Singen. Die Eisengießerei Singen samt ihrer circa 800 Mitarbeiter hat turbulente Zeiten hinter sich: Im Dezember 2018 hatten die ehemaligen leitenden Mitarbeiter Matthias Blumentrath, Achim Schneider und Arnd Potthoff (auf dem Bild von links) das Unternehmen in Form eines Management-Buy-outs von der Schweizer Georg Fischer AG übernommen und es in ihre dafür gegründete Fondium-Gruppe überführt. Ebenso das Werk im nordrhein-westfälischen Mettmann und die für beide Standorte tätige Servicegesellschaft, die ebenfalls in Mettmann ihren Sitz hat. „Es waren die ältesten, nicht mehr rentablen Werke des Georg-Fischer-Konzerns“, berichtet Achim Schneider. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern und den Mitarbeitern hat er sie wieder profitabel gemacht.
Der Zeitpunkt der Übernahme sei im Nachhinein gesehen allerdings sehr ungünstig gewesen, sagt Schneider. Denn kurz danach begann die Automotivekrise, und dann folgte die Coronapandemie. Im Jahr 2019 konnte die Fondium-Gruppe noch wie geplant rund 500 Millionen Euro Umsatz erwirtschaften (die Werke in Singen und Mettmann steuern in der Regel je die Hälfte dazu bei) und damit wie erwartet etwa 50 Millionen Euro weniger als im außergewöhnlich guten Vorjahr. Doch 2020 brach der Umsatz coronabedingt auf 380 Millionen Euro ein. Von Mitte März bis Mitte Juni stand die Produktion fast still, alle großen Kunden hatten ihre sogenannten Abrufaufträge storniert, über 80 Prozent der Mitarbeiter arbeiteten kurz. „Wir waren im zweiten Quartal 2020 in einer existenziellen Krise“, sagt Schneider. Nach der Übernahme waren mit der IG Metall und dem Betriebsrat ein Sondertarifvertrag ausgehandelt und ein Stellenabbau im dreistelligen Bereich auf nun rund 800 in die Wege geleitetet worden. Wegen dieser Maßnahmen sowie wegen der Refinanzierung des Unternehmens, der Automatisierung der Produktion und der Optimierung der Logistik seit 2019 habe es bestehen können, so Schneider. Und wegen der vielen Aufträge, mit denen Fondium seit Mitte vergangenen Jahres geradezu überhäuft wird. „Seit Juli 2020 sind wir profitabel“, berichtet Schneider. Er macht auch den neuen Pioniergeist im Unternehmen dafür verantwortlich, die agilere Kultur, die von rund 50 Mitarbeitern entwickelt worden sei.
Das Geschäft der Fondium Singen GmbH ist hingegen im Großen und Ganzen dasselbe wie vor der Übernahme: Das Werk produziert aus sogenanntem duktivem Eisenguss Teile beispielsweise für das Fahrwerk, für Bremsen und Lenker vor allem von Lkw, aber auch von Pkw. Allesamt Teile, die besonders sicher und daher sehr fest sein müssen. Dafür wird zu Quadern gepresster Stahlschrott per Lkw oder Bahn in die Gießerei nach Singen gebracht, eigeschmolzen, in speziellen Sandformanlagen neu gegossen, gehärtet und anschließend weiterverarbeitet. Die Fondium-Gruppe ist laut Schneider europäischer Marktführer in ihrem Segment und hat einen Marktanteil von 15 bis 20 Prozent. Zu den größten Kunden gehören Automobilproduzenten wie VW samt Scania, MAN und Audi, Daimler, DAF, BMW, Volvo, aber auch Automobilzulieferer wie ZF und Knorr Bremsen. Für diese werden die neuen Teile nicht nur gefertigt, sondern auch entwickelt.
Das Ziel von Schneider und seinen Mitgesellschaftern ist es, sich breiter aufzustellen. Dafür versuchen sie zurzeit, ihre Produkte auch in Non-Automotive-Märkten zu vertreiben, beispielsweise für Land- und Forstmaschinen, aber auch für die Möbelindustrie. Zudem bringen sie seit diesem Frühjahr unter der Marke Ignium Produkte für Endverbraucher auf den Markt. Das erste ist ein Eisengussgrill, der bereits zwei Designpreise gewonnen hat und unter dem Namen Taran vermarktet wird. Weitere Produkte sollen laut Schneider folgen. Sein Ziel ist es, bis in vier oder fünf Jahren 15 bis 20 Millionen Euro Umsatz mit der Consumersparte zu machen. Davor soll noch die Feier zum 125. Jubiläum der Eisengießerei Singen nachgeholt werden, die vergangenes Jahr wegen der Coronapandemie verschoben werden musste.
mae
Bild oben: Aktion zum Start der Marke Ignium und der Präsentation des Eisengussgrills: Ein Mitarbeiter der Fondium Singen GmbH entzündete dafür in der Schmelzerei eine Fackel im flüssigen Eisen. Kleines Bild von links: die Fondium-Chefs Matthias Blumentrath, Achim Schneider und Arnd Potthoff.