Die Frage klingt kompliziert, sie ist es auch – und doch dreht es sich um einen nicht ungewöhnlichen Sachverhalt: Dürfen Personengesellschaften, an denen dieselben Personen im gleichen Verhältnis beteiligt sind, Wirtschaftsgüter wie etwa Grundstücke steuerneutral zu ihren Buchwerten übertragen oder müssen die stillen Reserven gehoben werden? Das Bundesverfassungsgericht hat dazu jetzt Klartext gesprochen.
Anlass für den höchstrichterlichen Beschluss war der Fall einer Kommanditgesellschaft, die zwei bebaute Firmengrundstücke an ein Schwesterunternehmen mit der identischen Eigentümerstruktur übertragen hatte und dafür § 6 Absatz 5 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nutzen wollte. Dieser Paragraf erlaubt die Übertragung von Wirtschaftsgütern zum Buchwert, stille Reserven werden dabei nicht aufgedeckt und versteuert. Das zuständige Finanzamt sah das anders und argumentierte, dass in dem entsprechenden Paragrafen solche beteiligungsgleichen Personengesellschaften nicht aufgeführt sind – und sie die steuerfreundliche Regelung deshalb nicht nutzen können. Der Beginn einer gerichtlichen Auseinandersetzung bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht.
Das sagt das Gesetz
§ 6 Absatz 5 Satz 3 des EStG in der Fassung des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes vom 20. Dezember 2021 regelt tatsächlich abschließend, wann Übertragungen von Wirtschaftsgütern zu Buchwerten und damit steuerneutral ohne Aufdeckung von stillen Reserven möglich sind:
- unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten aus einem Betriebsvermögen des Mitunternehmers (Gesellschafters) in das Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft (Personengesellschaft) oder umgekehrt
- unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten aus dem Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers in das Gesamthandsvermögen derselben Mitunternehmerschaft oder einer anderen Mitunternehmerschaft, an der der Gesellschafter beteiligt ist, und umgekehrt oder
- unentgeltlich zwischen jeweiligen Sonderbetriebsvermögen verschiedener Mitunternehmer derselben Mitunternehmerschaft.
Die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Personengesellschaften, an denen dieselben Gesellschafter im gleichen Verhältnis beteiligt sind, sogenannte beteiligungsidentische Personengesellschaften, wird in dem Gesetzeswortlaut nicht genannt. Auch die Finanzverwaltung hat daran festgehalten, dass selbst bei beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften keine Übertragung zu Buchwerten erfolgen kann (Bundesfinanzministerium Schreiben vom 8. Dezember 2011).
Der Bundesfinanzhof zweifelte diese Ansicht jedoch an. Daraufhin wurden beim Erlass von Feststellungsbescheiden bei Übertragungen stille Reserven zwar aufgedeckt, allerdings hatten die Finanzbehörden auf Antrag eine Aussetzung der Vollziehung zu gewähren.
Schließlich wurde die Rechtsfrage dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vorgelegt:
Das sagen die Richter
Mit Beschluss vom 28. November 2023 (Az. 2 BvL 8/13, veröffentlicht am 12. Januar 2024), hat das BVerfG entschieden, dass beteiligungsidentische Personengesellschaften nicht in der Vorschrift erfasst sind und nach derzeitigem Gesetzeswortlaut eine Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften zum Buchwert tatsächlich ausgeschlossen ist. Aber: Diese Vorschrift verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3) des Grundgesetzes, weil solche Übertragungen damit gegenüber begünstigten Wirtschaftsguttransfers benachteiligt werden. Ein Umstand, der so nicht bleiben kann:
Der Gesetzgeber hat deshalb nun, so die Karlsruher Richter, rückwirkend für Übertragungsvorgänge nach dem 31. Dezember 2000 eine Neuregelung zu treffen. Die bestehende Vorschrift bleibt bis zum Inkrafttreten der neuen Vorschrift anwendbar, allerdings mit der Maßgabe, dass die Vorschrift auch für Wirtschaftsguttransfers zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften nach dem 31. Dezember 2000 gilt. In betroffenen Fällen mit laufendem Einspruchsverfahren sollte auf den aktuellen Beschluss verwiesen werden.
Letzter Hinweis: Mit Wirkung zum 1. Januar 2024 wurde durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts zivilrechtlich der Begriff des Gesamthandsvermögens von Personengesellschaften durch den des Gesellschaftsvermögens ersetzt. In der Abgabenordnung ist jedoch geregelt, dass für Zwecke der Ertragsbesteuerung Personengesellschaften weiterhin als Gesamthand und deren Vermögen als Gesamthandsvermögen gelten. Somit wirkt sich der Beschluss auch auf die aktuelle Rechtslage bei Personengesellschaften aus.
Text: Claudio Schmitt, Bansbach GmbH
Bild: Adobe Stock/LeitnerR (mit KI generiert)