Das Freiburger Fahrradleasing-Unternehmen Jobrad ist enorm erfolgreich. Mitgründerin und Gesellschafterin Sandra Prediger hat uns vom harten Weg zum Erfolg erzählt, von ihrer Offenheit für Veränderung und warum sie sich jetzt um eine Stiftung kümmert.

Sandra Prediger ist gerne in Bewegung. Ganz konkret ist sie es an diesem Mittwochmorgen beim Rundgang durch den Hauptsitz des Fahrradleasing-Unternehmens Jobrad – sehr hell, sehr modern, sehr weitläufig. Eine Firma, bei der sich alles ums Rad dreht – wo wäre sie besser aufgehoben als in der Fahrradstadt Freiburg. Auch Predigers Gesicht ist in Bewegung, während sie durch lange Flure, Multispace-Büros und vorbei an Konferenzräumen führt, denn sie lächelt oft und ihre Augen leuchten, während sie davon erzählt, dass sie hier gefühlt jede Schraube kennt. Sie hat die beiden zum Campus gehörenden Gebäude mit geplant und in die Ausstattung viel Herzblut gesteckt.
Aber auch generell spielt Bewegung eine große Rolle im Leben der 50-Jährigen, im Sinne von Vorwärtsgehen, Sich-Verändern. „Viele Menschen haben Angst vor Veränderung. Die habe ich nicht.“ Die Offenheit dafür halte einen in Bewegung. Und unter anderem diese Einstellung war es wohl auch, die sie dahin brachte, wo sie heute ist: Mitgründerin und Gesellschafterin des deutschlandweiten Marktführers im Dienstradleasing mit einem Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde Euro. Und seit fast zwei Jahren Kuratoriumsvorsitzende der Prediger-Stiftung.

Perfect Match
Dass Sandra Prediger Veränderungen mutig gegenübersteht, hat sie schon oft bewiesen. Einfach nur, weil sie eine Stadt suchte, um die herum es sich gut Mountainbiken lässt, entschied sich die gebürtige Hessin einst für Freiburg als neue Heimat. Und als später ihr Mann Ulrich mit der Idee ankam, Diensträder als umweltfreundliche Variante zum Dienstwagen zu etablieren, ging sie mit ihm zusammen den Schritt in die Selbstständigkeit.
2008, nach viel Risikoabwägung und einem Businessplan, gründeten die beiden Jobrad. Damals mit zwei noch kleinen Kindern und einer Gründerpauschale, allerdings ohne Rücklagen, denn die steckten im eben gekauften Reihenhaus. „Wir waren naiv genug, um in der Wirtschaftskrise zu sagen: Wir machen uns selbstständig. Aber wir haben es einfach gemacht und uns immer angepasst an die Gegebenheiten. Bis heute.“ Einfach machen, was kann schon Schlimmes passieren? Wenn wir das Haus verlieren, haben wir immer noch uns, oder? Heute lächelt Prediger bei der Erinnerung. Doch die Zeit war hart, das Geld der vierköpfigen Familie knapp. Oft standen sie kurz vor der Insolvenz. Banken wollten ihnen kein Geld geben, Unternehmen nicht mitmachen. Aber das Paar trug die Herausforderung gemeinsam. Ein Perfect Match: Er, der Visionär und Netzwerker, putzte Klinken und versuchte, Firmen von ihrem neuen Modell zu überzeugen, sie managte Büro und Kinder. Die gelernte Industriekauffrau hatte eigens auf Finanzbuchhaltung umgesattelt, um fit für die Buchhaltung ihres noch jungen Unternehmens zu sein.

