Das neue Bürokratieentlastungsgesetz ist vielleicht nicht der ganz große Wurf – aber zumindest in Sachen Vergaberecht gibt es gute Nachrichten, meint unsere Fachautorin Barbara Mayer.
Formular hier, kleinteilige Berichtspflicht da. Deutsche Unternehmen ächzen seit Jahren unter einem zu hohen bürokratischen Aufwand und sehen sich in ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt. Wirtschaftsminister Habeck hielt Anfang Oktober – vollkommen zutreffend – fest, man habe sich „eingebuddelt in einer Welt, wo am Ende die Richtigkeit der Berichtspflichten darüber entscheidet, wie wettbewerbsfähig ein Unternehmen ist“.
Das wenige Tage zuvor vom Bundestag beschlossene und dem Bundesrat zugeleitete Bürokratieentlastungsgesetz IV soll – dem Namen entsprechend – Abhilfe schaffen und die deutsche Wirtschaft jährlich um knapp eine Milliarde Euro entlasten.
Aufbewahrungsfristen
Herzstück des Gesetzes ist eine Verkürzung der Aufbewahrungspflicht für Buchungsbelege von zehn auf acht Jahre. Dass dies zu einer relevanten Entlastung führt, darf getrost bezweifelt werden. Die dringend erforderliche Entlastung des operativen Geschäfts ist damit nicht verbunden. Darüber hinaus muss der Jahresabschluss weiterhin zehn Jahre im Archiv verbleiben; regelmäßig und sinnvollerweise werden Unternehmen ihre Buchungsbelege genauso lange aufbewahren. Kritik kommt auch von anderer Seite: Die ehemalige Cum-Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker weist darauf hin, dass eine Aufbewahrungsfrist von acht Jahren zu kurz sei, weil schwere Steuerstraftaten erst nach
15 Jahren verjähren und es Tätern somit ermöglicht werde, quasi legal Beweismittel zu vernichten.
Neben der Verkürzung von Aufbewahrungspflichten soll die Ersetzung der Schrift- durch die Textform in diversen Bereichen die Unternehmenspraxis entlasten. Anders als die Schriftform – die nur durch eine qualifizierte elektronische Signatur ersetzt werden kann – erfordert die Textform keine eigenhändige Unterschrift. Stattdessen können die formalen Anforderungen auch mit Hilfe digitaler Kommunikationsmittel wie E-Mail, SMS oder Messenger-Nachricht erfüllt werden. So wird klargestellt, dass Gesellschafter einer GmbH nicht nur konkreten Beschlussvorschläge (einstimmig) in Textform zustimmen können, sondern sich auf diesem Wege auch auf eine Abstimmung in Textform (bei der die Mehrheit entscheidet) verständigen können. Auch hier dürften sich die Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft in Grenzen halten.
Ausblick
Die Stoßrichtung des nunmehr vierten Bürokratieentlastungsgesetzes mit seinen rund 60 Einzelmaßnahmen ist zu begrüßen – der dringend benötigte Befreiungsschlag, um den Standort Deutschland wieder attraktiver zu machen, bleibt aber aus. Bürokratische Belastungen werden durch die Verabschiedung kleinteiliger Entlastungspakete nicht hinreichend reduziert, wenn zeitgleich an anderer Stelle neue bürokratische Hürden aufgebaut werden.
Bestes Beispiel ist das vielkritisierte Lieferkettengesetz, zu dem der Wirtschaftsminister wissen lässt, es sei das Beste „die Kettensäge anzuwerfen und das ganze Ding wegzubolzen“. Markige, für viele Unternehmen wohlklingende Worte, die allerdings außer Acht lassen, dass eine Entlastung von nicht allzu langer Dauer wäre. Denn Deutschland ist wie alle EU-Staaten verpflichtet, die diesen Sommer verabschiedete Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) umzusetzen. Es bleibt daher zu hoffen, dass der Gesetzgeber beim Thema Bürokratieabbau an anderer Stelle am Ball bleibt und größere Würfe wagt. Als nächsten „Befreiungsschlag“ hat Minister Habeck eine Reform des Vergaberechts von großem Ausmaß angekündigt, die „ein wichtiges Signal für kleine und mittlere Unternehmen“ und „gut für Start-ups“ werden soll. Wir sind gespannt.
Barbara Mayer
ist Fachanwältin für Handels- und Gesellschaftsrecht, ADVANT Beiten Freiburg