Von den behördlich angeordneten Schließungen waren beziehungsweise sind auch viele Ausbildungsbetriebe betroffen, vor allem in der Hotellerie und Gastronomie sowie im Einzelhandel. Zudem gab oder gibt es aufgrund der Coronapandemie in nahezu allen Wirtschaftszweigen Einschränkungen und zum Teil Kurzarbeit. Gleichzeitig waren bis 4. Mai die beruflichen Schulen geschlossen. Welche Auswirkungen hat das für Azubis und Ausbildungsbetriebe?
Wer zahlt, wenn Auszubildende wegen des Coronavirus nicht arbeiten durften oder dürfen?
Für den aus einem Tätigkeitsverbot folgenden Verdienstausfall können Auszubildende eine Entschädigung beanspruchen. Diese zahlt bis zu sechs Wochen lang der Arbeitgeber, der wiederum einen Erstattungsanspruch gegen die zuständige Behörde, hat. Das Infektionsschutzgesetz legt fest, dass das jeweilige Gesundheitsamt diese Zahlungen übernimmt.
Dürfen Auszubildende Kurzarbeit machen?
Eigentlich muss der Betrieb die Ausbildung fortlaufend gewährleisten – zum Beispiel durch die Umstellung des Ausbildungsplans, den Wechsel in eine andere Abteilung oder besondere Ausbildungsaktivitäten. Betriebliche Lehrwerkstätten sind nicht geschlossen. Kurzarbeit sollte bei Auszubildenden die Ultima Ratio sein, und die Arbeitsagenturen müssen in jedem einzelnen Fall die Zustimmung der IHK dafür einholen. Die aufgrund der Coronapandemie angeordneten Betriebsschließungen haben diese Regel allerdings teilweise außer Kraft gesetzt. Dennoch gilt: Bei der Anordnung von Kurzarbeit hat der Azubi für mindestens sechs Wochen Anspruch auf Fortzahlung der vollen Ausbildungsvergütung. Ausbildungs- oder Tarifverträge können mitunter noch längere Fristen vorschreiben. Auch ins Homeoffice sollten Auszubildende nur im Ausnahmefall geschickt werden.
Was passiert mit Azubis im Fall einer Insolvenz?
Eine drohende Insolvenz oder die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens haben keine direkten Auswirkungen auf den Ausbildungsvertrag. Aus dem Ausbildungsverhältnis resultierende Rechte und Pflichten bleiben bestehen, gehen allerdings nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den Insolvenzverwalter über. Alle aus dem Ausbildungsvertrag entstehenden Ansprüche sind dann an ihn zu richten. Wird im Zuge des Insolvenzverfahrens das Unternehmen, zum Beispiel durch Kauf, vollständig auf eine andere Person übertragen, tritt diese in die Rechte und Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis ein.
Wo und wie findet der Berufsschulunterricht statt?
Wie alle anderen Schulen waren beziehungsweise sind auch die beruflichen Schulen seit 17. März geschlossen. Der Fernunterricht sah und sieht allerdings je nach Schule, Beruf und Lehrer sehr unterschiedlich aus, mitunter hat er lediglich für die Abschlussklassen stattgefunden, die seit 4. Mai nun auch wieder die Schulen besuchen dürfen, die übrigen Klassen sollen ab dem 15. Juni in Absprache mit dem Ausbildungsbetrieb folgen, Details standen zu Redaktionsschluss (8. Mai) noch nicht fest. Grundsätzlich gilt: Unternehmen müssen ihre Lehrlinge für die Berufsschule freistellen. Wenn aber der Unterricht ausfällt, müssen die Azubis in ihren Betrieben arbeiten, das gilt auch während der Corona-bedingten Schulschließungen.
Wie wirken sich Fehlzeiten von Auszubildenden aus?
Laut Berufsbildungsgesetz ist zur Abschlussprüfung zugelassen, wer die „Ausbildungszeit zurückgelegt hat“ und zwar nicht rein kalendarisch, sondern sie tatsächlich aktiv absolviert hat. Als Fehlzeiten gelten alle Tage, an denen Auszubildende entschuldigt oder unentschuldigt der Ausbildung (Betrieb und Schule) ferngeblieben sind. Urlaubstage sind keine Fehlzeiten. Ob und ab welchem Umfang Fehlzeiten einer Prüfungszulassung entgegenstehen können, wird normalerweise im Einzelfall von den Industrie- und Handelskammern geprüft. Diese haben sich aber darauf verständigt, Corona-bedingte Fehlzeiten großzügig zu bewerten. Das gilt sowohl für Aus- als auch für Weiterbildungen.
