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11 | 2016

Wirtschaft im Südwesten

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sierung auf nur wenige Produkte. Den Gemeinden

legte er Offenheit statt engstirnigkeit, Kooperation

statt Kirchturmpolitik und eine Doppelstrategie aus

tradition und Modernität ans Herz.

Die erreichbarkeit von Arbeitsplätzen innerhalb relativ

kurzer Zeit (beispielsweise 30 Minuten) vom Wohn-

ort der Arbeitskräfte aus hat übrigens auch schon

die „ireus“-Studie der Universität Stuttgart über den

ländlichen Raum als ein wichtiges Kriterium für das

Florieren des ländlichen Raumes festgestellt. Diese

Studie aus dem Jahr 2010 verwies zudem darauf, dass

das Qualifikationsniveau (gemessen an Hochschulab-

solventen) im ländlichen Raum niedriger ist als in den

Städten und ebenso der Besatz an wissensintensiven

Dienstleistungen. Gerade die Hochschulinfrastruk-

tur, das wurde bei dem Kongress ebenfalls mehrfach

betont, hat sich in Baden-Württemberg auch auf den

ländlichen Raum ausgedehnt. ein Viertel aller Hoch-

schulen sind hier inzwischen ansässig.

Interkommunal arbeiten

Daseinsvorsorge wird zum harten Standortfaktor, mein-

te Peter Dehne, Professor an der Hochschule Neubran-

denburg. er leitet ein Aktionsprogramm „Regionalstra-

tegie Daseinsvorsorge“, an dem sich 25 Destinationen

in Deutschland – aus Baden-Württemberg Zell am Har-

mersbach und Ostwürttemberg – beteiligen. Für Dehne

ist zentral, dass einzellösungen von Kommunen meist

nicht ausreichen, vielmehr regional, sprich im Verbund

mehrerer Kommunen oder auf Kreisebene angesetzt

werden muss. Das erschließt sich schon aus der de-

mografischen Problemlage: Abwanderung vieler 18- bis

25-Jähriger – auch wenn manche zur Familiengründung

(günstige Grundstücke, genügend Arbeitsplätze, „heile“

Umwelt und Freizeitmöglichkeiten) wieder zurückkeh-

ren. Der ländliche Raum wird immer mehr ältere Men-

schen zu versorgen haben. er muss deswegen sowohl

die lebensbedingungen für das Alter schaffen, als auch

attraktive Bedingungen für den Zuzug. Mehrwert bieten

hier laut Dehne sowohl Netzwerke als auch digitale

lösungen. Beispielsweise für Schulen, Ärztenetze, den

Brandschutz, Kitas und Altersheime arbeitet man am

besten interkommunal, langfristig, fachübergreifend

und bedarfsgerecht. Auch experimente dürften hin und

wieder ausprobiert werden. Kooperation sei aber immer

zentral, auch was Vereine anbetrifft.

Unternehmer: zurück in die Region

Und was denken Unternehmer zum ländlichen Raum?

Da kamen Simone Pajunk-Schelling, Geschäftsfüh-

rerin des Medizintechnik-Unternehmens Pajunk (420

Mitarbeiter) in Geisingen und Martin Zimmermann,

Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der

internetfirma imsimity in St. Georgen zu Wort. Simone

Pajunk-Schelling lebte viele Jahre in Berlin und kehr-

te mit der Familiengründung nach Geisingen zurück.

Medizintechnik sieht sie dort – im Zusammenhang

mit dem Großraum tuttlingen und der Außenstelle der

Fachhochschule Furtwangen – gut angesiedelt. im aka-

demischen Bereich habe sie keine Schwierigkeiten,

Mitarbeiter zu gewinnen, wohl aber im Facharbeiter-

bereich. Sie warf auch einen Blick auf die im Kongress

häufig angesprochene Digitalisierung der industrie,

speziell die Digitalisierung von Produktionen. Diese

sei sehr teuer, da sie meist mit der Anschaffung oder

gründlichen Umrüstung von Maschinen verbunden sei.

Die „Virtual Reality“ in der industrie sprach Martin Zim-

mermann an. Seine Firma bietet lösungen auf diesem

Gebiet an. er müsse nicht nach Fachkräften suchen,

sein Unternehmen werde vielmehr von Studenten und

Hochschulabsolventen gesucht und gefunden. er mein-

te, die Verknüpfung von tüftelei in Zusammenhang mit

Bild: Graphikbuero Gebhard | Uhl

»Offenheit statt

Engstirnigkeit,

Kooperation statt

Kirchturmpolitik«