Wie arbeiten wir morgen? Und was genau? Ganz unterschiedliche Antworten auf diese Fragen hat unsere Autorin bei den Unternehmen im Südwesten gefunden und dabei mit Freunden der Vier-Tage-Woche gesprochen, Firmen in Schockstarre gefunden und erfahren, warum manchmal Kaffee ein Gamechanger ist.

Der Schritt in die technologische Zukunft begann für Koch Freiburg an einer Kaffeemaschine im Steinbeis-Institut. Peter Meißner, einer der Geschäftsführer des Großhändlers für Bau- und Handwerksbedarf war mit einem seiner Softwareentwickler in dem Forschungsinstitut, um sich in Sachen künstlicher Intelligenz (KI) auf den neuesten Stand zu bringen. „Am Kaffeeautomaten entspann sich die Diskussion, wie KI helfen könnte, ein solches Gerät bei einem Defekt effizient wieder flott zu kriegen.“ Denn: Der Freiburger Mittelständler hat im Kinzigtal mit TSB Türsysteme eine Tochter, die automatische Türen in Supermärkten, Kitas oder Krankenhäusern installiert und repariert. „Ein hochspezialisiertes Feld, in dem Fachkräfte rar sind“, sagt Meißner. Aber was wäre, wenn die knappe Ressource Servicetechniker nur noch zu den wirklich kniffligen Fällen ausrücken müsste und der Kunde die einfacheren Aussetzer – von der KI individuell angeleitet – schnell selbst in den Griff bekommt?
Gedacht, getan: Einige Monate Tüftel- und Programmierarbeit später hat Koch Freiburg über sein Start-up helpcode.ai einen branchenübergreifend einsetzbaren Troubleshooter am Start, der 24/7 Kunden, Fachleute und neue Kollegen unterstützt und dabei permanent dazulernt.
Für das Familienunternehmen mit seinen 130 Mitarbeitern ist es die zweite große KI-Anwendung. Im Frühjahr erhielt Koch den Innovationspreis der IHK Südlicher Oberrhein für die inhouse entwickelte Koch-GPT, eine KI-Anwendung, die bei Produktsuche, Beratung und Bestellung unter die Arme greift. Die Belegschaft hat so mehr Zeit für diffizilere Anliegen und Koch beweist: Künstliche Intelligenz ist nicht ein Jobkiller, sondern ermöglicht echten Mehrwert.
„Beide Innovationen sind aus der Frage entstanden, wie wir in einer Branche, die stark unter Druck steht, weiter wachsen und uns breiter aufstellen können. Bei bestehender Personaldecke und wohl wissend, dass so mancher Kollege bald in Rente geht und wir neue Mitarbeiter schnell zu Fachleuten machen müssen“, erklärt Geschäftsführer Meißner. In diesen Überlegungen spiegeln sich Megatrends wider, die laut Zukunftsforschern die Arbeitswelt innerhalb der nächsten fünf Jahre entscheidend und dauerhaft verändern:
· der technologische Wandel
· der demografische Wandel und
· die Flexibilisierung der Arbeitswelt in einem weltwirtschaftlich sehr herausfordernden Umfeld mit sich weiter verschärfenden Handelskonflikten.

Megatrend 1: der technologische Wandel
So atemberaubend die Einsatzmöglichkeiten von KI, Robotern und Co. schon jetzt sind – die Unternehmen in der Region sind beim KI-Einsatz noch recht zögerlich, sagt Sunita Patel, bei der IHK Hochrhein-Bodensee für den Technologietransfer verantwortlich. Gründe dafür hat das Institut der Deutschen Wirtschaft jüngst erfragt: 63 Prozent der Unternehmen tun sich demnach schwer, den Nutzen von KI für sich einzuschätzen. Insbesondere kleineren Firmen fehle es an Erfahrung mit neuen Technologien. Fast ebenso oft wird der Schulungsbedarf fürs Personal als Hemmschuh angeführt.
