Das Thema Klimaschutz ist in aller Munde und kommt auch immer mehr auf die Unternehmen zu. Denn Deutschland hat sich verpflichtet, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 zu senken und bis 2045 klimaneutral zu sein. Ein erster Schritt für Betriebe: den eigenen CO2-Verbrauch ermitteln. Dafür bieten die IHKs ein Onlinetool an. Wie das funktioniert, was es bringt und was Unternehmen sonst in Sachen Klimaschutz tun sollten, erklärt IHK-Expertin Jil Munga.
Was kann das neue „ecocockpit“ der IHKs im Land?
Es ist ein einfaches Tool, mit dem Unternehmen in die CO2-Bilanzierung einsteigen und herausfinden können, wie ihre Klimawirkung ist. Es ermittelt, wie viel Kohlendioxid beziehungsweise CO2-Äquivalente, also auch andere Treibhausgase, die in der Atmosphäre die gleiche Wirkung haben, der Betrieb emittiert. Da die Handhabung des Ecocockpit sehr einfach ist, rate ich jedem Unternehmen, es einfach mal auszuprobieren.
Warum sollten Unternehmen das wissen wollen?
Es gibt ganz unterschiedliche Gründe, warum Unternehmen sich damit auseinandersetzen sollten. Erstens aufgrund von staatlichen Vorgaben wie des CO2-Preises, der dazu animieren soll, weniger fossile Energieträger zu nutzen, oder aufgrund staatlicher Förderungen, die an CO2-Ersparnisse geknüpft sind. Zweitens um sich den eigenen Mitarbeitern gegenüber als verantwortungsvoll handelnder Arbeitgeber zu präsentieren, Stichwort: Fridays for Future. Und drittens, weil Kunden, Konsumenten und Lieferanten das zunehmend fordern. Bei Textilien oder Lebensmitteln gibt es schon zahlreiche nachhaltige Labels, weil Konsumenten und Kunden dies stärker fordern. Damit steigen die Lieferantenanforderungen auch im B2B.
Stichwort Label: Ist das Ecocockpit selbst eines?
Nein, es ist keine Zertifizierung, sondern – bei der richtigen Anwendung – eine Vorbereitung für die Zertifizierung. Es identifiziert die größten Hebel, an denen Unternehmen ansetzen können. Für CO2-Bilanzen gibt es übrigens auch unterschiedliche Normen. Das Ecocockpit basiert auf dem Greenhouse Gas Protocol, kurz: GHG. Bei Klimabilanzen können drei unterschiedliche Umfänge, sogenannte Scopes, abgebildet werden. Bei GHG sind Scope 1 und 2 Pflicht, Scope 3 ist optional.
Zur Person
Jil Munga (35) ist Referentin für Klima und Ressourceneffizienz der IHK Südlicher Oberrhein und unterstützt in dieser Funktion Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität. Die Ingenieurin hat an der Technischen Hochschule Hamburg Verfahrenstechnik studiert und dort anschließend Effizienzprojekte in energieintensiven Branchen betreut. Vor ihrer Tätigkeit bei der IHK hat sie zudem bei der Schluchseewerk AG gearbeitet.
Wie funktioniert das Tool, und wie aufwendig ist es?
Ecocockpit ist einfach aufgebaut und intuitiv in der Handhabung, aber man kann es nicht mal eben in der Mittagspause erledigen. Der Aufwand hängt auch von der Branche und der Vorarbeit ab. Wer zum Beispiel schon ein Energiemanagementsystem hat, ist schneller als andere, die noch ganz blank sind. Man registriert sich und gibt dann alle möglichen Daten und Zahlen ein – aus der Produktion, dem Controlling et cetera. Ganz wichtig: Die Daten werden nicht extern gespeichert, sondern nur intern beim User. Die Bilanz lässt sich auf einzelne Bereiche aufteilen, also etwa Standorte, Prozesse oder Produkte. Ein großer Vorteil des Ecocockpits ist auch, dass man Umrechnungsfaktoren etwa für Transportwege oder Geschäftsreisen nicht selbst recherchieren muss. Dafür sind Emissionsfaktoren aus unterschiedlichen Datenbanken hinterlegt. Bei Strom ist das zum Beispiel der bundesweite Durchschnittswert. Man kann aber auch seinen eigenen Emissionswert nehmen, der auf jeder Stromrechnung ausgewiesen ist.
Eignet sich Ecocockpit für alle Branchen und Unternehmensgrößen?
Für alle Branchen auf alle Fälle. Bei der Größe sind die Zielgruppe vor allem KMU, also kleine und mittelgroße Unternehmen. Die größeren haben ja meist schon eigene Instrumente.
Was machen Unternehmen mit dem Ergebnis der Bilanzierung?
Das Tool stellt eine Ist-Analyse auf. Das kann augenöffnend sein, gerade wenn bei Scope 3 auch externe Effekte berücksichtigt werden und ich vielleicht sehe, dass mein Hauptemittent gar nicht Strom ist, wie ich dachte, sondern Diesel beim Transport zum Kunden. Die Ist-Analyse ist nur der Anfang. Sie sollte den Weg für weitere Klimaschutzaktivitäten ebnen. Je nachdem, was die Bilanz ergeben hat, geht es im zweiten Schritt darum, Maßnahmen zu identifizieren und zu ergreifen. Also zum Beispiel die Produktion und den Transport weniger ressourcenintensiv zu machen oder auf Ökostrom umzustellen. Dafür sind die IHK-Experten übrigens Sparringspartner. Wir helfen, die Energiefresser zu finden. In einem dritten Schritt geht es dann um die Restemissionen. Wenn man das Ziel der Klimaneutralität verfolgt, muss man die kompensieren. Da gibt es viele Möglichkeiten und Anbieter mit Treibhausgaskompensationsprojekten im globalen Süden. Schließlich ist Klimaschutz ja ein globales Thema.
Ecocockpit ist seit September zugänglich. Wie ist bislang die Resonanz?
Sehr gut. Die Auftaktveranstaltung Ende September war komplett ausgebucht, und im Nachgang kamen viele Fragen bei uns an.
Interview: kat
Bild: VectorMine – Adobe Stock
Kontakt:
Jil Munga
Telefon: 0761 3858-263
Mail: jil.munga@freiburg.ihk.de
Onlineseminare zu Ecocockpit und Klimaschutz:
23. November: Anwendung von Ecocockpit,
9. November: Lieferkettenmanagement
16. November: Nachhaltigkeitsberichterstattung (jeweils von 13.30 bis 15 Uhr)
Details und Anmeldung unter www.bw.ihk.de/klimaschutz
Das Ecocockpit direkt findet sich unter ecocockpit-bw.de