Wann finden die Prüfungen statt?
Die verschobenen schriftlichen Abschlussprüfungen finden (nach jetzigem Stand) für nahezu alle Berufe von 23. bis 25. Juni statt, in wenigen einzelnen Berufen – zum Beispiel Druck- und Medienberufe und zweijährigen Berufe – eine Woche davor. Darauf haben sich die Industrie- und Handelskammern mit dem Kultusministerium Baden-Württemberg und den anderen zuständigen Stellen verständigt. Die praktischen Prüfungen organisieren die IHKs wie geplant im Juni, Juli und August, die einzelnen Termine sind weitestgehend gemacht. Allerdings können viele Prüfungen aufgrund von Zutrittsverboten nicht wie sonst üblich in Unternehmen stattfinden. Generell gelten für die Prüfungen strenge Hygienpläne und Verhaltensregeln, damit sie gefahrlos für alle Beteiligten ablaufen. Viele Prüfer zählen aufgrund ihres Alters zur Risikogruppe. Ein wesentlicher Unterschied zu anderen Jahren ist zudem, dass zum Zeitpunkt der praktischen Prüfung teilweise die Ergebnisse der schriftlichen Prüfung noch nicht feststehen werden. Das bedeutet, dass die Prüflinge ihre Endergebnisse nicht erfahren können und die Ausbildung somit formal nicht beendet ist.
Wer im Frühjahr 2020 für die Abschlussprüfung Teil 1 angemeldet war, kann die Prüfung im Herbst nachholen. Zwischenprüfungen, die nicht Teil der gestreckten Abschlussprüfung sind, sondern als Zwischenstand hätten gelten sollen, entfallen gänzlich.
Abschlussprüfungen von Weiterbildungen, die von März bis Mai entfallen sind, werden ebenfalls zwischen Juni und August nachgeholt.
Verschiebt sich der Ausbildungsstart 2020?
Bislang ist diesbezüglich nichts bekannt. Das neue Ausbildungsjahr beginnt in Baden-Württemberg am 1. September (Stand: 8. Mai).
Wie wird sich Corona auf den Ausbildungsmarkt auswirken?
Das ist im Moment sehr schwierig zu sagen, weil es zu viele Unbekannte gibt. Niemand weiß, wie viele Insolvenzen es geben wird und wie Betriebe und Jugendliche sich angesichts der Pandemie verhalten. Es wird damit gerechnet, dass es weniger neue Ausbildungsverhältnisse gibt, zumal es in den vergangenen Jahren beispielsweise in der Industrie besonders große Zuwächse gegeben hatte. Gleichzeitig gibt es trotz Corona in einigen Branchen immer noch großen Fachkräftemangel, vor allem in der von der Pandemie besonders betroffenen Hotellerie und Gastronomie sowie im Einzelhandel. Welcher Aspekt überwiegt, lässt sich kaum abschätzen. Die allgemeine Tendenz, dass Ausbildungsverträge immer später abgeschlossen werden, erschwert eine Prognose zusätzlich. Im April/Mai hatten die IHKs nicht einmal die Hälfte aller Verträge. Auch gibt es sowohl Unternehmen als auch Bewerber, die sich aktuell bei der IHK informieren, ob sie sich umorientieren sollen oder wie ein Ausbildungsvertrag wieder aufgelöst werden kann. Die Antwort: Die Kündigung funktioniert wie in der Probezeit – mit einer Frist von 14 Tagen und ohne nähere Begründung.
Wie kommen Betriebe und Bewerber trotz abgesagter und verschobener Veranstaltungen in Kontakt?
Firmen können ihre Websites nutzen, Infoveranstaltungen per Webinar anbieten oder über Social Media auf ihr Informationsangebot hinweisen, um potenzielle Bewerber zu erreichen. Zudem unterstützen die Arbeitsagenturen mit ihrem Arbeitgeberservice die Unternehmen bei der Suche und Auswahl von geeigneten Lehrstellenbewerbern.
Text: kat
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