Ein bisschen ist das, als gäbe man einem Wanderer ein Fahrrad – und der beschwert sich, jetzt auch noch das Rad schieben zu müssen, anstatt einfach aufzusteigen und schneller voranzukommen. „Naja, Technologie gibt den Unternehmen die Möglichkeit, Arbeitsschritte auch ohne das Personal zu lösen, das wegen des demografischen Wandels schon heute immer knapp wird,“ sagt dazu Marvin Lehmann, Referent für Innovationsmarketing bei der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg. Tatsächlich geht das Statistische Bundesamt in seiner aktuell vorgelegten Bevölkerungsvorausberechnung davon aus, dass die Zahl der Menschen im Erwerbsalter bis 2035 (je nach Szenario) um 1,6 bis 4,8 Millionen Menschen sinkt. Ob viel oder wenig Zuwanderung, weiter sinkende Geburtenzahlen oder mehr Nachwuchs: In allen Szenarien gibt es große regionale Unterschiede. Während in Stadtstaaten und Metropolen die Bevölkerungszahlen mittelfristig sogar zulegen, gibt es in westdeutschen Flächenländern leichte Verluste, während in ostdeutschen Flächenländern binnen einer Generation bis zu 30 Prozent weniger Erwerbspersonen erwartet werden.
Automation nimmt weiter zu
Die Autoren der Bertelsmann-Studie „Die Zukunft der Arbeit“ kommen daher zu dem Ergebnis, „dass automatisiert wird, was automatisiert werden kann“. Beratung über Touchscreens, Call-Center mit Telefonbots und KI in nahezu allen Lebenslagen. Samuel Häckel, Inhaber des Beratungsunternehmens Konstanz Solutions, beobachtet dagegen aktuell bei vielen Firmen eine gewisse Schockstarre. Viele wollen „was mit KI machen“, aber was bloß? Häckels Tipp: „Analysieren Sie, wo es in Ihrem Haus gerade am schlimmsten knirscht. Sind es die Prozesse, die Erreichbarkeit, die Datenlage? Schon haben Sie einen ersten Ansatzpunkt für sich.“
Dass Unternehmen und ihre Belegschaften mehr schlecht als recht auf die neuen Parameter vorbereitet sind, zeigt der aktuelle HR-Monitor von McKinsey: Danach verfüge jeder dritte Beschäftigte schon heute nicht einmal mehr über die erforderlichen Fähigkeiten für seine derzeitige Rolle. Zukunftskompetenzen wie Problemlösefähigkeiten, Datenanalyse und KI-Wissen werden von Personalern zwar als essenziell eingestuft, sie sind in vielen Betrieben bislang aber kaum vorhanden. Also müssen Belegschaften für neue Technologien fit gemacht – und begeistert werden. Denn Veränderung macht üblicherweise Angst und dann ist die Gefahr groß, dass abgeblockt wird.
Für IHK-Referent Marvin Lehmann ist das eine Frage der Sichtweise und der offenen Kommunikation: „Tatsächlich geht es in vielen Fällen doch eher um Evolution als um Revolution. Ein Maschinenführer bedient künftig für gewisse Prozesse einen Roboter. Der Job entwickelt sich tatsächlich etwas weiter, aber der Mitarbeiter mit seinem Know-how wird in der Regel weiterhin gebraucht. Das gilt es zu betonen.“
Und wie kriegt man es hin, Mitarbeiter für neue Technologie zu begeistern? Nach der Erfahrung von Christoph Kluge, Geschäftsführer von Tepcon in Donaueschingem, hilft es,
KI-Anwendungen in vertrauter Form anzubieten. Sein Unternehmen erstellt unter anderem digitale Anleitungen für Industriebetriebe. „Als die Augmented-Reality-Brillen aufkamen,
haben wir unsere Anleitungen darüber einspielen wollen.“ Doch die Idee floppte, die Menschen fremdelten mit den ungewohnten Geräten. „Jetzt erhalten sie alles via Smartphone und gehen wie selbstverständlich damit um.“
Megatrend 2: der demografische Wandel
Dass tausende Babyboomer in Kürze das Rentenalter erreichen, ist keine News. Die ganze Tragweite der Entwicklung ist den meisten Arbeitgebern dennoch nicht bewusst, beobachtet Andreas Seltmann aus Denzlingen. Er ist Berater für Employer Branding und im Vorstand der Initiative Demografie Exzellenz. „Da rollt ein Tsunami auf uns zu. Manche Unternehmen werden riesige Lücken in Sachen Arbeitskraft und Know-how zu schließen haben.“ Sein Rat: Mit einer Altersstrukturanalyse ermitteln, wie einen die demografische Entwicklung konkret erwischt und was es braucht, damit der Laden auch in Zukunft gut weiterlaufen kann.
