Kiffen hat Konjunktur: Von Lahr aus entwickelt Hanf-Pionier Tobias Pietsch ein Franchise-Netzwerk für Cannabis-Konsumenten. 20 neue Outlets sollen in den nächsten Monaten eröffnen – denn es geht um einen Milliardenmarkt.
Wer im Laden von Tobias Pietsch nach einer Tüte fragt, wird meist schief angeschaut. Aus Umweltgründen natürlich. Aber auch andersrum. Denn Joints verkaufen: Das ist in Deutschland auch nach der Cannabis-Legalisierung noch immer verboten. Dafür aber gibt es bei Hanfnah von Inhaber Tobias Pietsch, 40, so ziemlich alles, was Kiffer sonst so brauchen: Feuerzeuge und Blättchen, ein breites CBD-Sortiment, Lebensmittel, Klamotten, Merch und alles für den Hanf-Gärtner. Vom Indoor-Gewächshaus über High-Tech-Lampen und Anzuchterde bis hin zu Cannabis-Samen mit drei Böhnchen für bis zu 150 Euro. Ein bisschen sieht’s hier aus wie im Gartencenter.
Früher war hier die Erwachsenenabteilung einer großen Videothek, heute bastelt in den Räumen Tobias Pietsch an Joint Ventures für die Zukunft. Denn Kiffen hat Konjunktur. Zwischen zwei und zehn Millionen mehr oder weniger regelmäßige Konsumenten gibt es nach Schätzungen aus der Branche, und seit dem Ende der Prohibition werden es mehr. „Die Ü-50-Generation steigt ein“, beobachtet Pietsch. Menschen, die in den 1970er-Jahren mal gezogen haben, die Angst hatten vor der Polizei: Jetzt stehen sie auf der Matte. Und damit ist ein Milliarden-Markt entstanden, denn viele Cannabis-Konsumenten geben im Jahr eine vierstellige Summe für ihren Lifestyle aus. Damit wäre man bei deutlich mehr als den 970 Millionen Euro, die es laut der offiziellen CAGR-Studie derzeit sind. Zur Einordnung: In den USA, wo das Rauschgift THC längst nicht in allen Bundesstaaten legalisiert ist, wurden mit Cannabis-Produkten zuletzt mehr als drei Milliarden Euro umgesetzt – im Monat!
Kein Wunder also, dass Pietsch voll auf Expansion setzt. Im neuen Online-Shop sieht man alle paar Sekunden eine Bestellung eingehen. Pietschs Hanfnah-Läden gibt es in Lahr, Lörrach und Freiburg, der Umsatz liegt bei etwa einer Million – zusätzlich sprießen Franchise-Läden aus dem Boden. Auf ein kurzes Youtube-Video von Pietsch folgte eine regelrechte Bewerberflut, mehr als 150 Menschen meldeten sich binnen Stunden und Pietsch entwickelte ein Casting-Verfahren. „Ist ein bisschen wie DSDS geworden“, sagt er und lächelt. Denn es läuft! In Konstanz, in Ravensburg und sogar in Aue haben Ableger schon Wurzeln geschlagen. 20 weitere Franchise-Shops sollen in 2025 folgen, sagt Pietsch, der einst im Umfeld der Edeka eine Ausbildung zum Marketing-Kaufmann absolviert hat und sich eben nicht nur mit Cannabis und Co. gut auskennt. Wobei auch das wichtig ist. Denn: Rund 50.000 Produkte gibt es derzeit auf dem Markt, entsprechend unverzichtbar sind Fachwissen, Netzwerke, Einkaufskonditionen und eigene Erfahrungen. Und wenn Pietsch davon erzählt, werden Parallelen sichtbar – zu anderen Franchise-Konzepten wie etwa Fressnapf. „Das kann man vielleicht wirklich vergleichen, denn dort will man ja auch beraten werden. Aber bei uns geht es manchmal noch ein bisschen mehr um Psychologie, um einen Treffpunkt für Gleichgesinnte, glaube ich.“
Seit 2016 betreibt Pietsch sein Geschäft, hat mit 30.000 Euro Existenzgründerdarlehen von der KfW angefangen. Das Cannabis-Medizin-Gesetz 2017 brachte einen Schub, Lauterbachs Legalisierung aber haut noch mal ganz anders rein. Seither bringen sich auch große Player in Stellung. Als Pionier der Branche hat Pietsch eine Menge erlebt, hat elf Razzien hinter sich, stand immer wieder vor Gericht, ist aber noch nie verurteilt worden. Auch wenn er selbst seit mehr als zwei Jahrzenten kifft. „Wir sind prohibitionserprobt und wir wissen, dass unser Geschäft funktioniert. Aber natürlich arbeiten wir auch darauf hin, dass wir ready sind, wenn THC-Produkte nicht mehr nur über Apotheken verkauft werden – sondern in Fachgeschäften.“ Ulf Tietge
Hanfnah
Gründer: Tobias Pietsch | Ort: Lahr
Gründung: 2016 (Laden), 2024 (Franchise)
Branche: Handel | Website: hanfnah.de