Freiburg. Ausgerechnet Mund und Nase müssen die Gäste bedecken, die Ende April zur Wiedereröffnung in die Alte Wache, die Vinothek und Weinbar an der Ostseite des Freiburger Münsterplatzes, kommen. „Dabei sind das die Organe, die wir in der Weinbranche für wichtig halten, um unsere Produkte verkosten zu können“, sagt die Geschäftsführerin, Weinhandelsküferin und leidenschaftliche Sensorikerin Alixe Winter. Auch sonst findet die Wiedereröffnung nach der rund viermonatigen Umbaupause anders als geplant statt: nicht mit zahlreichen Gästen, die ursprünglich Ende März geladen waren, sondern mit einigen Journalisten, die nicht nur Mundschutz tragen, sondern auch Abstand halten müssen. Trotzdem strahlt Alixe Winter. Es war ein langgehegter Wunsch von ihr, der nun in Erfüllung gegangen ist: der Alten Wache ein modernes Gesicht zu geben. Auf zwei Etagen werden mit viel Holz und indirekter Beleuchtung ausgesuchte Weine und Sekte der Gesellschafter der Alten Wache großzügig präsentiert und können erworben werden. Oben im Premium-, unten im mittleren Preissegment.
Dass die Gesellschafter – das sind 23 Winzergenossenschaften und 11 Weingüter vom Kaiserstuhl und Tuniberg, aus dem Breisgau, dem Markgräflerland und der Ortenau sowie die Stadt Freiburg – bereit waren, die rund 1,2 Millionen Euro teure Investition zu stemmen, ist vor allem der Verdienst von Alixe Winter. Und auch ihrer inzwischen zehn fest angestellten Mitarbeiterinnen, wie sie mit Nachdruck betont: „Ich bin der treibende Geist, aber ohne mein Team wäre der Erfolg nicht möglich gewesen.“ Gleichwohl ist sie es, die auch durch eigene Weinkreationen die Alte Wache zu einem bei Einheimischen und Touristen gleichermaßen beliebten und wirtschaftlich erfolgreichen Ort gemacht hat. Der Umsatz ist in den vergangenen Jahren stets zweistellig gewachsen und betrug 2019 knapp zwei Millionen Euro.
Dabei halfen der 52-Jährigen natürlich der Münsterplatz mit seinem besonderen Ambiente, aber vor allem ihre Liebe zum badischen Wein und ihr Wissen darüber sowie ihre Marketingexpertise. Das eine lernte sie, das andere wurde ihr von ihrer Familie mitgegeben: Alixe Winters Großvater väterlicherseits war Fassküfer, ihr Vater lernte Holzküfer und arbeitete beim Badischen Winzerkeller in Breisach unter anderem als Kellermeister. Von ihm hat sie den Sinn fürs Sensorische: „Ich hab als Kind den Papa nachgemacht, der immer an seinem Glas gerochen hat“, erzählt Alixe Winter. Auch in der Natur habe sie den Gerüchen nachgespürt und so ihre Sinne geschult. Ihre Großeltern mütterlicherseits betrieben am Kaiserstuhl eine Rebveredelung und bewirtschafteten im Nebenerwerb zwei Hektar Reben. Den Weinbau führte Alixe Winters Mutter fort, und sie selbst verbrachte mehr Zeit im Reben- als im Kindergarten, berichtet Alixe Winter, die heute mit ihrem Mann und ihrer achtjährigen Tochter im Elternhaus am Kaiserstuhl wohnt. Sie selbst begleitete ihren Vater immer wieder zur Gärkontrolle. Von ihm und später während der Ausbildung zur Weinhandelsküferin, die sie beim Badischen Winzerkeller absolvierte, lernte sie, was einen guten Wein ausmacht. Wie man dafür wirbt und andere dafür begeistert, brachte ihr Werner Schön bei, der über 30 Jahre die Geschäfte des badischen Weinbauverbandes führte. Er schulte sie für ihre Ämter als badische Weinkönigin und deutsche Weinprinzessin 1989 und 1990. Nach ihrem BWL-Studium mit dem Schwerpunkt Marketing arbeitete sie als seine Assistentin, bis sie 1997, mit 29 Jahren, die Geschäftsführung der neu eröffneten Alten Wache übernahm. Diese ist als Gemeinschaftsprojekt von 35 Weinerzeugern in Baden-Württemberg einmalig. Hier hat Alixe Winter ihren Platz gefunden und behauptet. Sie ist Botschafterin des badischen Weines geblieben – und hat dabei neue Wege eingeschlagen, ohne ihren Qualitätsanspruch zu verlieren.
Als sie vor rund 15 Jahren als Jurorin an einem Glühweintest auf dem Freiburger Weihnachtsmarkt teilnahm, war sie so erschrocken über die Qualität der Getränke, dass sie beschloss, selbst einen hochwertigen Glühwein herzustellen. Gemeinsam mit einem Kellermeister des Badischen Winzerkellers, dem größten Gesellschafter der Alten Wache, kreierte Alixe Winter ihre „Winter-Edition“. Sie strahlt, gestikuliert und ist kaum zu stoppen, wenn sie davon berichtet, wie sie herumprobierten bis der jeweilige Charakter entstanden ist: der schwere, männliche des Roten, der fruchtige, weibliche des Weißen, der puristische, leichte des Rosé. Seit 2007 wird die „Winter-Edition“ am eigenen Stand auf dem Weihnachtsmarkt und vor der Alten Wache ausgeschenkt und trägt entscheidend zum Umsatz bei. Das gilt auch für die „Kalte Sofie“, die erfolgreiche eisige Weinkreation aus dem Jahr 2010. Diese entwickelte Alixe Winter mit ihren Mitstreitern, weil sie es nicht ertragen konnte, dass viele Gäste im Sommer ihren Wein mit Eiswürfeln kühlten. „Mein Küferherz hat gesagt: Das geht gar nicht. Mein Marketingherz hat gesagt: Ihr wollt eiskalten Wein, dann sollt ihr ihn haben“, sagt sie und berichtet von Versuchen mit verschiedenen Weinen, Kühlarten und Eismaschinen, die schließlich zum Erfolg führten.
Jüngste Eigenkreation ist die „Edition Alte Wache“. Sie umfasst ausgesuchte Weine „auf mittlerem Qualitätsniveau, handwerklich richtig gut, nicht zu teuer, die Spaß machen“, schwärmt Alixe Winter und erzählt, wie sie mit Mitarbeiterinnen die Weine dafür ausgesucht hat. Nun hofft sie darauf, dass sie den Ausschank bald öffnen darf und auf dem Münsterplatz wieder unbeschwerter Weingenuss möglich ist – ohne Mundschutz und Sicherheitsabstand.
mae