
Sie betreiben in Berghaupten einen teilweise personallosen Lebensmittelladen. Wie kann man sich das vorstellen?
Unser Bitt’schön ist vormittags und teilweise am späten Nachmittag mit mir oder meinen Mitarbeitern besetzt. In der Zeit dazwischen – nachmittags, in den Abendstunden und in großen Teilen des Wochenendes haben die Kunden über eine Kundenkarte Zugang zum Laden. Sie wiegen, verpacken und scannen ihre Einkäufe dann selbst und zahlen bargeldlos per Karte oder mit dem QR-Code auf dem Handy.
So hat Berghaupten von 7 bis 22 Uhr weiterhin einen Nahversorger, nachdem mein Vorgänger im Sommer 2022 den Laden aus Altersgründen aufgegeben hat.
Sie sind eigentlich IT-Unternehmerin. Wie ist die Idee entstanden?
Ich war bei einem Partnerunternehmen in Norddeutschland unterwegs und habe dort einen komplett personallosen Laden kennengelernt. Damals war schon absehbar, dass unser Dorfladen bald schließen wird. Mein Mann und ich sind dann ins Überlegen gekommen. Ganz ohne Personal wäre für Berghaupten nicht denkbar, aber so ein Mittelding… Schließlich habe ich mir ein Herz gefasst und den alten Laden umgebaut und digitalisiert.
Bitt‘schön
Gründerin: Irina Obert
Ort: Berghaupten
Gründung: September 2022
Branche: Lebensmitteleinzelhandel
Idee: Nahversorgung mit und ohne Personal sicherstellen
Webseite: bittschoen.de
Das IT-Business tickt deutlich anders als der Lebensmitteleinzelhandel. Wo haben Sie sich das Know-how hergeholt?
Ich hatte tatsächlich eine sehr steile Lernkurve in den letzten anderthalb Jahren. Als IT-Dienstleister haben wir zwar einige Raiffeisenmärkte im Kinzigtal betreut, aber das zählt wohl nicht. Allein die Papierflut hat mich überwältigt. Ich war nicht darauf vorbereitet, wie sehr der Einzelhandel noch in den digitalen Kinderschuhen steckt. Das macht das Bestellwesen, die Analyse des Abverkaufs und das Optimieren des Warenbestandes unglaublich aufwendig. Mittlerweile habe ich mich in vieles eingearbeitet. Mit der Schneidemaschine an der Wursttheke habe ich mich aber immer noch nicht recht anfreunden können.
Wie haben Sie das Bitt’schön finanziert?
Zu einem großen Teil aus eigenen Mitteln und mit staatlichen Fördermitteln aus dem
Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR) sowie der Starterfinanzierung von den
Sparkassen.
Wie läuft’s bislang?
Der Laden ist sehr schnell zum sozialen Treffpunkt für den Ort und für alle Generationen geworden – und das in den Zeiten mit und ohne Personal. Das freut mich sehr. Und es zeigt, dass wir da einen Bedarf im Ort decken.
Mit dem abgelaufenen Jahr 2023 haben wir erstmals Zahlen für ein komplettes Geschäftsjahr, die wir nun analysieren. Es ist ein bisschen frustrierend, wie schwer das Überleben für alle kleinen Lebensmittelmärkte ist. Die Kleinen vor Ort sind für die großen Zulieferer uninteressant. Da muss man sich dann etwas anderes einfallen lassen, etwa mehr auf regionale Hersteller setzen – was preislich wieder schwierig darzustellen ist. Ein kleiner Teufelskreis.
Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Ursprünglich hatte ich als nächstes vor, einen digitalen Alters-Check einzuführen, um den erwachsenen Kunden auch in den Zeiten ohne Personal den Kauf zum Beispiel von Alkohol oder Zigaretten zu ermöglichen. Das habe ich aber erstmal zurückgestellt.
Zunächst werden wir jetzt das Sortiment und die Zulieferer optimieren. Und ich würde gerne mehr Kunden der mittleren Generation für uns gewinnen, die Familien, Berufstätige. Bei den Senioren und der Jugend kommen wir gut an. Aber ich brauche auch den Mittelbau, um den Laden nachhaltig wirtschaftlich betreiben zu können.
Interview: Ulrike Heitze