Der Bundesgerichtshof hat mit einem Urteil vom 15. Oktober 2021 (V ZR 255/20) sanierungswilligen Miteigentümern von mangelhaft instandgehaltenen Immobilien den Rücken gestärkt und entschieden, dass eine Eigentümergemeinschaft auch dann verpflichtet ist zu sanieren, wenn die Kosten dafür den Verkehrswert der Immobilie übersteigen.
In dem verhandelten Fall ging es um ein stark in die Jahre gekommenes Parkhaus in der Augsburger Innenstadt, das aufgrund seiner erheblichen Sanierungsbedürftigkeit seit Jahren weitgehend außer Betrieb war – mit Ausnahme von drei Etagen, die im Eigentum der späteren Klägerin standen und von dieser an ein angrenzendes Hotel vermietet wurden.
Instandhaltungsdefizit geht nicht als Zerstörung durch
Nachdem die Behörden die Nichteinhaltung brandschutztechnischer Mindestanforderungen gerügt hatten, beschloss die Miteigentümergemeinschaft ein umfassendes Nutzungsverbot für das Parkhaus und berief sich dafür auf § 22 Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Demnach kann der Wiederaufbau eines Gebäudes nicht verlangt werden, wenn es „zu mehr als der Hälfte seines Wertes zerstört“ ist.
Gegen diesen Beschluss setzte sich die bei der Entscheidung überstimmte Klägerin zu Wehr. Mit Erfolg: Der BGH teilte ihre Auffassung, wonach der Gesetzgeber diesen Fall gerade nicht geregelt habe. Denn ein durch die Gemeinschaft verschuldeter Sanierungsstau stehe einem punktuellen Ereignis – nur das sei mit „Zerstörung“ gemeint – nicht gleich. Anders als bei der Zerstörung fehle es bei schleichenden Instandhaltungsdefiziten auch bereits an der Möglichkeit, den Wert der Immobilie „vorher/nachher“ zu vergleichen.
Fazit: Das Aufschieben gebotener Gebäudeinstandsetzungen entlastet die einzelnen Miteigentümer möglicherweise kurzfristig. Langfristig kann sich das aber rächen, sofern nur ein Miteigentümer die Sanierung forciert. Die Hoffnung derjenigen Miteigentümer, die glaubten, allein durch die Überalterung der Immobilie ließe sich die Sanierungspflicht „aussitzen“, wurde durch das Urteil jedenfalls enttäuscht. Ob dadurch nun aber eine Sanierungswelle ins Rollen gerät, bleibt abzuwarten.
Text: Till Böttcher, Friedrich Graf von Westphalen & Partner
Bild: Adobe Stock
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Mitgehangen, mitgefangen: Wer Miteigentümer einer Wohn- oder Gewerbeimmobilie ist, muss sich meist dem Mehrheitsvotum fügen. Doch die Gemeinschaft kann Gesetze nicht beliebig für sich interpretieren.