Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsplätze ist aufgrund der Coronapandemie erneut zurückgegangen. Das Minus ist allerdings geringer ausgefallen als im Vorjahr und als noch im Frühjahr befürchtet worden war.
Es ist ein ambivalentes Bild, das die Zahl der neu eingetragenen Ausbildungsverhältnisse (Stichtag 30. September) zeigt: Die IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg verzeichnet ein Minus von 4,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Wir haben einen Rückgang erwartet“, sagt Wolf-Dieter Bauer, Geschäftsbereichsleiter bei der IHK. Die Lage sei aber immerhin besser als vor einem Jahr. Damals war die Zahl der neuen Ausbildungsverhältnisse um 12,8 Prozent zurückgegangen. „Der starke Abwärtstrend ist ein stückweit gestoppt“, schätzt Bildungsreferentin Miriam Kammerer. Angesichts der pandemiebedingten Unsicherheiten wurden dieses Jahr viele Verträge später als sonst geschlossen – noch im März waren es 16,7 Prozent weniger als ein Jahr zuvor gewesen –, und immer noch kommen weitere dazu. „Nach wie vor suchen viele Firmen Auszubildende“, sagt Miriam Kammerer und verweist auf den Lebensmitteleinzelhandel, dem besonders Bewerber fehlen. Gewerbliche und kaufmännische Berufe verzeichnen einen ähnlich hohen Rückgang. In der Gastronomie und Hotellerie ist die Lage auf niedrigem Niveau stabil, wie Kammerer berichtet. Einen Einbruch habe es in der Branche bereits vor einigen Jahren gegeben. Insgesamt geht sie davon aus, dass schon allein wegen des demografischen Wandels die langjährigen Rekorde der Zeit vor Corona auch nach der Pandemie nicht mehr eingestellt werden können. Gleichwohl rechnet sie mit einem Aufwärtstrend im Jahr 2022.
Alexandra Thoß, Leiterin Ausbildung bei der IHK Hochrhein-Bodensee, vermutet, dass es im kommenden Ausbildungsjahr sogar einen Doppeljahrgang geben könnte. Vorausgesetzt, die Coronalage entspannt sich bis dahin. Auch sie hofft derzeit auf Nachzügler, die noch ins laufende Ausbildungsjahr einsteigen. Denn, so berichtet sie, „eine ganze Reihe Schulabgänger taucht nirgends auf – weder in der Ausbildung noch im Studium oder in weiterführenden Schulen“. Da Auslandsaufenthalte vor allem nach Übersee momentan schwieriger möglich sind als sonst, geht sie davon aus, dass diese jungen Menschen nichts tun oder jobben. Den Betrieben in der Region fehlen sie jedenfalls als Lehrlinge: Im IHK-Bezirk Hochrhein-Bodensee haben im September 3.188 junge Menschen eine Ausbildung begonnen. Das sind 10,1 Prozent weniger als vor einem Jahr. Allerdings wurden 2020 in der Statistik der Kammer unter anderem die Umschüler noch mitgerechnet. Nimmt man die alte Zählweise, wäre das Vorjahresniveau gehalten worden. Nach der neuen Rechnung, die eigentlich etwas geschönt werden müsste, gab es bei kaufmännischen Berufen 12,1 Prozent neue Ausbildungsverträge weniger als vor einem Jahr. Das ist gut doppelt so viel wie bei technischen Berufen (minus 5,5 Prozent). Auffällig ist vor allem, dass in Hotels und Gaststätten, die besonders von den Lockdowns betroffen waren, 18,9 Prozent weniger Lehrlinge begonnen haben als im Vorjahr, im ebenfalls gebeutelten Handel 7,7 Prozent. Immerhin ist die gesamte Lage an Hochrhein und Bodensee weniger schlecht als vor einem Jahr: Damals gab es bereits einen Rückgang um 15,8 Prozent im Vergleich zu 2019.
Wie schon im Vorjahr fällt das Minus in der Region Südlicher Oberrhein am geringsten aus. Im Ausbildungsjahr 2021 waren 9,6 Prozent weniger neue Verträge abgeschlossen worden als ein Jahr zuvor. Nun verbuchte die Region ein Minus von 2,2 Prozent. Noch im Frühjahr sah die Lage viel schlechter aus, vor allem in Hotellerie und Gastronomie wurden viele Verträge relativ spät geschlossen. In dieser Branche sticht nun das Plus von 8,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (minus 15,5 Prozent) hervor. Der Handel stabilisiert sich auf dem niedrigen Vorjahresniveau mit einem Plus von 1,1 Prozent. Rückgänge verbucht erneut die vom Strukturwandel in der Automobilbranche gezeichnete Industrie (minus 7,6 Prozent) und die Versicherungsbranche (minus 26,1 Prozent). „Der regionale Ausbildungsmarkt kommt angesichts der gravierenden Auswirkungen der Pandemie in diesem Jahr Gott sei Dank mit einem blauen Auge davon“, sagt Simon Kaiser, Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung bei der IHK Südlicher Oberrhein. „Was uns nicht zufriedenstellt, ist, dass die Rückgänge in Summe nicht auf ein reduziertes Angebot an Ausbildungsplätzen zurückgehen, sondern auf einen Mangel an Bewerberinnen und Bewerbern.“ Hier müssten alle Akteure am Übergang von Schule zu Beruf ihre Berufsorientierungsmaßnahmen wieder hochfahren. „Die Ausbildungsbereitschaft der regionalen Wirtschaft ist sehr hoch“, betont Kaiser. Er ist daher zuversichtlich, dass die Zahl der Auszubildenden im nächsten Jahr wieder zunimmt.
Text: mae
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