Endingen. Der Besprechungstisch steht im Pausenraum, und der war bis vor Kurzem noch das Chefbüro. Bei der VCM Morgenthaler GmbH in Endingen ist Improvisation und Zusammenrücken angesagt, denn das Unternehmen ist in den zurückliegenden zwölf Monaten kräftig gewachsen. Der Umsatz hat sich mehr als verdoppelt (die absolute Höhe publiziert VCM nicht), und die Zahl der Mitarbeiter ist um 40 auf jetzt gut 200 gestiegen. Deshalb wurde im Februar ein weiterer Standort in Riegel in Betrieb genommen, und ab Mai entsteht für anderthalb bis zwei Millionen Euro ein neues Logistik- und Verwaltungsgebäude in Endingen, das voraussichtlich Ende des Jahres fertig sein soll. Es wird das sechste VCM-Gebäude sein. Bis dahin behilft man sich mit Bürocontainern.
Was macht das Unternehmen, dass es derart wächst? „Man findet unsere Produkte in unzähligen Werbeprospekten“, sagt Andree Morgenthaler, geschäftsführender Gesellschafter in zweiter Generation. Mit ihren rund 2.000 Artikeln – Stühle, Tische, Schränke, Regale und viele andere Möbel im günstigeren Preissegment – beliefert VCM beispielsweise Norma, Lidl, Netto, Real und Rewe sowie Baumärkte. Zu den Kunden zählen zudem Versandhäuser und B2B-Händler wie Printus. Ein Grund für das starke Wachstum in der Pandemie: VCM erzielt drei Viertel des Umsatzes im E-Commerce, wobei der eigene Shop daran den kleinsten Anteil hat. Denn auch bei den großen Plattformen wie Amazon und Ebay sind VCM-Produkte erhältlich. Und die Discounter vertreiben ihr Non-Food-Sortiment weitestgehend online. „Wir waren mit dabei, als die Discounter ins Internet gegangen sind“, erklärt Morgenthaler. Heute sei das Unternehmen eine „Vertriebsmaschine“.
Gestartet ist es vor etwas mehr als 40 Jahren dagegen als Produzent von Videocassetten, daher auch die Abkürzung VCM. Unternehmensgründer waren Andree Morgenthalers Eltern Margot und Engelbert. Zu ihrem Sortiment zählten auch Aufkleber für die Kassetten, diese Spezialisierung sicherte über viele Jahre die Existenz neben Branchenriesen wie TDK. Je stärker Videocassetten von DVDs, Festplattenrekordern und schließlich Onlinediensten verdrängt wurden, desto mehr verlagerte VCM seinen Schwerpunkt auf andere Produkte. Das begann Mitte der 1990er-Jahre mit Regalen für Videocassetten und CDs, es folgten TV-Möbel und schließlich alle möglichen Möbel für drinnen und draußen. Anfangs betrieben die Morgenthalers dafür eine eigene Produktion im Münsterland, gaben diese aber auf, um das Sortiment vergrößern zu können. Heute lassen sie exklusiv bei etwa zwei Dutzend mittelständischen Fabriken in Osteuropa und China fertigen. Diese haben, um mit der enorm gestiegenen Nachfrage Schritt zu halten, vergangenes Jahr in Maschinen investiert und zusätzliche Schichten aufgebaut.
Bei VCM wird es mit dem Wachstum weitergehen. „Wenn man einmal erfolgreich im E-Commerce ist, kann man das eigentlich auf jedes Produkt ausweiten“, erklärt Andree Morgenthaler. „Wenn wir spannende Themen sehen, setzen wir die um.“ So hat er gerade die Prinzstark GmbH gegründet, einen Onlinehandel für Farben und Lacke. Außerdem wird demnächst in den Niederlanden eine Niederlassung für die Beneluxländer eröffnet. Ein knappes Drittel seiner Produkte verkauft VCM außerhalb Deutschlands, etwa in Frankreich, Österreich und der Schweiz, Tschechien, Spanien und Skandinavien.
kat