Dreitagesworkshop „Vom Schaufenster zum Wow-Fenster“, 17. bis 19. Januar 2023, jeweils von 9 bis 17 Uhr, in Villingen-Schwenningen, 149 Euro. Infos und Anmeldung unter www.veranstaltungen-ihk-sbh.de/r/wowfenster_2023 oder über Simone Mader 07721 922-204, Mail: mader@vs.ihk.de
In 2023 wird es bei den einzelnen IHKs weitere Veranstaltungen für den Handel geben, zum Beispiel Seminare zum richtigen Licht und weitere Schaufensterchecks. Infos dazu auf den Webseiten der IHKs unter www.ihk.de/konstanz – Veranstaltungsübersicht, www.ihk.de/sbh/veranstaltungen und www.ihk.de/freiburg – 1326464
Ratgeberreihe „Gebrauchsanweisung Visual Merchandising“ (zwei Bände für den Mode- und einer für den Fachhandel), Karin Wahl, Deutscher Fachverlag, 48 bis 52 Euro.