In unserer Rubrik „Aus dem Südwesten“ stellen wir Produkte vor, die viele kennen, von denen aber wenige wissen, dass sie in der Region hergestellt werden. Diesmal: Trinkhalme der Pioflex GmbH.
Die „Röhrlefabrik“
Wer kennt sie nicht aus seiner eigenen Kindheit oder der seiner Kinder? Die kleinen Trinkpäckchen mit süß-klebrigem Inhalt und angeklebtem Strohhalm für unterwegs. Genau solche Trinkhalme stammen aus der Denzlinger Pioflex GmbH. Die „Röhrlefabrik“, wie sie in der Region genannt wird, wurde 1966 von der Schweizer Lonza Tube gegründet. Veränderungen gab es seitdem einige. Plastiktrinkhalme wie damals stellt Pioflex nur noch an einer einzigen Maschinenstrecke und für das nicht-europäische Ausland – Saudi Arabien, Türkei und auch China – her. Seit 2021 sind in der EU Einwegprodukte aus Plastik verboten: „Wir mussten innerhalb kürzester Zeit auf Papier umstellen, eine neue Anlage war notwendig, da für Papierstrohhalme völlig andere Maschinen benötigt werden“, berichtet Hansjörg Keusgen, Geschäftsführer von Pioflex.
Unter ständiger Kontrolle
Betritt man die Produktionshallen von Pioflex, so findet man dort eine klare Unterteilung vor: Der Weg führt vorbei an der Anlagenstraße für die letzten verbliebenen Plastiktrinkhalme zum Lager und von dort zum Klimaraum, in dem an einer großen Maschinenstraße – einer Komplettlösung aus den Niederlanden – die Papierhalme produziert werden. Reinschauen ja, reingehen nein: „Das Papier ist extrem empfindlich“, so Keusgen, „Temperatur und Feuchtigkeit müssen bei den Papierhalmen ständig kontrolliert werden.“ Sogar ein Hepafilter, der kleinste Schwebstoffe aus der Raumluft herausfiltern kann, befindet sich in der Produktionshalle. Es herrschen beinahe Reinraum-Verhältnisse. Die einzelnen Produktionsschritte finden automatisiert statt. „Kein Mensch kommt mit einem Trinkhalm in Berührung, bis er schließlich in eine Plastikhülle verpackt im Karton landet.“
In Form bringen
Durch die Fenster des abgeschotteten Klimaraums sind die einzelnen maschinellen Schritte vom Rohmaterial bis zum fertigen Papiertrinkhalm gut zu sehen. Gestartet wird mit großen Rollen, auf die acht bis 13 Millimeter breite Papierstreifen gewickelt sind. „Diese Streifen werden nun in drei Lagen um den sogenannten Dorn gewickelt, der den Trinkhalmen ihre Form gibt“, erläutert Hansjörg Keusgen. Im Anschluss wird das Ganze verklebt: „Der Klebeanteil in unseren Trinkhalmen beträgt unter drei Prozent“, betont der Fachmann. Als nächstes werden die Halme in eine einheitliche Länge geschnitten und im Anschluss getrocknet, um so durch Produktion und Klebung entstandene Feuchtigkeit zu eliminieren . „Die folgende Maschine macht das U-Gelenk, die typische Biegung, die man bei den Papierhalmen kennt“, sagt der Geschäftsführer. Schließlich folgt der Schrägschnitt am unteren Ende, fürs einfache Durchpieksen der Verschlussfolie in den Getränkekartons. Die fertigen Halme werden eingeschweißt und sind dann – in langen Ketten aneinandergereiht – versandbereit.
Halme für Kultmarken
90 Prozent der in Denzlingen hergestellten Trinkhalme sind heute aus Papier, vier bis fünf Millionen davon produziert Pioflex täglich. Beliefert werden Abfüllbetriebe, deutschlandweit bekannt ist beispielsweise das Kultgetränk „Durstlöscher“. Pioflex hat wegen des Plastikverbots außerdem die Marke „pionature“ ins Leben gerufen: „Hier stellen wir klassische Trinkhalme aus einem biobasierten und heimkompostierbaren Material her, die wiederverwendbar sind – bis zu 90 Grad hitzebeständig, also auch für Gastrospülmaschinen geeignet – und komplett biologisch abbaubar“, erklärt Keusgen. Als zweites großes Standbein produziert Pioflex Kunststoffrohre und -schläuche für die Industrie, unter anderem für die Automobil- und Nutzfahrzeugindustrie. Außerdem fertigt das Unternehmen Steigrohre für Sprühflaschen. 65 Mitarbeiter beschäftigt das Denzlinger Werk, das heute zur Ulmer Merckle-Gruppe gehört. Die Zukunft sieht Hansjörg Keusgen realistisch gelassen: „Wir hoffen, dass wir noch eine ganze Weile Trinkhalme herstellen werden, doch alles ist ständig im Wandel.“
Andrea Keller