Wie definieren Sie Nachhaltigkeit?
Im öffentlichen Verständnis wird es oft nur ökologisch betrachtet. Tatsächlich geht es bei Nachhaltigkeit im Sinne von Sustainable Finance um die drei Bereiche Ökologie, Ökonomie und Soziales, um die Verträglichkeit der Wirtschaft mit Gesellschaft und Ökologie. Und zwar langfristig: Die Geschäftsmodelle sollten auf die Zukunft ausgerichtet sein, dass der Planet lebensfähig für künftige Generationen bleibt.
Warum sollten sich Unternehmen dafür interessieren?
Aus ökonomischer Sicht vor allem wegen erheblicher Einsparpotenziale. Die schonen den Geldbeutel und ermöglichen es Unternehmen, wettbewerbsfähig zu bleiben. Das wird immer aktueller, auch aufgrund von Vorgaben der EU, des Bundes und Landes. Jetzt besteht die Möglichkeit, sich zu wappnen, vorauszueilen, ehe die Anforderungen zu eng werden. Dazu kommt die gesellschaftliche Komponente, die sich auch in Anforderungen von Kunden und Lieferanten widerspiegelt. Stichwort: Fridays for Future und auch Entrepreneurs for Future. Kein Unternehmen kann sich heute in so einer Position fühlen, diesen gesellschaftlichen Druck zu ignorieren. Und zwar nicht nur seitens der Kunden, sondern auch seitens der Belegschaft. Die wollen nicht nur Fahrradparkplätze, sondern auch wissen, dass ihr Arbeitgeber nachhaltig wirtschaftet.
Wie weit sind die Unternehmen, warum sind einige weniger weit als andere?
Viele packen den finanziellen Punkt an und sparen so Energie. Aber viele wissen auch noch nicht so richtig – weil es intern mit höheren Kosten verbunden ist – wo sie anfangen sollen. Weil sie ja erstmal in Vorleistung gehen müssten. Und zugleich spüren sie die Gefahren des Klimawandels noch nicht richtig. Dabei wird oft recht kurzfristig gedacht, externe Kosten werden noch nicht internalisiert.
Muss sich also der gesetzliche Rahmen ändern?
Mit gesetzlichen Vorgaben holt man natürlich alle ab. Aber es wird kein Unternehmen daran gehindert, jetzt schon aktiv zu werden. Zum Beispiel beim Austausch eines Heizkessels. Wenn man den sogenannten CO2-Schattenpreis eines Erdgaskessels berücksichtigt und mit einem Pelletkessel vergleicht – nicht nur für die nächsten fünf Jahre, sondern über den gesamten Lebenszyklus – dann ist in keinem Fall mehr der Erdgaskessel die richtige Investition. Zumal es auch noch Förderungen gibt, die solche nachhaltigen Investitionen unterstützen. Das bedeutet natürlich aber nicht, jede alte Anlage einfach rauszuschmeißen. Stichwort: Amortisation.
Was tut die IHK?
Wir sind auf zwei Ebenen aktiv. Zum einen geht es um eine breite Sensibilisierung, darum, die Unternehmen abzuholen. Dabei müssen wir auch manches ins Verhältnis setzen. Zum Beispiel, dass ein Elektrofahrzeug nicht viel bringt, wenn der ganz Stromverbrauch konventionell ist. Wir wollen zeigen, wo sinnhafte große Hebel im Betrieb sind. Auf einer zweiten Ebene kümmern wir uns um diejenigen, die schon über diese erste Stufe hinausgekommen sind und unterstützen sie mit konkreten Dienstleistungen. Der Vorteil der IHK dabei ist, dass wir nichts verkaufen müssen. Wir sehen uns hier nicht als Konkurrenz zu privaten Energieberatern, sondern als Türöffner und neutrale Mittler. Abgesehen von Beratungen und Dienstleistungen ist es auch Aufgabe der IHK, die Interessen der Unternehmen im Gesetzgebungsprozess zu vertreten. Und da geht es natürlich auch um rein ökonomische Faktoren. Die Verbändeanhörung ist im Gesetzgebungsprozess vorgesehen. Aktuell ist beispielsweise die Anhörung zur Photovoltaikpflicht für Nichtwohngebäude im Gange.
Welcher Anteil der Unternehmen ist auf welcher Stufe?
Ganz grob schätze ich, dass man drei Viertel der Unternehmen noch ganz vorne abholen muss. Mit unserem neuen Projekt „Zielgerade 2030“ wollen wir Firmen für den Klimaschutz begeistern. Dabei sind wir auf beiden Ebenen aktiv. Wir bieten tiefgehende Dienstleistungen, die auch – abhängig von der Unternehmensgröße – etwas kosten. Und zugleich wollen wir mit der Werbung für das Projekt und vor allem mit Best-Practice-Beispielen auch diejenigen auf der Stufe eins erreichen.
Interview: kat
Jil Munga
Telefon: 0761 3858-263
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