Table of Contents Table of Contents
Previous Page  12 / 88 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 12 / 88 Next Page
Page Background

Wirtschaft im Südwesten

11 | 2016

10

Die Leser unserer

Ausgabe Schwarz-

wald-Baar-Heuberg

finden mehr zum

Kongress „Ländlicher

Raum“ ab der Seite

22. Dort sind Fotos

und Stimmen der regi-

onalen Unternehmer

zu der Veranstaltung

abgedruckt.

der Digitalisierung, wie sie sich für den Schwarzwald

anböte, biete dem dortigen Mittelstand große Chan-

cen und könne einen Gegenpol zu den bekannten US-

Anbietern (den „Riesen“) schaffen.

Wo Familienunternehmen vor allem im Prozess der

Digitalisierung stehen, fragte Peter Bartels, Vorstand

der Pricewaterhouse Coopers AG Wirtschaftsprüfungs-

gesellschaft. Um es kurz zu machen: ziemlich weit

und ziemlich gut. er machte dies am Beispiel von drei

Firmen deutlich: Vorwerk mit seinem thermomix –

die Schnittstelle zum Kunden ist das internet –, Axel

Springer – weg von Print, hin zu digitalen Medien – und

Otto Bock – der Prothesenhersteller hat sein entwick-

lungszentrum weit weg von der Produktion in Berlin

angesiedelt, wo er die nötigen Fachkräfte findet. Dabei

gehe es immer ums „Umparken im Kopf“, so Bartels,

darum, Neues auszuprobieren, auch Rückschritte

hinnehmen zu müssen, aber gleichzeitig erfolgreicher

trendsetter zu sein.

„Digital Company“

Über die „Digital Company“ machte sich Heiner lasi,

Professor am Steinbeis institut in Stuttgart, Gedanken.

Das muss nicht zwingend eine Softwareschmiede sein,

die digitale Produkte anbietet, sondern das kann auch

ein bislang traditionelles industrieunternehmen (bei-

spielsweise aus dem Maschinenbau) sein, das seine

Organisation und seine Prozesse digitalisiert. Der Maß-

stab: Wenn die it teile der primären Wertschöpfung

erbringt. Dazu benötigt man ein industrielles gewerbli-

ches internet. Dieses muss in echtzeit arbeiten können,

robust, sicher und vertrauenswürdig sein. Dazu wie-

derum braucht es ein zuverlässiges Netz. Bislang sei

dies noch nicht gegeben, aber bis in circa einem Jahr

verfüge man darüber. lasi erwartet, dass sich mittel-

bis langfristig traditionelle Branchen und Strukturen

auflösen. Sensoren und andere Netzwerkkomponenten

werden es gestatten, dass künftig neue Dienstleistun-

gen angeboten werden, Geschäftsfähigkeiten werden

interdisziplinär und individuell. Unternehmen müssten

sich überlegen, in welche bislang unbekannten Wert-

schöpfungsketten sie mit ihren Fähigkeiten einsteigen

könnten. Dabei sei es wichtig, Kooperationspartner im

Netz zu finden, diese Netze müssten jedoch teilweise

oder ganz neu zusammengestellt werden.

„Third place to live“ im Engadin

ein interessantes Beispiel eines neuen internetbasier-

ten regionalen Geschäftsmodells im tourismus- be-

ziehungsweise Wohnortbereich lieferte Jon erni, der

die Großkunden von Microsoft in der Schweiz betreut

und der engadiner ist. Das engadin, zwei Stunden von

Zürich und St. Gallen entfernt und bekannt durch noble

Fremdenverkehrsorte wie St. Moritz oder Davos, hat

unter drei entwicklungen zu leiden: Die Frankenstärke

lässt die Übernachtungszahlen zurückgehen, das Ver-

bot von Zweitwohnungsbauten hat das Baugewerbe

einbrechen lassen (Rückgang von 90 Prozent) und die

einnahmen der energiewirtschaft, die auf Wasserkraft

basiert (wie im engadin), sind dem Verfall der europä-

ischen Strompreise ausgesetzt. eine Gruppe von 20

leuten aus ganz unterschiedlichen Branchen hat nun

eine initiative im engadin entwickelt, Hotels, Pensio-

nen, Privatquartiere und Ferienhäuser miteinander zu

verknüpfen und sowohl in den Schweizer Großräumen

als auch weltweit als zeitweise Wohn- und erholungs-

orte anzubieten – als „third place to live“. Das poten-

zielle Publikum: Die immer größere Schar von hoch-

qualifizierten Arbeitnehmern oder Selbstständigen, die

nicht auf einen festen Arbeitsplatz angewiesen sind,

sondern vor allem über das internet mit ihren Kunden

und Partnern zusammenarbeiten. Mit anderen Worten,

solche Menschen, die neue lebens- und Arbeitsmo-

delle leben. Das Netz im engadin hat 40 Partner. Basis

dafür ist das Public WlAN. Die Schlussfolgerung von

erni, die alle seine Vorredner ebenfalls angesprochen

hatten: Das Wichtigste im ländlichen Raum ist das

Glasfasernetz.

Ulrich Plankenhorn

titel

Bild: Graphikbuero Gebhard | Uhl

»Familienunternehmen:

bei der Digitalisierung

ziemlich weit

und ziemlich gut«