Die weltbesten Tunnelbohrmaschinen kommen aus Baden – doch die Konkurrenz schläft nicht. Wie es ist, mit Chinas Staatskonzernen zu konkurrieren und mit Elon Musk zu verhandeln – das hat uns Martin-Devid Herrenknecht verraten. Und dazu noch einiges mehr…
Qatars Spuren finden sich schon vor dem Werksgelände von Herrenknecht Rebuild Services (HRS). Hier in Kehl liegt eine ganze Schiffsladung tonnenschwerer Einzelteile. Ein riesiger Bohrkopf, Förderschnecken, Laufbrücken. Fein säuberlich sortiert und beschriftet, übergangsweise gelagert zwischen dem Rhein und dem Hafenbecken an der Weststraße. Diese Maschine hat man einst von Schwanau aus in die Wüste geschickt – jetzt wartet sie wie ein 3D-Puzzle auf neue Herausforderungen. Als Bausatz für eine neue Tunnelbohrmaschine – denn so lassen sich rund 70 Prozent der Emissionen einsparen. „Und das as good as new“, sagt dazu Produktions-Vorstand Martin-Devid Herrenknecht, 38.
Die zweite Generation
Auf Baustellen und in den Werkshallen war Martin-Devid Herrenknecht schon mit zwölf unterwegs, aber das sollte man vielleicht nicht verraten. Sicherheit und so: Sie wissen schon. Nach Maschinenbau- und Bauingenieur-Studium hat er als junger Ingenieur Projekte in Mexiko, Qatar und China geleitet. Erfahrungen sammeln. Von der Pike auf. Später hat er die Mining-Sparte übernommen, inzwischen ist er ebenfalls verantwortlich für die Produktion beim Weltmarktführer in Sachen Tunnelbohrmaschinen und hilft dem Vater (Firmengründer Martin Herrenknecht) im Vertrieb. Die Herrenknecht AG ist ein Familienunternehmen, das wirklich nie stehenbleibt. Daher auch das mit dem Re-Manufacturing in XXL. Es ist eines der vielen neuen Themen bei Herrenknecht, wo mit MDH (wie man hier kürzelt) die zweite Generation den Helm aufhat.
Seit fast 20 Jahren kaufen die Herrenknechts ihren Kunden alte Maschinen wieder ab – und das, obwohl es in dieser Branche nur Unikate gibt. Jede Maschine ist eine Sonderanfertigung, jede Geologie ist anders, jeder Durchmesser, jeder Tunnelradius. Aber die Herrenknechts waren ja schon immer stur. Man kann die Alpen nicht durchbohren? Wollen wir erst mal sehen! So muss man wohl sein, wenn man als inoffizielles Firmencredo sagt: Der einzige Ausweg ist mitten hindurch. Passend dazu wirbt draußen ein Schild für Herrenknecht als Arbeitgeber. Maschine braucht Charakter steht da drauf. Man möchte ergänzen: Mit dem Kopf durch den Berg…
Inzwischen gibt es die ersten Tunnelbohrer, die schon drei Zyklen hinter sich haben. „Die hier zum Beispiel“, sagt MDH und zeigt auf ein gerahmtes Foto an der Wand vom Besprechungsraum. „Gut elf Meter Durchmesser, zuletzt in Holland im Einsatz.“ Das Re-Manufacturing wird immer wichtiger. Nicht nur wegen der Umweltbilanz – sondern auch wegen der Lieferzeit. „Wenn wir die Teile nicht erst bauen müssen, sind wir natürlich viel schneller!“ Ergo wird gehortet und sortiert, gepuzzelt und geschweißt, dass die Funken fliegen. Mit ein bisschen Lack ist es eben nie getan – ganz im Gegenteil…
Zehn Hektar – ganz schön eng…
„Wieviele Teile wir hier haben? Das kann ich nicht sagen“, meint HRS-Direktor Olaf Kortz. „Aber es finden sich rund 7000 verschiedene Artikelnummern auf den 98 000 Quadratmetern hier.“ Kein Wunder also, dass sich der Gang übers Werksgelände zieht, wo derzeit 150 Menschen arbeiten. Das sind weniger als erwartet, um ehrlich zu sein, denn insgesamt beschäftigt Herrenknecht inzwischen mehr als 5000 Menschen. Weltweiter Umsatz: rund 1,4 Milliarden Euro. 95 Prozent davon außerhalb Deutschlands, wo keine Bürgerinitiativen so ziemlich jedes Projekt torpedieren und verlangsamen.
