Der Schwarzwald ist touristisch ein Sehnsuchtsort, eine Marke mit Weltruf – aber auch mit Investitionsstau. Einer, der das jetzt ändert und den Black Forest neu definiert, ist Marius Tröndle, der am Schluchsee gerade Millionen auf den Auerhahn setzt …

Vor fünf Jahren wären wir hier im Dreck gestanden. Wir hätten keinen feinen Espresso getrunken, sondern uns den Staub aus dem Gesicht gewischt. Marius Tröndle hätten wir trotzdem getroffen – aber nicht als Gastgeber im feinen Zwirn, sondern mit Schaffklamotten und Eimern voller Abbruchmaterial. Denn sein feines, kleines BoutiqueHotel mit Zwei-Sterne-Restaurant hat der Hotelier vom Schluchsee mit den eigenen Händen aufgebaut. Ein Macher eben. Und einer, der sich traut, groß zu denken.

„Wir haben ein bisschen entrümpeln müssen“, sagt Marius Tröndle, grinst und wischt auf dem Handy durch ein paar alte Fotos der Mühle in Schluchsee. So sah das hier mal aus: ziemlich plüschig und vollgestellt, aber gut: Geschmäcker ändern sich. Heute ist der Raum ganz in der Moderne angekommen. Helle Eichenholztische, dunkelgrauer Steinboden. Perfekt, um das Sieben-Gang-Menü zu genießen, das Küchenchef Niclas Nussbaumer abends schickt und bei dem man die Wahl hat, ob man als Hauptgang lieber Wagyu A5 aus Miyazaki oder heimisches Reh ordert, das der Patron selbst schießt.
Die Mühle – das war früher das Stammlokal der Freiburger Schickeria. 1904 als Berggasthof eröffnet, seit den 1960ern eine kulinarische Institution mit internationalem Publikum. Immer wieder sind Gäste im Haus, die von früher erzählen, als man auch mal zu zehnt in nur einem Auto nach Schluchsee gefahren ist. „Das Haus hat schon eine Menge erlebt“, schmunzelt Tröndle. „Ich mein: Als die Mühle 1603 gebaut wurde, war das hier alles noch Österreich.“
Inzwischen ist das Geschichte. Und die Mühle ist auch kein Alte-Leute-Treff mehr, sondern die Homebase von Marius und seinen jungen Wilden, die zusammenhalten wie Pech und Schwefel. Niclas Nussbaumer in der Küche, Marius’ Freundin Ankica Cabraja als Hoteldirektorin – kaum einer älter als 30. „Ich bin der Älteste im Team“, sagt Marius, grinst und fügt hinzu: „Und das mit 32.“

Die Oma als Game-Changer
Dass es in der Welt von Marius Tröndle mal so kulinarisch zugeht, ist rückblickend überraschend. „Ich bin mit 18 das erste Mal essen gegangen“, erzählt Tröndle, der mit 15 genug von der Realschule hatte und im (alten) Hotel
Auerhahn eine Lehre zum Hotelfachmann absolvierte. „Für meine Eltern war Essen nur eine Notwendigkeit und bis heute wird es in meiner Familie nicht verstanden, dass man für eine Flasche Wein auch mal 180 Euro ausgeben kann.“
Nach dem Auerhahn ging es nach Mannheim. Kochlehre, weil in der Küche oft viel Geld verloren geht, wenn man keine Ahnung hat, dann zur Hotelfachschule, nach St. Moritz und Bad Gastein. Mit 27 stieß Marius auf die Mühle – via Immoscout. „Es gab locker 100 Bewerber. Aber unser Businessplan war am überzeugendsten, auch wenn der Bürgermeister damals noch meinte, dass wir doch bloß kein Gourmetrestaurant machen sollten, weil das ja keiner brauche.“
Dass es mit der Mühle dann aber wirklich klappte, hat er Oma Margret zu verdanken, die mit heute 88 fast eine halbe Million in das Projekt ihres Enkels investierte. Seither ist Margret Tröndle Geschäftsführerin und kommt mindestens einmal im Monat durch, um nach dem Rechten zu sehen. „Allein wäre das nicht möglich gewesen“, sagt Marius. „Ich hatte 120.000 Euro Eigenkapital, viel zu wenig für so ein Projekt.“ Schließlich war die Mühle zwar ein Haus mit illustrer Vergangenheit – aber auch mit echtem Sanierungsbedarf.

Das nächste Abenteuer
Neues Dach, neue Heizung, neue Küche. Draußen ein Wellnessbereich mit Naturteich, in dem man nach der Sauna mit Molchen um die Wette schwimmen kann, ehe man abends nach dem Menü die Treppe hochtorkelt, um in einem der zehn Zimmer sanft zu entschlummern. 185 Euro kostet das Doppelzimmer pro Nacht – aber wer eines haben will, sollte wenigstens zwei Monate im Voraus buchen.
Oma Margret hatte also recht. Aus dem Bub wird was. Auch wenn er nicht ins Familienunternehmen eingestiegen ist und lieber in der Gastronomie rumturnt als in der Baubranche ein Vermögen zu machen. Aber immerhin: Das macht er so gut, dass man sich seinen Namen merken sollte. Denn wer weiß: Vielleicht spielt Marius Tröndle ja eines Tages in einer Liga mit Roland Burtsche vom Colombi oder Meinrad Schmiederer vom Dollenberg? Zu wünschen wäre ihm das, denn junge Hoteliers mit ausgeprägter Schaffenskraft und neuen Ideen kann der Schwarzwald schließlich gut gebrauchen.
Das nächste Abenteuer hat schon begonnen. Marius hat sich dem Auerhahn gewidmet, das Wellness-Hotel direkt am See grundlegend umgebaut. Gar nicht so einfach! Denn auch wenn der Auerhahn direkt an der B 500 liegt – die Naturschutzbehörde bestand auf kleinen Fenstern und möglichst wenig Licht im Hotel, damit eventuell vorbeikommende Rehe nicht geblendet werden – nicht gerade das, was sich Gäste wünschen …
Noch vor Weihnachten soll der Auerhahn mit seinen 58 Zimmern eröffnen. Einen zweistelligen Millionenbetrag investieren die Tröndle Hotelbetriebe dafür, die auf eine neue Kombination von Kulinarik, Wellness und Aktivurlaub setzen. Wassersport auf dem See. Segeln, SUPen, Kajak fahren. Dazu Waldbaden und Wellness, Yoga und Massagen. Eine Dehoga-Klassifizierung ist kein Thema, aber um es einzuordnen: irgendwo zwischen fünf Sternen und vier Superior.
Neue Wege gehen
Zielgruppe: Europäer zwischen 25 und 80. „Ich glaube, dass es dem Schwarzwald ganz gut tut, wenn man bewusst junge Menschen anspricht und sich nicht nur darauf verlässt, dass die Schweizer so gern im Schwarzwald sind“, sagt Tröndle. Dass sich der Schluchsee mit der Mühle und dem Auerhahn als Destination weiterentwickeln und verändern wird – stimmt schon, sagt er. Nur wenn dann die Rede davon ist, dass der Schluchsee wie eine Mischung aus Baiersbronn und Tegernsee gesehen werden könnte, winkt er ab. „Schreib das vielleicht nicht. Denn wer weiß, ob das nicht gleich wieder Neider auf den Plan ruft. Uns geht’s hier nur darum, wirklich gute Gastgeber zu sein.“ Ulf Tietge