Offenburg. „Wirt aus Leidenschaft“, „Vollblutgastronom“: Mit derlei Titeln beschreiben Journalisten Willi Schöllmann. Der 47-Jährige betreibt in seiner Heimatstadt Offenburg ein Café, zwei Bars und Restaurants, ein Hotel und eine Location. Seine Läden sind oft ihrer Zeit voraus, Schöllmann gilt als Visionär und Trendsetter. Er hat die Renaissance der Barkultur in den 1990er-Jahren mitgestaltet und in der Region etabliert. Lokale wie das Schoellmanns Bar & Kitchen oder die Zauberflöte gebe es sonst nur in Metropolen, heißt es. Seine Idee, klassische Cocktails mit heimischen Obstbränden zu mixen, hat allerorten Nachahmer gefunden. Ehemalige Mitarbeiter haben seine Handschrift nach Mannheim, Köln, Hamburg, Berlin und in andere Metropolen getragen. Willi Schöllmann selbst reist zwar gerne, vor allem nach Paris, blieb der Region aber immer treu. Und bescheiden. Er prahlt nicht mit seinen Erfolgen oder prominenten Stammgästen wie Verlagschef Hubert Burda und erzählt beim Gespräch im leeren Gastraum der Zauberflöte nur auf Nachfrage davon.
Seine mehr als 30-jährige gastronomische Laufbahn ist nicht klassisch, dafür teilweise holprig verlaufen. Denn Schöllmann ist Autodidakt und Quereinsteiger.Er hat keine Ausbildung absolviert, ja nicht einmal die Mittlere Reife beendet. Die Familie hat nichts mit Gastronomie am Hut, die Mutter war kaufmännische Angestellte, der Vater erst Sprengmeister und Lagerverwalter, später Heilpraktiker. Willi ist der jüngste von vier Geschwistern. Mit 15 Jahren begann er auf Weinfesten und Weihnachtsmärkten zu jobben. Mit 18 Jahren und 200 Mark Startkapital eröffnete er 1992 sein erstes Café, das Kakadu. „Seither ging es Schlag auf Schlag“, berichtet er. 1997 folgte die Red Lounge Bar, 2003 Bar und Restaurant der Zauberflöte, 2006 das Schoellmanns Bar & Kitchen und 2014 das ganze Haus Zauberflöte samt Hotel sowie die Ursula-Hütte oberhalb von Offenburg. Gerade ist er, trotz Lockdown, dabei, das Hotel Union mit seinen 30 Zimmern zu übernehmen und umzubauen. Vor dem Interviewtermin hat er die Fortschritte auf der Baustelle dort begutachtet.
Schöllmann hat eine Unternehmensgruppe aufgebaut, die vor Beginn der Pandemie 80 Mitarbeiter beschäftigte – Anfang Mai waren es noch 30 – und die, wie es aussieht, die Coronazeit gut überstehen wird. Zwar lag der Umsatz, den die Betriebe in den ersten Monaten dieses Jahres mit Abhol- und Lieferservice sowie Zimmervermietungen an Geschäftsgäste generierten, nur bei etwa einem Viertel des normalen Niveaus. Doch Schöllmann ist nicht der Typ, der jammert. Er ist ein Macher, denkt weiter, hat ständig neue Ideen. Im März 2020, als er seine Betriebe das erste Mal schließen musste, begann er postwendend an seinem Buch zu arbeiten. „Bar & Kitchen“ ist ein opulentes Werk geworden, eine Art Abriss von Schöllmanns langer Gastrokarriere. Es erschien Ende 2020 zunächst im Eigenverlag, hat sich bislang mehr als 3.000 Mal verkauft und längst die Herstellungskosten eingefahren. Jetzt sucht Schöllmann einen Verlag für die dritte Auflage, „um Schlagzahl“ zu machen.
Mit dem Buch scheint er auf den Geschmack schöner Printprodukte gekommen zu sein, das nächste ist bereits in Planung: ein hochwertiger, leinengebundener Kalender zum Thema Cocktailhour. „Die Entwicklung geht immer weiter, es hört nie auf“, sagt Schöllmann. Er will seinen Horizont auch mit eigenen Produkten erweitern. Zusammen mit einem Biosaftproduzenten plant er seine Limonaden (Ingwer-Limette, Himbeer-Minze) professionell abfüllen zu lassen. Und er will einen süß-bitteren Likör auf den Markt bringen. „Amerouge“ soll der heißen und, im Gegensatz zu den bekannten Bitterlikören, nur natürliche Farben und Aromen enthalten.
Bei allem, was er tut, ist Schöllmanns Antrieb sein eigener Qualitätsanspruch an Essen und Getränke. „Ich bin selbst gern Gast“, schreibt er in seinem Buch. „Ich gehe wahnsinnig gerne essen oder setze mich in eine Bar.“ Schon mit 16 Jahren sparte er sein Geld, um in Sternerestaurants zu speisen, erzählt er. Seine Selbstständigkeit bot ihm die finanzielle Unabhängigkeit dafür. Gleichzeitig hat Schöllmann früh Verantwortung übernommen. Mit 18 wurde er das erste Mal Vater. Seine zwei Töchter und zwei Söhne sind heute 28, 20, 16 und 10 Jahre alt. Die Familie ist seine Wurzel, der Grund, warum er seine Heimat nie verlassen hat. Zum Glück für Offenburg.
kat