Die IHK-Konjunkturumfrage zum Jahresbeginn zeigt: Die Strukturkrise in Südbaden wird immer deutlicher. Vor allem die Industrie kämpft mit schlechten Standortbedingungen und Auftragsmangel.

Die südbadische Wirtschaft steckt tief in der Strukturkrise fest. Vor allem die Industrie leidet unter schlechten Standortbedingungen und einem anhaltenden Auftragsmangel, sodass sie sich zunehmend gezwungen sieht, Anpassungen vorzunehmen. Das wirkt sich immer stärker auf die Inlandsinvestitionen und den Arbeitsmarkt aus. „Wir laufen sehenden Auges ins dritte Rezessionsjahr“, warnte IHK-Präsident Eberhard Liebherr bei der Vorstellung des Konjunkturberichts zum Jahresbeginn 2025 Anfang Februar in Freiburg.
„Wir waren lange Jahre verwöhnt und haben eine starke Industrie für selbstverständlich erachtet“, konstatierte Liebherr. „Doch mittlerweile sind wir international bei den Produktionskosten nicht mehr wettbewerbsfähig.“ Den strukturellen Problemen sei auch nicht mit Subventionen beizukommen. Liebherr: „Das Strohfeuer hat keine nachhaltige Wirkung. Wir müssen Geschäftsmodelle verfolgen, die auf lange Sicht konkurrenzfähig sind, mit deutlich weniger Bürokratie, einer stärkeren Digitalisierung und einer verlässlichen Energiepolitik, die dauerhaft konkurrenzfähige Preise ermöglicht. Mit einer Infrastruktur, die einem führenden Industrieland wie Deutschland gerecht wird. Mit einer Migrationspolitik, die Chancen bietet. Und mit einer Steuer- und Abgabenpolitik, die den Unternehmen Freiraum bei den Investitionen ermöglicht.“
Doch das aktuelle Bild sieht anders aus. „Wir befinden uns derzeit auf dem Niveau von 2019“, sagte Alwin Wagner, der Stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein, bei der Vorstellung der aktuellen Umfragedaten. Sprich: In den vergangenen sechs Jahren herrschte in der Wirtschaft insgesamt Stagnation. Liebherr: „Sollte die Wirtschaft wie prognostiziert erst 2026 wieder anspringen, wären es sogar sieben verlorene Jahre.“
Der Index der Geschäftslage verharrt am südlichen Oberrhein im Vergleich zum Herbst unverändert bei sieben Punkten und damit weit unter seinem zehnjährigen Mittelwert von 33 Punkten. 29 Prozent der Unternehmen geben noch eine gute Geschäftslage an, bei 21 Prozent ist diese schlecht. Während die Lageeinschätzung in den verschiedenen Branchen des Dienstleistungssektor noch überwiegend positiv ist und sich sogar leicht verbessert hat, herrscht in Industrie und Bauwirtschaft wie zuletzt Katerstimmung.
„Wir können Stand heute nicht sagen, dass sich die Situation in den kommenden Monaten zum Positiven verändern wird“, sagte Wagner. Denn der Index der Geschäftserwartungen bleibt mit minus 15 Punkten tief im negativen Bereich, auch wenn er im Vergleich zum Herbst immerhin zwei Punkte gutgemacht hat. Gerade einmal elf Prozent der Unternehmen am südlichen Oberrhein schauen optimistisch in die Zukunft. 26 Prozent rechnen mit einer weiteren Verschlechterung der Geschäfte in den kommenden zwölf Monaten.

Thema Arbeitslosigkeit wieder im Fokus
Die Angaben zur aktuellen Geschäftslage und den zukünftigen Geschäftserwartungen werden zum IHK-Konjunkturklimaindex kombiniert. Dieser kann Werte zwischen 0 und 200 annehmen, wobei Werte über 100 Wirtschaftswachstum anzeigen und Werte unter 100 auf eine Rezession hindeuten. Zum Jahresbeginn bewegt sich der Index im Vergleich zum Herbst kaum. In Folge der etwas weniger negativen Geschäftserwartungen macht er zwei Punkte gut, bleibt aber mit 96 Punkten in rezessiven Gefilden.
