Ab dem 1. September läuft das neue Ausbildungsjahr. Viele Unternehmen haben aber nach wie vor offene Lehrstellen. Was sie jetzt noch tun können, um diese zu besetzen.
„Die Jugendlichen sind nach wie vor abgetaucht“, stellt Miriam Kammerer, Bildungsreferentin der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, mit Blick auf das aktuelle Geschehen bei den Ausbildungsverträgen fest. Viele Unternehmen, die angenommen hatten, dass die Suche nach Auszubildenden nach dem von Corona verhagelten Vorjahr nun wieder leichter sein würde, fühlen sich zum Start des neuen Ausbildungsjahres eines Besseren belehrt. Es bleibt schwierig. „Aus vielen Gesprächen mit Schulen, Hochschulen und Betrieben haben wir den Eindruck gewonnen, dass zahlreiche Schulabgänger in diesem Jahr einfach eine Auszeit nehmen“, bestätigt Alexandra Thoß, Leiterin des Geschäftsfeldes Ausbildung bei der IHK Hochrhein-Bodensee. Und Kollege Simon Kaiser, Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung der IHK Südlicher Oberrhein, ergänzt: „Bei Schülern und Eltern herrscht der Eindruck vor, dass es wegen Corona nach wie vor wahnsinnig schwierig sei, mit Unternehmen in Kontakt zu kommen, und dass eine Ausbildung nur unter immensen Auflagen möglich sei.“ Dieser Eindruck ist in den allermeisten Fällen falsch. Aber er reicht, um die Jugendlichen von einer Bewerbung oder einer weiteren Berufsorientierung abzuhalten.
Eine ungünstige Ausgangsposition für Betriebe, die auch in diesem Jahr ausbilden können und möchten. Die IHK-Experten schätzen, dass es in nahezu allen Branchen und Ausbildungsberufen noch offene Lehrstellen gibt. Rein statistisch zeigt der Zwischenstand zum 31. Juli ein uneinheitliches Bild: Während die IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg ein leichtes Plus von 2 Prozent bei den neuen Ausbildungsverträgen im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet, meldet die IHK Hochrhein-Bodensee ein Minus von 5,6 Prozent, mit einer leicht schlechteren Tendenz bei technischen Berufen. Ähnlich bei der IHK Südlicher Oberrhein: Das Durchschnittsminus von 5 Prozent setzt sich hier aus minus 1,3 Prozent bei den kaufmännischen und minus 9,9 Prozent bei den gewerblichen Neuverträgen zusammen.
Trotzdem sind die Experten zuversichtlich. Wie schon in den Vorjahren beobachtet, erwarten sie noch bis weit in den Herbst hinein weitere Abschlüsse und messen der aktuellen Zwischenbilanz daher nur mäßige Aussagekraft bei. Tatsächlich besteht nach dem Berufsbildungsgesetz das ganze Jahr über die Möglichkeit, eine Ausbildung zu beginnen, betont Alexandra Thoß. Das sei in manchen Ausbildungsbetrieben gar nicht so bekannt. Azubis, die in den nächsten zwei, drei Monaten starten, hätten zudem noch gute Chancen, es in den regulären Prüfungszeitraum zu schaffen. „Ansonsten muss man gemeinsam mit dem Bildungsberater schauen, ob es anrechenbare Qualifikationen gibt und welcher Prüfungszeitraum vertretbar ist.“
Die große Hürde, die Unternehmen aktuell nehmen müssen: ausbildungswillige Jugendliche auftreiben. „Die Unternehmen benötigen eine andere Rekrutierungsstrategie als in normalen Jahren“, merkt Simon Kaiser an. Schließlich sind 2021 Jobmessen, Praktika, Ferienjobs und Bildungspartnerschaften mit Schulen zur Kontaktaufnahme bislang weitgehend flachgefallen.
Hilfen fürs Recruiting
Jobmessen
- 15. September: Lehrstellenbörse im Berufsschulzentrum Radolfzell. Kooperation von Landratsamt, Agentur für Arbeit, Handwerkskammer, Handelsverband und IHK Hochrhein-
Bodensee. www.lrakn.de - 23. bis 25. September: Jobs for Future – Messe für Arbeitsplätze, Aus- und Weiterbildung, Studium, Messe Schwenningen. www.jobsforfuture-vs.de
- 17./18. Oktober in Singen, 24./25. Oktober in Konstanz, 29./30. Oktober in Villingen-Schwenningen: Azubi Spot, Ausbildungsmesse im Kino. www.azubi-spot.de
- Virtuelle Ausbildungsmesse der IHK Hochrhein-Bodensee. Kontakt: Alexandra Thoß 07531 2860-131 alexandra.thoss@konstanz.ihk.de
www.hochrhein-bodensee.ihk-ausbildungsmesse.de
IHK-Lehrstellenbörse
Stellenbörse der IHKs, die bundesweit Angebote für Praktika, Ausbildung und duales Studium zusammenführt, jetzt auch als App. Unternehmen tragen offene Stellen kostenlos ein. Die Inhalte dienen IHK-Beratern auch als Input für Infogespräche mit Schulabgängern und Eltern. www.ihk-lehrstellenboerse.de
IHK Ausbildungs-Guide
Übersicht von über 100 Unternehmen mit ihren Ausbildungs- und Studienangeboten in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg, gedruckt und digital. Zum Weiterreichen an interessierte Schüler. Wird im September von der IHK auch noch mal auf der Jobs for Future verteilt. www.ausbildungsguide-sbh.de
Ausbildungspodcast
In einem ihrer Blaue-Welle-Podcasts gibt die IHK Südlicher Oberrhein Tipps für das erfolgreiche Absolvieren einer Ausbildung – und gegen Ausbildungsabbrüche. Zum Teilen.
