Bei IMS Gear sucht man nach Wegen aus der Krise und nach den fehlenden 15 Prozent Auslastung. Um zu alter Stärke zurückzufinden, brauche es auch bessere Rahmenbedingungen von Seiten der Politik, sagt Vorstand Bernd Schilling im Interview mit Benedikt Brüne.

Mit Zahnrädern kennt man sich bei IMS Gear aus. Also damit, wie eins ins andere greift und wie Kräfte übertragen werden. Als eines der führenden Unternehmen im Bereich der Zahnrad- und Getriebetechnik hat man ein tiefes Entwicklungs-Know-how, eine große Fertigungsbreite, Prozesskompetenz und ist international aufgestellt. IMS Gear beschäftigt weltweit 1.500 Mitarbeiter in den USA, Mexiko und China, weitere 1.700 an seinen deutschen Standorten in Donaueschingen, Eisenbach, Trossingen und Villingen-Schwenningen. Wie sich die Krise der deutschen Autobauer und die Veränderungen in China in der Heimat von und auf IMS Gear auswirken, hat Vorstand Bernd Schilling im Interview erläutert.
Herr Schilling, wie macht sich die Krise in der deutschen Automobilbranche in Ihrem Unternehmen bemerkbar?
Bernd Schilling: Wir müssen das nach Regionen differenziert betrachten. IMS Gear ist mit Standorten in den drei absatzstärksten Automobil-Regionen vertreten: in Europa mit unseren Standorten in Deutschland, in Nordamerika mit zwei Werken in den USA und einem Werk in Mexiko sowie in China, dem Land mit den weltweit höchsten Absatzzahlen für Pkw. In Westeuropa und speziell in Deutschland ist der Markt nach wie vor schwach, von Unsicherheiten geprägt, der Umstieg auf Elektromobilität verläuft schleppend. Insofern liegt hier die Ursache im Markt, das betrifft alle Hersteller, auch die deutschen. Bei uns führt die Absatzschwäche zu Unterauslastung in der Produktion. In China ist der Automobilabsatz auf hohem Niveau stabil, jedoch verlieren hier fast alle internationalen Hersteller, darunter auch die deutschen, allen voran VW, massiv Marktanteile an lokale chinesische Hersteller. Wir spüren das in abgeschwächter Form in unseren Umsätzen, da wir zu etwa 60 Prozent an internationale OEMs liefern. Der nordamerikanische Markt hat sich 2024 dagegen sehr positiv entwickelt, auch die deutschen Hersteller haben davon profitiert.
Wie hoch sind die Auftragsrückgänge und welche Gegenmaßnahmen mussten Sie ergreifen?
Die Marktschwäche äußert sich in geringeren Bestellmengen und damit unterausgelasteten Produktionslinien. Uns fehlen weltweit etwa 15 Prozent Umsatz zu einer guten Auslastung. Bereits seit der Corona-Pandemie und dem damit verbundenen massiven Umsatzrückgang stellen wir uns den Herausforderungen des schwierigen Marktumfelds.
Wir haben früh die Kapazität angepasst, parallel optimieren wir Prozesse und Strukturen, um effizienter zu werden und die Kosten zu senken. Bezogen auf den Standort Deutschland begegnen wir dieser Unterauslastung mit einer Reduzierung der Anzahl unserer Business Units von derzeit neun auf sieben: Zwei in unserem Werk in Eisenbach angesiedelte Business Units werden bis Jahresende 2025 in unsere Werke in Villingen-Schwenningen und Trossingen umziehen und in bestehende Business Units eingegliedert. Ein Stellenabbau ist mit dieser Produktionsverlagerung nicht verbunden.
Sondern?
Den stark schwankenden Kundenabrufen begegnen wir mit einer Anpassung der Schichtmodelle in unseren Produktionsbereichen. Zudem greifen wir zeitlich begrenzt und jeweils auf einige wenige Business Units bezogen auf Kurzarbeit zurück. Darüber hinaus sind keine Neueinstellungen geplant.
Ihre Rolle als industrielle Wachstumslokomotive wird die deutsche Autoindustrie künftig kaum mehr wahrnehmen können. Wie richten Sie Ihr Geschäft vor diesem Hintergrund neu aus?
Die Automobilbranche mit einem jährlichen weltweiten Absatz von 90 Millionen Neuwagen bleibt ein Schwerpunkt für IMS Gear, mittel- bis langfristig bietet dieser Markt uns weiterhin Wachstumschancen. Wir versorgen über unsere internationalen Standorte den weltweiten Markt, das reduziert unsere Abhängigkeit von der deutschen Entwicklung. Auf Deutschland bezogen setzen wir parallel auf neue Entwicklungen im industriellen Sektor außerhalb von Automotive, basierend auf unserem modularen Baukasten für Planetengetriebe. Wir sind hier hinsichtlich Branchen bereits breit aufgestellt und sehen speziell in diesem Bereich der Industrieanwendungen Wachstumspotential.
Inwiefern verändern sich angesichts der Transformation hin zur Elektromobilität Technologien und Produktion in Ihrem Unternehmen?
Die Elektromobilität wird bei Pkw die Mobilität der Zukunft sein, das ist aus unserer Sicht klar. Noch nicht klar ist, bis wann dieser Wechsel vollzogen sein wird. Derzeit verläuft der Absatz an reinen Elektroautos eher schleppend. Mit unseren Produkten im Automobilsektor adressieren wir die Themen Komfort, Sicherheit und Effizienz. Diese Themenfelder haben Bedeutung unabhängig von der Antriebsart und das drückt sich darin aus, dass Sie unsere Produkte in allen Fahrzeugen finden, egal ob Verbrennungsmotor, Hybrid- oder Elektroantrieb.
Wie schätzen Sie die Folgen ein, wenn Donald Trump 25 Prozent Zoll auf Waren aus Mexiko erhebt, wo viele deutsche Zulieferer produzieren?
Wir sind seit mehr als 20 Jahren sowohl in Mexiko als auch in den USA mit Produktionen vertreten und sind damit in der Standortfrage, die ja nicht nur politischer Natur ist, grundsätzlich flexibel. Die Frage im Zusammenhang mit der neuen Regierung in den USA ist, ob und wie das nordamerikanische Freihandelsabkommen zwischen USA, Kanada und Mexiko fortgeführt wird. Das wird letztendlich darüber entscheiden, inwiefern Mexiko auch in Zukunft die verlängerte Werkbank für den US-Markt sein wird.
An welcher Stellschraube soll die deutsche Politik in erster Linie drehen, um Ihr Unternehmen zu unterstützen und Arbeitsplätze in der Region zu sichern?
Insgesamt haben sich in den vergangenen Jahren die Rahmenbedingungen in Deutschland und damit die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich stark verschlechtert. Die eine Stellschraube gibt es nicht. Steigende Energie- und Arbeitskosten auf international höchstem Niveau, hohe Steuerbelastungen, überbordende Regulierung – auch seitens der EU aus Brüssel – sowie Defizite bei analoger und digitaler Infrastruktur, um nur einige wesentliche Faktoren zu nennen, drohen den Wirtschaftsstandort Deutschland ins Hintertreffen geraten zu lassen. Die Politik müsste also gezielt an mehreren Stellschrauben drehen, um den Wirtschafts- und Industriestandort Deutschland international wettbewerbsfähig zu halten.