Nach Jahren der wirtschaftlichen Stagnation zeigt der Blick auf den Arbeitsmarkt eine veränderte Bewegung. Lange war der allgemeine Fachkräftemangel das wichtigste Thema in den Personalabteilungen und Führungsetagen. Dieser bleibt angesichts des demografischen Wandels auch relevant – immerhin für 46 Prozent der befragten Unternehmen ist er ein Risiko der eigenen wirtschaftlichen Entwicklung. Doch das Thema Arbeitslosigkeit rückt gleichzeitig wieder stärker ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. So hat sich die Zahl der Arbeitslosen im Kammerbezirk in den vergangenen vier Jahren um fast 6.000 Menschen und damit um rund 27 Prozent erhöht.
Es steht zu befürchten, dass dies noch nicht das Ende dieser unerfreulichen Entwicklung ist. Befragt nach ihren Beschäftigungsplänen können sich nur noch acht Prozent der Unternehmen einen Stellenzuwachs vorstellen, jedes vierte Unternehmen plant, Stellen abzubauen. Der Index der erwarteten Beschäftigung verliert vier Punkte und steht mit minus 17 Punkten nun so tief wie seit dem ersten Jahr der Covid-19-Pandemie nicht mehr. „Wir dürfen uns nichts vormachen. Wenn Industrie-Arbeitsplätze hier am Heimatstandort verloren gehen, weil in Produktionsstätten im Ausland investiert wird, kommen diese Arbeitsplätze in der Regel auch nicht mehr zurück nach Deutschland“, erklärte Wagner.
Unzufrieden mit der Wirtschaftspolitik
Dass die Lust auf Investitionen in neue Gebäude und Produktionslinien deutlich gedämpft ist, zeigt die Umfrage ebenfalls. Gerade einmal noch 18 Prozent der Unternehmen geben an, im Inland zur Kapazitätserweiterung zu investieren. In den Jahren 2015 bis 2018 lag dieser Wert im Schnitt noch bei 34 Prozent. Die häufigsten Motive sind aktuell Ersatzbedarf mit 75 Prozent, Digitalisierung mit 49 Prozent und Rationalisierung mit 37 Prozent.
Welche Risiken sehen die Unternehmen als besonders groß an, wenn es um die Entwicklung des eigenen Unternehmens geht? Die Energie- und Rohstoffpreise feiern ein unerfreuliches Comeback. Kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs im Jahr 2022 sorgten sich 83 Prozent der hiesigen Unternehmen um deren Entwicklung. Trotz noch immer erhöhten Preisniveaus nahm der Anteil in den vergangenen Jahren jedoch kontinuierlich ab. Zum Jahresbeginn 2025 ist dieser Risikofaktor jedoch mit 56 Prozent wieder einer der zwei meistgenannten. Fast ebenso häufig genannt wurden mit 52 Prozent die Arbeitskosten.
Bedeutsam ist weiterhin die Unzufriedenheit der Unternehmen mit der Wirtschaftspolitik. Waren es vor zwei Jahren noch lediglich 19 Prozent der Unternehmen, die hier ein Risiko sahen, hat sich dieser Anteil bis heute auf 43 Prozent mehr als verdoppelt. Wagner: „Das ist ein großes Alarmzeichen in Richtung Berlin und Stuttgart. Gut gemeinte Reformvorschläge reichen nicht aus. Die neue Bundesregierung darf nicht zu viel Zeit verspielen, muss Impulse setzen und vor allem positive Signale senden, damit die Unternehmen wieder Vertrauen in den Standort bekommen und auch wieder hier investieren.“ tas