Das am 27. März verabschiedete Covid-19-Pandemie-Gesetz sieht zur Abmilderung der Folgen des Coronavirus Änderungen im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vor sowie ein vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht speziell für Kleinstunternehmen, ein sogenanntes Moratorium.
An sich kann eine fällige Leistung auch im Fall einer Pandemie nur bei einer entsprechenden Vertragsregelung (höhere Gewalt) oder wegen Unmöglichkeit (beispielsweise behördliche Betriebsschließung) verweigert werden. Zum Schutz von kleinen Unternehmen hat der Gesetzgeber diese Grundsätze um ein Leistungsverweigerungsrecht, ein sogenanntes Moratorium, ergänzt. Voraussetzung hierfür ist, dass
1. der Schuldner ein Kleinstunternehmen ist (bis zu neun Beschäftigte sowie Jahresumsatz von bis zu zwei Millionen Euro),
2. es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt, das vor dem 8. März 2020 eingegangen wurde,
3. die betreffenden Leistungen zur angemessenen Fortsetzung des Erwerbsbetriebs erforderlich sind (etwa Pflichtversicherungen, Strom, Gas, Telekommunikationsdienste, Wasserver- und -entsorgung) und
4. die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlage nicht möglich wäre.
Werden diese Voraussetzungen erfüllt, kann das Unternehmen Zahlungen bis – Stand 8. Mai – zum 30. Juni 2020 verweigern, ohne nachteilige Konsequenzen wie Schadensersatzansprüche wegen Verzögerung der Leistung oder Vollstreckungsmaßnahmen befürchten zu müssen. Zu beachten ist jedoch, dass sich der Schuldner ausdrücklich auf das Leistungsverweigerungsrecht berufen und gegebenenfalls auch belegen muss, dass er gerade wegen der Covid-19-Pandemie nicht leisten kann. Zudem steht das Leistungsverweigerungsrecht dem Schuldner nur solange zu, wie er wegen der Pandemie an seiner Leistungserbringung gehindert ist. Die Leistungspflicht bleibt also grundsätzlich bestehen und ist spätestens nach Ablauf des Moratoriums auch zu erfüllen.
Um zu verhindern, dass durch die aktuellen Einschränkungen des Wirtschafts- und Soziallebens eine riesige Insolvenzwelle ausgelöst wird, setzt das Covid-19-Pandemie-Gesetz bis
30. September 2020 die Insolvenzantragspflicht aus. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Insolvenzgrund (Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung) auf den Folgen der Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, dass eine Zahlungsunfähigkeit künftig beseitigt werden kann. Sind diese Voraussetzungen nicht oder nicht mehr gegeben, ist weiterhin rechtzeitig Insolvenzantrag zu stellen. Darüber hinaus begrenzt das neue Gesetz auch die Haftung der Geschäftsleitung betroffener Unternehmen. Denn eine nicht rechtzeitige Insolvenzantragsstellung führt in der Regel zu einer weitreichenden persönlichen Haftung. Diese trifft insbesondere Geschäftsführer einer GmbH oder GmbH & Co. KG und Vorstände einer Aktiengesellschaft, die normalerweise für sämtliche Zahlungen haften, die nach Eintritt der Insolvenzreife getätigt werden. Daher regelt das neue Gesetz, dass Geschäftsleiter für solche Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsbetrieb getätigt werden, insbesondere der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, nicht persönlich haften. Aber auch hier gilt, dass die Voraussetzungen für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vorliegen müssen.
Um daneben auch Aneize zur Fortführung des Unternehmens zu schaffen, sieht das Gesetz die haftungsrechtliche Privilegierung neuer Kredite sowie die Einschränkung der Anfechtung innerhalb von Geschäftsbeziehungen vor. Gerade diese Regelungen sollten nicht außer Acht gelassen werden. Denn sie erlauben, dass ein betroffenes Unternehmen weiterhin Kredite erhält, Vertragspartner die Geschäftsbeziehungen aufrechterhalten und das Unternehmen damit letztlich weiterhin am Markt tätig sein kann.
Da nach dem geltenden Mietrecht ein Zahlungsrückstand des Mieters schnell ein Kündigungsrecht des Vermieters begründet, zugleich die Coronakrise aber zu außerordentlichen wirtschaftlichen Verwerfungen führt, hat der Gesetzgeber mit dem Covid-19-Gesetz auch einen befristeten Kündigungsausschluss zum Schutz von Mietern statuiert. Demnach berechtigen Zahlungsrückstände aus dem Zeitraum von 1. April bis 30. Juni 2020 den Vermieter – für die Dauer von 24 Monaten – dann nicht zur Kündigung, wenn die Nichtleistung auf den Auswirkungen der Pandemie beruht. Erst wenn der Mieter oder Pächter die pandemiebedingten Zahlungsrückstände auch nach dem 30. Juni 2022 noch nicht beglichen hat, kann ihm aus diesem Grund wieder gekündigt werden. Mit diesen Regelungen soll verhindert werden, dass infolge vorübergehender Einnahmeausfälle durch die Covid-19-Pandemie Wohnraummieter ihr Zuhause und Mieter oder Pächter gewerblicher Räume und von Grundstücken die Grundlage ihrer Erwerbstätigkeit verlieren.
Allerdings hat der Gesetzgeber Mietern und Pächtern damit kein Leistungsverweigerungsrecht eingeräumt. Mieter bleiben grundsätzlich auch während der Krise zur fristgerechten Mietzahlung verpflichtet. In der Folge geraten Mieter bei nicht fristgerechter Leistung in Verzug, und es können Verzugszinsen fällig werden. Auch andere Kündigungsrechte des Vermieters werden durch die Regelung nicht beschränkt.
Mieter sollten sich also bewusst sein, dass sie bei pandemiebedingtem Verzug ihrer Mietzinsverbindlichkeiten vorerst zwar nicht ihr Pachtverhältnis riskieren, diese Zahlungen aber nur aufgeschoben werden. Das vermittelnde Gespräch mit dem Vermieter und die Verhandlung über eine echte Stundung oder gar den (Teil-)Erlass der Mietzinsen ist deshalb dem unangekündigten Säumigwerden einzelner Zahlungen unbedingt vorzuziehen.
Text: Stefan Lammel/ Barbara Mayer /Till Böttcher
Friedrich Graf von Westphalen & Partner
Bild: Nuthawut Somsuk – iStock