www.suedlicher-oberrhein.ihk.de 4997958
Youtube-Format Azubi-WG
Neues Format auf dem „Like a Boss“-Youtube-Kanal des DIHK: Fiktionale Doku-Reihe, in der drei Azubis aus ihrem Alltag berichten, inklusive Instagram-Verlängerung. Zum Teilen. www.youtube.com/c/LikeaBoss-ausbildung
IHK-Beratung
IHK-Experten unterstützen Unternehmen bei der professionellen Gestaltung des Azubirecruitings.
Dennoch sind die IHK-Experten überzeugt, dass in diesem Herbst für die Unternehmen noch was geht, auch wenn das Ausbildungsjahr schon begonnen hat. Die folgenden sieben Tipps könnten ihnen dabei helfen:
- „Feuern Sie medial noch mal aus allen Rohren“, empfiehlt Simon Kaiser scherzhaft. „Machen Sie sich vor Ort sichtbar.“ Das kann das Banner am Firmentor genauso sein wie die Anzeige im Gemeindeblatt, die sozialen Medien ebenso wie der Spot im lokalen Kino. Kreative Ideen sind gefragt. Viel hilft viel. Setzen Sie auf Multiplikatoren, mobilisieren Sie Ihre Belegschaft.
- Die Botschaft in diesem Jahr: Ja, wir stellen ein. Ja, man kann auch jetzt noch gut in die Ausbildung starten. Ja, trotz Corona ist eine gute Ausbildung aktuell möglich, und wir sind ein wirtschaftlich zuverlässiger Arbeitgeber. Und ja, bewirb dich gerne, wir betrachten dich nicht als Spätzünder oder Übriggebliebener.
- Die Kanäle der Jugendlichen bespielen: „Hätte man früher einem Unternehmer gesagt, du musst auf Facebook posten, um die jungen Leute zu erreichen, hätte der nur mit dem Kopf geschüttelt“, sagte Christoph Münzer, Hauptgeschäftsführer der WVIB Schwarzwald AG, bei der Vorstellung der Sommer-Konjunkturumfrage, als das Thema Ausbildung zur Sprache kam. Tatsächlich kommt kaum noch einer an Social Media vorbei. Mangels anderer Treffpunkte müssen die Unternehmensbotschafter gerade in diesem Jahr medial dorthin gehen, wo die Jugend ist. Youtube, Instagram, Facebook. Vielleicht muss es nicht der Chef persönlich sein, womöglich hat der hauseigene Nachwuchs Lust, Testimonial zu sein und Programm zu machen, wie es beispielsweise die Azubis von Helios Ventilatoren in Schwenningen auf ihrem Facebook-Account „Helios Venteeny“ engagiert tun. Wer keine Kapazitäten für eigene News hat, könnte etwa Azubi-Inhalte der IHKs oder des DIHK einbinden (mehr siehe Kasten).
- Letzte Jobmessen nutzen: Ein paar wenige Live-Auftrittsmöglichkeiten gibt es im Herbst noch. Seit April am Start: die virtuelle Ausbildungsmesse der IHK Hochrhein-Bodensee (Infos dazu und Messetermine im Kasten).
- Freie Stellen melden: Sie lassen sich einfach und kostenlos in der Lehrstellenbörse der IHK und bei der Arbeitsagentur einstellen. Ein Infopool, der bei Jugendlichen bekannt ist und aus dem sich Ausbildungsberater bei Gesprächen mit Schülern und Eltern bedienen.
- Praktika & Co anbieten: Vielen Jugendlichen fehlte es im vergangenen Jahr wegen Corona an Gelegenheiten, Berufe kennenzulernen, stellt Miriam Kammerer fest. Solange es die Inzidenzen zulassen, könnten Betriebe jetzt noch offensiv Praktika und Ferien- oder Nebenjobs anbieten, um genau das nachzuholen und darüber Kontakte zu knüpfen, empfiehlt sie.
- Sonderkontingent für 2022 einplanen: Wem es in diesem Jahr nicht mehr gelingt, offene Stellen zu besetzen, sieht für das kommende Jahr vielleicht gleich schon mal eine größere Zahl an Plätzen vor. Für die Bugwelle, die dann wohl kommen wird.
Denn irgendwann müssen die Jugendlichen ja doch mal den Start in Beruf oder Studium wagen, Corona hin, Corona her.
Text: uh
Bild: studiostoks – Adobe Stock
Ansprechpartner
IHK Hochrhein-Bodensee:
Alexandra Thoß
Telefon: 07531 2860-131
Mail: alexandra.thoss@konstanz.ihk.de
IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg:
Miriam Kammerer
Telefon: 07721 922-512
Mail: kammerer@vs.ihk.de
IHK Südlicher Oberrhein:
Simon Kaiser
Telefon: 0761 3858-150
Mail: simon.kaiser@freiburg.ihk.de