11 | 2016
Wirtschaft im Südwesten
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zur smarten Region entwickeln kann
ohne Breitband
D
er „Ländliche Raum“ spielt in Baden-Württem-
berg eine große Rolle. Er nimmt zwei Drittel
der Fläche des Landes ein. Jeder dritte Bürger
des Landes lebt hier. Der Landesentwicklungsplan
aus dem Jahr 2002 (er ist noch immer gültig) sieht
ihn im Gegensatz zu den Verdichtungsräumen in und
um Stuttgart, Mannheim/Heidelberg, Karlsruhe, Ulm,
Freiburg, Lörrach/Weil, Konstanz/Singen und Fried-
richshafen (siehe auch Karte auf Seite 8). Der Ländli-
che Raum ist mit 149 Einwohnern pro Quadratkilome-
ter nur halb so stark bevölkert wie der Durchschnitt
Baden-Württembergs. Charakteristisch sind für ihn
kleinere Städte und Gemeinden: Über die Hälfte der
1.100 baden-württembergischen Gemeinden haben
weniger als 5.000 Einwohner.
Diese Gemeinden jedoch werden, und das ist ein
weiteres Charakteristikum, von jeweils nur wenigen
Unternehmen geprägt. Das sind meistens inhaber-
geführte Industrieunternehmen, die häufig global
agieren und auf ihren Märkten oft zu den führen-
den Anbietern gehören. Sie haben, darauf verwies
bei dem Kongress der Präsident der gastgebenden
IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, Dieter Teufel, be-
triebstreue und hochqualifizierte Mitarbeiter, den
Vorteil, auf günstige Flächen zurückgreifen zu kön-
nen und eine relativ gute Verkehrsanbindung an die
Zentren. Allerdings, meinte Teufel, sei der Ländliche
Raum häufig zu wenig selbstbewusst und sage zu
selten, wie gut er eigentlich ist.
Der baden-württembergische Minister für den Ländli-
chen Raum, Peter Hauk, kam in einer Podiumsdiskussi-
on mit Teufel schnell auf einen Punkt zu sprechen, der
die ganze Veranstaltung wie ein roter Faden durchzog:
Die digitalen Strukturen des Raumes, konkreter die
Versorgung mit Breitband- beziehungsweise Glasfa-
serkabel. Der Status quo sei unbefriedigend. Bis in
wenigen Jahren jedoch soll das Land flächendeckend
mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde versorgt
sein. Das Grundproblem sei dann gelöst. Die neue
Landesregierung versechsfacht laut Hauk die Mittel
für den Breitbandausbau in dieser Legislaturperiode.
Breitband müsse zur Daseinsvorsorge gehören, je-
des Haus wie mit Wasser- und Stromleitungen auch
mit einer Breitbandverbindung versorgt sein. (Laut
Innenministerium, das seit Anfang Oktober für die
Digitalisierung im Land zuständig ist, stehen für den
Breitbandausbau inklusive Bundesmitteln mehr als
400 Millionen Euro in der laufenden Legislaturperiode
zur Verfügung.)
Hightech statt Bollenhut
Roland Scherer, Professor an der Hochschule St.
Gallen, bestätigte Hauk und Teufel: „Dem Ländlichen
Raum geht es gut.“ Das beobachtet er in Österreich,
Schweden, der Schweiz und in Süddeutschland. Er
führte diese Entwicklung auf Föderalismus und Sub-
sidiarität zurück – in eher zentralistisch organisierten
Staaten wie Frankreich wüchsen hingegen nur die
Metropolräume. Scherer hat den Ländlichen Raum in
der Schweiz untersucht. Bis auf die alpinen Regionen
verfüge die Schweiz zwar mit Zürich, Basel, Genf, St.
Gallen und Bern über städtische Räume, sie sei aber
doch geprägt vom sogenannten „periurbanen“ Länd-
lichen Raum – das sind Gegenden und Gemeinden,
die gut verknüpft sind mit den städtischen Zentren.
Hier sei die Industrie – wie in Baden-Württemberg
häufig familiengeführte Unternehmen – angesiedelt,
die wissensintensiven Dienstleistungen, mit denen
sie eng verbunden sei, jedoch in den Städten. Dies sei
nur aufgrund einer leistungsfähigen Infrastruktur im
Ländlichen Raum möglich, die übrigens seit 1972 in
der Schweiz gefördert werde. Städtischer und Länd-
licher Raum seien füreinander optimal erreichbar,
auch aufgrund des öffentlichen Nahverkehrs – ab 200
Einwohner gibt es für kleine Schweizer Gemeinden
Anbindungen im Stundentakt bis 20 Uhr. Und wie
in Baden-Württemberg, so stellte Scherer fest, sei
die Industrie im Ländlichen Raum exportstark und
habe an der Globalisierung intensiv teil. Dies aller-
dings führe auch dazu, dass die Eigentümerstruktur
immer internationaler werde (beispielsweise kaufen
sich Chinesen ein). Die regionale Verwurzelung der
Unternehmen gehe deshalb zurück. Außerdem alte-
re die Bevölkerung relativ stark, weil Junge abwan-
derten und nicht mehr wiederkämen. Das brachte
Scherer zu seiner nächsten Frage: Wie hält ein Un-
ternehmen Arbeitskräfte im Ländlichen Raum? Da
unterstützte Scherer Dieter Teufel. Er forderte mehr
Selbstbewusstsein statt „Restraummentalität“, die
Betonung von Hightech statt Bollenhut. Die Unter-
nehmen müssten nicht nur schnell, sondern auch
pfiffig sein. Und sie müssten weiter für ihre Erreich-
barkeit kämpfen. Er empfahl außerdem die Fokus-
Mehr als die
Hälfte der
Gemeinden im
Land haben
weniger als 5.000
Einwohner
Organisiert wurde die
Veranstaltung vom
Baden-Württembergi-
schen Industrie- und
Handelskammertag
unter Federführung
der IHK Schwarzwald-
Baar-Heuberg und
der Akademie
Ländlicher Raum
Baden-Württemberg.
Unterstützung gab es
vom Ministerium für
Ländlichen Raum und
Verbraucherschutz,
dem Gemeindetag so-
wie dem Landkreistag
Baden-Württemberg.