2 | 2017
Wirtschaft im Südwesten
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D
ie Entscheidung, ob Sofa oder Supermarkt wird
der Kunde selbst treffen.“ Mit diesen Worten
brachte Jürgen N. Baur, Vizepräsident des HBW
sowie Inhaber der Edeka-Frischemärkte Baur in Kons-
tanz und Umgebung, das Spannungsfeld, in dem sich
der Lebensmitteleinzelhandel zurzeit
befindet, auf den Punkt. Dieses Span-
nungsfeld beleuchteten die verschiede-
nen Referenten auf dem Branchentag
aus verschiedenen Blickwinkeln. Den
Teilnehmern neue Erkenntnisse zu
vermitteln, war HBW-Hauptgeschäfts-
führerin Sabine Hagmann denn auch
ein Anliegen des Branchentags. Au-
ßerdem ging es ihr darum, Forschung und Praxis zu-
sammenzubringen. Zu Andreas Kaapke, Moderator der
Veranstaltung und Professor für Lehraufgaben an der
DHBW Stuttgart, sagte sie: „Ihre Studenten brauchen
irgendwann mal Jobs. Die haben wir.“
Das betonte auch der Gastgeber und Rothaus-Al-
leinvorstand Christian Rasch in seinem Grußwort. Er
forderte die Studenten dazu auf, sich bei seinem Un-
ternehmen initiativ zu bewerben. Die meisten der 245
Mitarbeiter würden zwar in der Produktion arbeiten,
doch auch in der Verwaltung habe das Unternehmen
immer wieder Bedarf an Arbeitskräften. „Wir sind eine
der profitabelsten Brauereien in Europa. In Deutsch-
land sind wir absolute Benchmark in allen Feldern“,
warb er. Als einen Grund für den Erfolg führte Rasch
die Kreation des Tannenzäpfle im Jahr 1956 an. Es
mache heute 75 Prozent am Gesamtausstoß aus und
sei damals das erste Bier in einer O,3-Liter- statt der
sonst üblichen 0,7-Liter-Bügel-Flasche gewesen.
Dazu, dass das Tannenzäpfle 2016 zur Marke des Jah-
res in der Kategorie Biere gekürt worden war, gratulier-
te Edeka-Betreiber Baur dem Rothaus-Chef. Auch er
präsentierte sein Unternehmen mit neun Märkten und
insgesamt rund 600 Mitarbeitern den Studenten als
potenziellen Arbeitgeber. Im Mittelpunkt seines Gruß-
wortes stand jedoch die Digitalisierung des Handels,
die er als „gravierende Veränderung“ bezeichnete und
in eine Reihe mit der Einführung der Selbstbedienung
in den 50ern, den Discountern in den 60ern und den
Großflächenmärkten in den 70ern
stellte. „Wir tun uns schwer mit der
Digitalisierung“, sagte er. Sie würde
über der Branche wie ein Schreckge-
spenst schweben. Baur lobte die „un-
vorstellbare Sortimentstiefe“ des Le-
bensmitteleinzelhandels und verwies
auf 50.000 verschiedene Produkte in
seinen E-Centern. Ambiente, Genuss
und Einkaufsvergnügen könne der Onlinehandel nicht
bieten. Aber der stationäre Lebensmitteleinzelhandel
werde verkümmern, „wenn wir nicht auf die Wünsche
des Kunden eingehen“, mahnte Baur. „Wir müssen
darauf hinsteuern, dass online und stationär keine
Konkurrenten sind, sondern sich ergänzen.“
Verschiedene Unternehmensstrategien angesichts der
Digitalisierung im Handel waren daher Thema eines
Vortrags. Weitere Themen waren die Herausforde-
rungen der Logistik, aktuelle Promotion-Trends, Do‘s
and Don’ts im Lebensmittel-E-Commerce sowie der
Lebensmittelhandel im digitalen Zeitalter allgemein.
Um letzteren ging es im Vortrag von Sven Köhler,
Professor für Lehraufgaben an der DHBW Stuttgart.
„Im Moment kursiert das Angstgespenst Amazon
Fresh“, sagte er mit Blick auf die Ankündigung des
US-amerikanischen Onlinehandelsgiganten, dieses
Jahr mit seinem Frischeangebot auch auf dem deut-
schen Markt zu starten. Noch sei unklar, wie weit es
den Lebensmittelhandel revolutionieren werde und wo
die Kunden in Zukunft einkaufen würden.
Einen Grund, warum der Onlinehandel für Lebensmittel
noch nicht erfolgreich läuft – zurzeit wird 1,1 Prozent
des Geldes für sogenannte schnelldrehende Produkte
„Der Lebensmittelhandel im digitalen Zeitalter – Zukunftsstrategien im Fokus.“ Dies war das
Thema des HBW-Branchentags 2017, den der Handelsverband Baden-Württemberg (HBW) und
die Duale Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Stuttgart gemeinsam veranstalteten. Rund
100 Teilnehmer - etwa jeweils zur Hälfte Händler und Studenten – kamen dazu Mitte Januar in
die Staatsbrauerei Rothaus nach Grafenhausen.
Branchentag von Handelsverband und Dualer Hochschule
Supermarkt
versus Sofa
»Die Digitalisierung
des Handels ist
eine gravierende
Veränderung«
»Im Moment
kursiert das
Angstgespenst
Amazon Fresh«