
Lörrach/London. Zurück in die Heimat zu kommen, war längst geplant. Vor zwei Jahren starteten Azadeh Falakshahi (37) und Florian Frey (40) die deutsche Dependance ihrer Londoner Currywurst-Kette „Herman ze German“ mit einem Foodtruck in der Lörracher Innenstadt. Seit einem Jahr haben sie einen Laden in der Galerie am Altern Markt unter dem Sporthändler Decathlon. Die Idee war eigentlich, die Geschäfte in London und Lörrach parallel zu führen. Sie hatten extra einen Geschäftsführer auf der Insel eingestellt, ihre Wohnung in London gekündigt und sind nach Südbaden gezogen, um sich auf den Start in Deutschland konzentrieren und entspannt die weitere Entwicklung in Sachen Brexit abwarten zu können. Doch dann kam Corona und hat den beiden, wie so vielen Gastronomen, ein ganz anderes Drehbuch diktiert. Neustart statt Expansion lautet dessen Titel. Von den vier Londoner Läden werden Falakshahi und Frey sich trennen. Sie liegen in touristischen und geschäftlichen Hotspots der britischen Hauptstadt. Genau da also, wo pandemiebedingt seit Monaten und wohl auch auf absehbare Zeit nichts los ist. Auch eine Wiedereröffnung mit reduzierter Gästezahl würde sich kaum rechnen. „Wir zahlen da extreme Mieten, die wir zur Primetime unterschrieben haben“, sagt Frey. „Jetzt müssten wir viel investieren – vor dem Hintergrund, dass am Ende des Jahres der Brexit ansteht.“ Deshalb endet die britische Erfolgsgeschichte von Herman ze German noch vor der Übergangsphase nach dem EU-Austritt Großbritanniens.
„Das schmerzt sehr“, sagt Falakshahi. „England war ein Stück Heimat geworden. Wir haben da fast 14 Jahre gelebt.“ Die gebürtige Lörracherin, die am Hans-Thoma-Gymnasium ihr Abitur gemacht hatte, war 2005 nach Brighton gegangen, um dort Editorial Photography zu studieren. Während ihrer ersten Semesterferien jobbte sie in Basel und lernte Florian Frey kennen, der dort als Friseur arbeitete. Er ist in Schopfheim-Wiechs aufgewachsen, hatte die Realschule in Zell im Wiesental besucht und in einem Schopfheimer Friseursalon gelernt. Am Ende des Sommers folgte Frey seiner neuen Liebe in die südenglische Unistadt. Sie teilten sich ihr WG-Zimmer, und weil er sich inmitten der Künstler und Kreativen nützlich machen wollte, begann Frey für alle zu kochen. Von jedem Heimatbesuch brachte er Würste der Metzgerei Hug aus Steinen im Wiesental mit, probierte Currysaucen aus und stieß damit auf großen Zuspruch. Der Kreis der englischen Wurstfans wuchs, und bald veranstalteten Frey und Falakshahi in dem Pub, in dem sie jobbte, einmal die Woche Currywurst-Abende. Unter den Pub-Gästen saß ein Festivalveranstalter, der die beiden fragte, ob sie einen Stand für ihn machen würden. „Wir sagten natürlich ja. Ohne Ahnung und Equipment“, erzählt Falakshahi. Sie liehen sich also Geld, kauften einen gebrauchten Foodtruck und starteten kopfüber ins Abenteuer Gastronomie – ohne Know-how, dafür aber mit professionellem „Herman-ze-German“-Schriftzug samt Logo. Den hatte ihnen ein von der deutschen Wurst begeisterter Designer im „Artswap“ gegen ein Werk von Falakshahi gestaltet. Zwei Jahre zogen die Südbadener mit ihrem Imbisswagen umher, ehe sie 2010 mithilfe privater Investoren das erste Restaurant in London eröffneten. Die Läden zwei bis vier folgten binnen weniger Jahre. Etwa 40 Mitarbeiter beschäftigten sie zuletzt. Ein Laster mit mehr als einer Tonne Wiesentäler Würschtle der Metzgerei Hug fuhr wöchentlich nach England.
Rückblickend staunen sie, was sie geleistet haben. „Wir waren so unter Strom“, sagt Falakshahi. In London lasse man sich beeindrucken von anderen Leuten, die viel mehr Läden leiten. „Dabei ist es ein Riesenunterschied, ob man selbst sein Geschäft aufbaut oder sich ins gemachte Nest setzt.“ Das Selbstbewusstsein, dass ihnen in London manchmal fehlte, haben sie nach Lörrach mitgebracht. „Wir merken jetzt, dass wir viel mehr können als wir dachten“, sagt Frey. Das hilft beim Neustart, ebenso wie ihre vielen Freunde in der Region, zu denen der Kontakt nie abgerissen ist und die ihnen im Coronalockdown unter die Arme gegriffen haben. „Der Lieferdienst hat sich wirklich gelohnt“, berichtet Falakshahi. „Die Leute wollten uns echt unterstützen.“ Das wundert nicht. Die England-Heimkehrer sind herzlich und offen, von ihrer Arbeit begeistert und sehr kollegial. Sie stehen selbstverständlich gemeinsam mit den Mitarbeitern am Grill, fahren die Essenslieferungen persönlich mit dem Lastenrad aus und versprühen keinerlei Großstadtdünkel.
London und Lörrach: Falakshahi und Frey lieben die Megacity und die kleine Grenzstadt gleichermaßen, am liebsten in Kombination. Die Idee, beides miteinander zu kombinieren, haben sie nicht ganz aufgegeben. Irgendwann wird es vielleicht eine Wiedergeburt von Herman ze German in England geben. Einstweilen aber steht Lörrach im Mittelpunkt, und die wirtschaftliche Situation dämpft die Expansionspläne der Vor-Corona-Zeit. „Play safe lautet jetzt das Motto“, sagt Frey. „Gerade können wir nichts riskieren.“ Weitere deutsche Standorte gebe es vorerst nicht. Aber der Foodtruck steht für mobile Einsätze bereit.
kat