Auf einmal läuft es
Nach viel Lobbyarbeit durch Ulrich Prediger gelang 2012 ein Meilenstein. Die Finanzministerien der Länder verabschiedeten den sogenannten „Dienstraderlass“. Das Jobrad wurde damit steuerlich dem Dienstwagen gleichgestellt und damit attraktiver, weil steuerlich begünstigt. Das Freiburger Unternehmen, zu dem inzwischen der dritte Mitgründer Holger Tumat gestoßen war, hatte lange dafür gekämpft. Ein entscheidender Schritt, der die Grundlage für eine Dienstradleasingbranche schuf, die wenig später durch die Decke ging. Langsam wuchs die Firma, dann immer schneller. 2017 hatte Jobrad schon 100 Mitarbeiter. Dann kam Corona und schob das Unternehmen noch weiter an. Denn die Menschen hatten keine Möglichkeit, ihr Geld für Urlaub oder Essengehen auszugeben und mieden Bus und Bahn. Stattdessen kauften sie Fahrräder.
Heute beschäftigt Jobrad rund 1.000 Mitarbeiter in Deutschland, nimmt man Belgien und Österreich dazu, sind es 1.200. Aus dem einstigen Start-up ist eine Unternehmensgruppe mit zehn Töchtern geworden, Muttergesellschaft ist die Jobrad Holding. 2021 bezog die Gruppe einen neuen Hauptsitz nahe dem Freiburger Hauptbahnhof, der Campus wurde Mitte 2023 fertiggestellt. Etwa 800 Menschen arbeiten momentan dort, Platz wäre für bis zu 1.000. Seit der Saison 2023/24 ist Jobrad außerdem Hauptsponsor des Fußballerstligisten SC Freiburg.
„Wir haben es ganz gut hingekriegt. Dafür bin ich wirklich dankbar“, sagt Sandra Prediger. Sie hat mittlerweile auf einem grasgrünen Sofa Platz genommen, das farblich perfekt zur Kaiserstuhl-Wandtapete passt. Weil sämtliche Besprechungsräume belegt sind, muss fürs Gespräch der Ruheraum herhalten. Doch wahrscheinlich nicht nur deshalb wirkt die Unternehmerin entspannt, nimmt sich Zeit. Ein bisschen innehalten in der Bewegung. Aber nicht für lange.
Spenden allein ist zu wenig
Als sich der wirtschaftliche Erfolg von Jobrad manifestierte, war für Sandra und Ulrich Prediger der Punkt gekommen, den nächsten Schritt zu gehen. In ihr sei das Gefühl gewachsen, eine gesellschaftliche Verantwortung zu haben, so beschreibt sie es. Auch ihrer christlichen Werte wegen. Sie ließ sich zur Stiftungs-
managerin fortbilden, gründete im Februar 2023 mit ihrem Mann die Prediger-Stiftung und wurde Kuratorin. Die beiden wollten nicht nur hin und wieder spenden, sondern das Ganze auf nachhaltige Füße stellen. Die Förderstiftung, die soziale Projekte unterstützt, war für das Paar der richtige Rahmen, um etwas vom Erreichten zurückzugeben. „Es gibt in der Region Freiburg so viele wunderbare Akteure, die Arbeit vor Ort machen und finanzielle Hilfe brauchen.“
Je nach Bedarf pendelt Prediger nun zwischen Stiftung und Firma hin und her. „Es ist viel Arbeit, aber es macht Freude.“ Zwar hat sie sich seit einem Jahr losgelöst vom operativen Jobrad-Geschäft, doch es gibt noch genug zu tun. Im Unternehmen sei immer viel in Bewegung, es gebe neue Ideen, Entwicklungen. „Veränderung liegt in unserer DNA.“ 1,5 Millionen Räder hat Jobrad bislang auf die Straße gebracht und wenn es nach ihr geht, dürfen es gerne noch mehr werden. Außerdem brauche es eine bessere Radinfrastruktur, wofür Jobrad sich auch politisch einsetze. Ihr persönliches Ziel sei es aber, sich in Zukunft noch mehr der Stiftung und dem operativen Stiftungsgeschäft zu widmen, dafür fehle momentan die Zeit. Leider auch fürs Mountainbiken.
„Noch eine Zimtschnecke?“, fragt Sandra Prediger wenig später beim Abschied, angekommen im firmeneigenen Café Kurbel. Dann geht sie weiter. Susanne Ehmann
Bilder: Michael Bode