Herrenknecht ist Weltmarktführer, vor allem wenn es um Tunnelbohrmaschinen für U-Bahnen, Straßen- oder Bahntunnel geht – aber die Konkurrenz schläft nicht. In China
sind es große staatliche Baukonzerne, die Tunnelbohrmaschinen nicht nur einsetzen, sondern auch selbst bauen. Oder nachbauen, aber das wäre ein Thema für sich. In den USA ist es Elon Musk mit seiner Boring Company, der Tunnel für seine Hyperloop-Idee bohren will. „Die Software kriegen die Amerikaner ganz gut hin“, sagt MDH mit einem Lächeln. „Aber Maschinenbau ist eben mehr als nur Software.“
Musk hat mal versucht, die Technologie der Deutschen zu kaufen – und ein unanständiges Angebot gemacht. Mit Verweis auf seine fünf Kinder wollte er ein Fünftel bezahlen – naja. „Darauf konnten wir uns nicht einlassen und waren zwei Jahre lang ein bisschen nervös“, sagt MDH. Aber dann hat man festgestellt: Im Silicon Valley kocht man auch nur mit Wasser.
Bei Herrenknecht hat man eine Vision, von der man sich weder vom reichsten Menschen noch vom größten Staat der Welt abbringen lässt. „Tunnels zu bohren ist viel sicherer, nachhaltiger und effizienter als sie zu sprengen“, sagt MDH und bezieht das nicht nur auf Löcher in der Horizontalen. Herrenknecht Vertical ist spezialisiert auf senkrechte Geothermiebohrungen (die in Kanada und den USA gerade Konjunktur haben), im Geschäftsfeld Mining baut man Schachtbohranlagen für Konzerne wie Rio Tinto oder BHP. „Wir nutzen da unser Wissen“, sagt MDH. „Wenn man sich mit Getriebestufen und Elektromotoren auskennt, kann man auch Komponenten für den Bergbau fertigen.“
Maulwürfe und Olympia
Für die Olympischen Spiele in Paris und die Erweiterung der Metro haben die Herrenknechts 22 Maschinen ins Rennen geschickt – und alle kamen aus Deutschland. „Schwanau ist und bleibt unser Hauptwerk“, sagt MDH, der bodenständig wirkt, der in Lahr wohnt und hier auch aufs Gymnasium gegangen ist, ehe er zum Studieren nach München ging. Wenn er davon spricht, dass 75 Prozent aller Maschinen als Buy-Backs wieder erworben werden, dann sagt er „Wir holen sie nach Hause“ und ist mit dem nächsten Gedanken schon wieder in der Welt unterwegs. „Wir haben noch Endmontagewerke in Indien, China, den USA und Thailand – aber unser Herz schlägt hier!“ Die Menschen, die Landschaft, die Natur: Die Herrenknechts sind heimatverbunden. MDH sitzt bei der Volksbank im Aufsichtsrat, unterstützt als Business Angel Start-ups und liebt Fußball. Zig Jahre hat er selbst gespielt, auch mit den eigenen Werkern.
In den nächsten Jahren soll wieder einmal vor der Haustür gebohrt werden. Der Schäuble-Tunnel, die Rheintalbahn unter Offenburgs Kellern hindurch. Natürlich ein Projekt, das Herrenknecht gern machen würde – aber die Chinesen auch. „Wenn es der Staat ernst meint mit Themen wie Qualität, Lieferkettengesetz und Nachhaltigkeit, dann müssten wir den Auftrag bekommen“, sagt Herrenknecht. Aber wenn es nur ums Geld geht, könne es auch sein, dass die Chinesen um jeden Preis versuchen werden, Offenburg als ganz besonders delikates Referenzprojekt zu ergattern. Im Vorgarten des großen Konkurrenten zu bohren – das wäre mehr als ein Nadelstich. „Warten wir es mal ab“, sagt Martin-Devid Herrenknecht. „2028 wird bestellt, 2029 soll die Maschine fertig sein, daher sammeln wir hier in Kehl schon jetzt Teile für dieses Projekt.“ 2032 soll der Tunnel fertig sein, drei Jahre später dürften dann die ersten Züge fahren. Direkt Richtung Gotthard…Ulf Tietge