Dass Weber-Haus in Rheinau-Linx seit einigen Jahren Robotik-Anlagen in seine Fertigung installiert, sei auch nicht nur dem Streben nach mehr Effizienz geschuldet. Die millionenschweren Investitionen sollen auch die Mitarbeiter in der Produktion entlasten und die Arbeit erleichtern.
Der Brandschutzspezialist Hekatron bietet derweil älteren Mitarbeitern seit Jahren Orientierungsseminare für den letzten Berufsabschnitt an. Dieser Denkanstoß, so berichtet das Unternehmen aus Sulzburg im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald, sorgt bei den Teilnehmern nicht nur für mehr Klarheit für die eigene Lebensplanung, sondern auch noch mal für einen deutlichen Motivationsschub bis zur Rente.

Die Ruheständler als Wissensquelle
Entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit von Firmen in der Zeit nach den Babyboomern dürfte auch das Gelingen von Wissenstransfers sein: Viele Erfahrene gehen, ihr wertvolles Know-how aber soll bewahrt werden. Beim Spritzgusshersteller Weißer und Grieshaber in Mönchweiler beginnt man damit lange, bevor ein Wissensträger ausscheidet, berichtet Geschäftsführer Martin Weißer. „Wir kommunizieren den Termin möglichst früh, damit alle planen können. Der Mitarbeiter selbst fokussiert sich dann zunehmend darauf, sein Know-how gut aufzubereiten und zu transferieren.“ In Wissensdatenbanken, in Interview-Sessions oder in Workshops. Diverse Ruheständler stehen dem Betrieb zudem auch nach ihrem Ausscheiden als Wissensquelle zur Seite.
Starten bei dem 340-Mitarbeiter-Unternehmen erfahrungsgemischte Teams in ein neues Projekt, blicken die alten Hasen beim Kick-off zunächst kurz zurück: Wieso werden Dinge aktuell so und nicht anders gemacht? Welche Stellschrauben hat man in der Vergangenheit bewegt? „Das ist nicht nur eine Form von Wertschätzung für die ältere Generation“, sagt Martin Weißer. „Die Jüngeren bekommen auch ein tieferes Verständnis für die komplexen Zusammenhänge. So starten alle besser informiert.“
Auch bei Herrenknecht, dem Schwanauer Hersteller von Tunnelvortriebsmaschinen, investiert man in Tools und Termine, um den Austausch zwischen den Generationen zu fördern: Bei informellen Brown Bag Meetings teilt etwa die IT-Abteilung beim Lunch ihr Praxiswissen, im Format Stand up & Learn stellen sich konzernweit Arbeitsbereiche im lockeren Get-together den Kollegen vor.
Megatrend 3: die Flexibilisierung der Arbeit
Eine der Nebenwirkungen der Corona-Pandemie war der Siegeszug des Homeoffices. Was viele Arbeitgeber bis dahin für nahezu unmöglich hielten, musste plötzlich machbar sein. Das Gros der Unternehmen arbeitet inzwischen mit hybriden Modellen, auch wenn zuletzt große Konzerne damit Schlagzeilen machten, dass sie ihre Homeoffice-Regelungen verschärften: SAP, VW, Otto und Vodafone setzen verstärkt auf Präsenz und rufen ihre Mitarbeiter zurück. Laut einer Spiegel-Umfrage plant derzeit jeder dritte Betrieb, weniger Homeoffice zu erlauben. Der ZEW-Branchenreport konstatiert dagegen: Homeoffice bleibe, weil es zufriedener mache und nichts kostet, so das Fazit der Studie. Selbst im verarbeitenden Gewerbe biete inzwischen jeder zweite Betrieb mindestens einen Tag Homeoffice pro Woche an, in der Informationswirtschaft tun dies vier von fünf Firmen.
