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4 | 2018

Wirtschaft im Südwesten

31

IHK Hochrhein-Bodensee  

REGIO

REPORT

Konstanzer „FuckUp Night“ mit Gründern und Unternehmern

Geschichten des Scheiterns

Ü

ber erfolgreiche Unternehmen wird gerne be-

richtet. Doch es gibt auch viele Geschichten

gescheiterter Gründer und Unternehmen. „In den

meisten Fällen wird der Mantel des Schweigens dar-

über ausgebreitet“, heißt es vom Verein „cyperLAGO“,

dem digitalen Kompetenznetzwerk am Bodensee. Um

das Thema Scheitern aus der Tabuzone zu holen, lud

er Anfang März zur „FuckUp Night“ ins Zebra Kino

in Konstanz. Auf humorvolle und zugleich ernste

Art erzählten Achim Schulz, Thierry Laboureur und

Guido Sondern dort ihre persönliche Geschichte des

Scheiterns.

Achim Schulz (48) begann seine Präsentation mit dem

Foto einer Burnout-Klinik in der er nach dem Schei-

tern gelandet war. Bereits 1996 hatte er sein erstes

Unternehmen, ein MTB Bike Store, gegründet. Nach

zweieinhalb Jahren musste er Konkurs anmelden. Es

folgte eine Werbe- und Marketingagentur, die er ge-

meinsam mit einem Freund realisierte. Es kam zum

Streit, und Achim Schulz stand wieder vor dem Nichts.

Das Klimabike sollte den Durchbruch bringen, doch

der Geschäftspartner erkrankte an Krebs, und Achim

Schulz erlitt sein erstes Burnout. Mit dem darauffol-

genden Arbeitgeber geriet er in einen Rechtsstreit.

Anschließend ging Achim Schulz für ein Jahr in die

Klinik und machte eine Therapie. Die Zeit von 1998

bis 2014 fasst der heutige Coach als „16 Jahre fucked

up“ zusammen. Als Berater empfiehlt er, sich selbst

zu reflektieren, auf sich zu achten und ehrlich zu sein.

Thierry Laboureur (25) hatte bereits im Alter von

14 Jahren auf dem Reiterhof seine erste Idee. Ge-

meinsam mit einem Freund entwickelte er spezielle

Sporen für Reitstiefel, die angenehmer für das Pferd

sind. Nach dem Abitur im Jahr 2012 begann Thierry

Laboureur eine Ausbildung bei der Vermögensver-

waltung UBS und kam auf dem Oktoberfest zu sei-

nem nächsten Geschäftsvorhaben. Die fünf Freunde

wollten gemeinsam ein Portal für Freizeitangebote

entwickeln, worüber die entsprechenden Angebote

direkt gebucht werden können. Es kam zu Problemen

bei der technischen Umsetzung, und das Vorhaben

musste nach zwei Jahren beendet werden.

Guido Sondern (34) ist trotz seines Scheiterns dankbar

für die Erfahrungen, die er in diesem Zusammenhang

machen durfte. Sein Ziel war es, mit einer mobilen

Kunstausstellung innerhalb der Landesgartenschau in

Norderstedt jede Menge Besucher abzugreifen und

mit einem Museumsshop zusätzliche Einnahmen zu

generieren. Im Rahmen seiner Diplomarbeit hatte er

bereits eine Checkliste zur Planung und Durchführung

einer solchen Ausstellung erarbeitet. Leider geriet die-

se während der Umsetzung der eigenen Ausstellung

in Vergessenheit. Im Shop warteten ein Puzzle mit 75

Teilen sowie ein Leporello auf die Besucher. Das Team

hatte im Vorfeld eine Vielzahl davon bestellt, und noch

heute füllt der Restbestand eine ganze Garage. Die

Besucher der „FuckUp Night“ mussten lachen, als

Guido Sondern ein Foto zeigte, auf dem das Gebäu-

de zu sehen war, wo die Ausstellung stattfand. Ein

architektonisch anspruchsvolles Gebäude mit sehr

viel Glas, das es scheinbar unmöglich macht, Bilder

an Wänden aufzuhängen. Doch damit nicht genug,

der Eingang der Landesgartenschau befand sich auf

der einen und der Ausgang auf der anderen Seite

des Gebäudes mit der Kunstausstellung. Die Besu-

cher sahen keine Notwenigkeit die Ausstellung zu

betreten, außer sie mussten auf die danebenliegende

Toilette. Die kalkulierten Zahlen konnten nicht an-

nähernd erreicht werden, der Geschäftsführer erlitt

einen Schlaganfall, und ein Gemälde im Wert von

14.000 Euro wurde gestohlen. Seit diesem Ereignis

rät Guido Sondern, keine unbefristeten Verträge für

eine befristete Ausstellung zu vergeben. „Erkenne

deine Gier, verliebe dich nicht in deine Zahlen, habe

den Mut aufzugeben, höre auf dein Bauchgefühl, aber

belege, was du fühlst, kommuniziere klar, bleib ehrlich

und respektvoll“, so Guido Sondern. Diese Aspekte

seien neben Loyalität, Freunden und Familie für den

Erfolg ausschlaggebend.

Tobias Fauth, Geschäftsführer von „cyberLAGO“

betonte: „Bis heute ist Scheitern mit einem Makel

belegt, erzählt werden meist nur Erfolgsgeschich-

ten.“ Die „FuckUp Night“ solle das ändern und eine

Kultur des Scheiterns etablieren. „Wir brauchen eine

Gründerkultur, zu der das Scheitern gehören darf.

Aus Niederlagen lernt man ohnehin viel mehr als aus

Erfolgen“, so Fauth.

lk

»Aus Niederla-

gen lernt man

mehr als aus

Erfolgen«

Guido Sondern, Achim

Schulz und Thierry Labou-

reur (von links) ermutigten

im Rahmen der „FuckUp

Night“ mit ihren persön-

lichen Geschichten des

Scheiterns andere Gründer

und Unternehmer.