Engen. Nachhaltig und trotzdem erfolgreich wirtschaften, wie kann das in Zeiten von Naturausbeutung und Klimawandel gelingen? Detlef Lohmann gehört zu den Unternehmern, die sich schon seit geraumer Zeit mit den großen Fragen unserer Zeit beschäftigen. Er warnt eindringlich vor dem ökologischen Kollaps und erteilt – Wirtschaft hin, Wirtschaft her – dem überbordenden Konsum, dem Immer-mehr-vom-Gleichen eine klare Absage, beispielsweise in seinem Sachbuch „Mit gutem Gewissen. Der gesunde Weg zum Wirtschaften“, das im vergangenen Jahr erschienen ist (Orgshop, 184 Seiten, 24,80 Euro).
Mögen die Ziele zwar ähnlich sein – bei der Wahl der Mittel sind ihm die aktuell so öffentlichkeitswirksamen Aktivisten der Letzten Generation nicht gerade sympathisch. Blockieren, provozieren, stören: Das bringt Schlagzeilen. Doch was bewirken sie?
Detlef Lohmann muss da nicht lange überlegen: „Solche Aktionen dienen doch eher der persönlichen Aufmerksamkeit als der Sache.“ Sein unternehmerisches Handeln ist der praktizierte Gegenentwurf zur Radikalität, mit der andere die Republik lahmlegen wollen. Wie in Zukunft nachhaltig gewirtschaftet werden kann, auf diese Frage hat er schon vor vielen Jahren Antworten gefunden – und seine Erkenntnisse in die unternehmerische Praxis umgesetzt.
Seit 1999 leitet Detlef Lohmann in Engen im Hegau die Allsafe GmbH. Ladungssicherungen für Nutzfahrzeuge und Flugzeuge sind das Kerngeschäft: Gurte, Schienen und Stangen, die das Transportgut vor dem Verrutschen sichern. Produzierendes Gewerbe, globaler Wettbewerb. Seit er damals als geschäftsführender Gesellschafter eingestiegen ist, hat die 1964 gegründete Firma ihren Jahresumsatz auf rund 80 Millionen Euro hochgeschraubt. Und doch sagt der Firmenchef: „Wir befinden uns in einem Wachstumsdilemma.“
Ein Widerspruch? „Dass wir schnell gewachsen sind, heißt nicht, dass das automatisch so weitergeht“, antwortet Lohmann. Schon die Finanzkrise 2009 und die Coronapandemie haben Dellen in der Umsatzentwicklung hinterlassen. Nicht wenigen Firmen ging das so. Im Unterschied zu vielen anderen hat Lohmann aber früh dem Profit um des bloßen Wachsens willen abgeschworen und die Weichen neu gestellt: Gewinnbeteiligung für Mitarbeiter, flache Hierarchien, unternehmerische Freiräume (nachzulesen in seinem Bestseller „Und mittags gehe ich heim“).
Vor allem aber hat er mit seinem Team ein System der ressourcenschonenden Kreislaufwirtschaft aufgebaut. „Wir haben uns vor 15 Jahren zunächst mal gefragt, welche Prozesse wir in Deutschland beherrschen können“, erzählt Lohmann. Sukzessive hat sich Allsafe losgelöst aus der Abhängigkeit von Komponentenlieferungen aus China.
Kein einfaches Unterfangen: Ladungssicherungen sind Low-cost-Produkte. Wie bleibt man da wettbewerbsfähig? Mit Hilfe eines digitalisierten Workflows, individualisierten Beratungs- und Serviceleistungen, langfristigen Kundenbeziehungen. Fokus auf Kreislaufwirtschaft statt blindem Wachstum.
Aber müsste wegen der hohen Treibhausgasemissionen nicht genau der Sektor, für den Allsafe als Zulieferer agiert, schrumpfen für mehr Klimaschutz – und damit auch das eigene Geschäftsfeld? „Ich bin da ganz entspannt“, sagt Lohmann. „Wenn morgen niemand mehr Stangen und Balken benötigt, machen wir was anderes.“
Trotzdem: Der Bedarf nach Mobilität, Transport und Flugverkehr ist ja da. Lohmann argumentiert: „Es nützt der Sache, wenn ich zeige, dass ich als produzierendes Unternehmen neue Wege gehe und damit erfolgreich bin.“ Viele Leuchtturmprojekte müssten her, Schritt für Schritt. Die Politik könne Rahmen setzen, ja, aber: „Der Wandel kann nur aus uns selbst heraus kommen.“ Bei Allsafe spielen deshalb auch erneuerbare Energien eine wichtige Rolle. Ein Touchscreen im Eingangsbereich der Firmenzentrale zeigt die Solarstromerträge vom Dach, ebenso den Verbrauch der Fabrik im Tagesverlauf.
Lohmann ist Mitte 60, stammt, wie er erzählt, nicht aus vermögenden Verhältnissen. Es würde ihm leicht fallen, sollte er einmal auf einen Teil seines Lebensstandards verzichten müssen. „Die Möbel im Privathaushalt haben sechs Umzüge überstanden“, nennt er als Beispiel für seine Konsumimmunität. Beim Wechsel auf ein kleineres Auto „haben die Leute im Ort einmal gedacht, wir sind pleite.“ Sagt’s, lacht und widmet sich wieder dem Tagwerk als unkonventioneller Chef von 250 Mitarbeitern.
Ihnen widmet er die Früchte, die er erntet, beispielsweise die Nominierung zum Deutschen Nachhaltigkeitspreis, bei dem das mittelständische Unternehmen kürzlich unter den sechs Finalisten landete. Er habe bei der Verleihung in Düsseldorf im Grunde nur die Urkunde abgeholt. „Den Preis erarbeitet haben alle Menschen bei Allsafe, die sich täglich dafür einsetzen, dass wir in Zukunft keine Ressourcen mehr verbrauchen wollen.“
bb