Bei der Volksbank hat sich das standortunabhängige Arbeiten als Schlüssel zum Erfolg erwiesen, sagt Maximilian Baumann, Bereichsleiter HR. Es helfe der Regionalbank dabei, die 90 Kilometer zwischen ihren Hauptsitzen in Villingen und Offenburg zu überbrücken. „Für unsere rund 1200 Mitarbeiter gibt es keine feste Homeoffice-Quote – mit gewissen Einschränkungen natürlich in der Kundenberatung. Aber insbesondere in den internen Bereichen kann jeder seinen Arbeitsort in Absprache mit Vorgesetzten und Team flexibel handhaben.“ Gleiches gilt für die Arbeitszeit, solange sie zwischen 6 und 20 Uhr liegt. Mitarbeiter wie Bewerber honorierten das Angebot, stellt Baumann fest. „Wir vergrößern beim Recruiting damit deutlich unser Einzugsgebiet.“
Um bei so viel Flexibilität den Dialog und den sozialen Kleber zu gewährleisten, setzt die Volksbank auf einen so genannten Gestalterdialog. Jeden Dienstag zur selben Zeit sind alle Teams verabredet, um sich virtuell zu besprechen. Ziele, Aufgaben, Ideen, Erfolge und Hindernisse halten sie in einem digitalen Dashboard fest. „So behalten wir den Überblick und unsere Innovationskraft“, sagt Baumann.
Mewa und die Vier-Tage-Woche
Für Eric Päutz und seine zehn Angestellten erweist sich dagegen die Vier-Tage-Woche als geeignet. 32 Stunden arbeiten, aber das gleiche Geld wie früher. Ein Team arbeitet montags bis donnerstags, das andere dienstags bis freitags. Tatsächlich hätten ihn einige Kunden anfangs gefragt, ob es dem Unternehmen vielleicht „zu gut gehe“, sagt der Geschäftsführer von Mewa-Kaffee, einem Anbieter von Kaffeeautomaten aus Waldkirch.
Früher – und das war der Grund für die Einführung – arbeiteten Päutz und seine Mitarbeiter nach eigenem Empfinden an der Leistungsgrenze: „Ich wollte einfach nicht mehr, dass wir mit hängender Zunge ins Wochenende gehen. Und weil viele meine Mitarbeiterinnen daheim auch noch Familienarbeit leisten, war für sie selbst das Wochenende keine volle Erholung.“ Die Entscheidung für den weiteren freien Tag sei daher richtig gewesen. „Alle sind motivierter, gesünder und zufriedener denn je“, erklärt Päutz mit Verweis auf die aktuelle Mitarbeiterbefragung. Die Zahl der Krankheitstage sei nahezu auf Null gesunken, die der qualifizierten Bewerbungen signifikant gestiegen.
So sehr Mewa von seinem Weg überzeugt ist: Die Vier-Tage-Woche ist kein flächendeckendes Phänomen in der deutschen Wirtschaft, bilanziert eine aktuelle Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW). Rund die Hälfte der 823 befragten Unternehmen hätten sich explizit gegen die Einführung der Vier-Tage-Woche entschieden. Auf betrieblicher Ebene wird die Vier-Tage-Woche trotz vermuteter positiver Effekte wie erhöhter Arbeitgeberattraktivität oder Mitarbeiterzufriedenheit weit überwiegend skeptisch betrachtet. Eine Verdichtung der Arbeitsabläufe oder das Heben bestehender Produktivitätsreserven zur Kompensation der verkürzten Arbeitszeiten wird von der Mehrheit der Unternehmen als kaum realisierbar eingeschätzt. Auch aus volkswirtschaftlicher Sicht überwiegen nach Ansicht der befragten Unternehmen die negativen Auswirkungen.
Mewa-Boss Päutz und sein Team stellten für die erfolgreiche Umsetzung im Vorfeld konsequent Prozesse auf den Prüfstand, verschlankten und digitalisierten viel, optimierten Fahrtrouten und übergaben Verantwortung an die Mitarbeiter. Eine Unternehmensberatung diente als Sparringspartner. Päutz’ Bilanz nach fast einem Jahr Ver-Tage-Woche: Trotz Transformationskosten und gestiegener Rohstoffpreise gebe es ein erkennbares Umsatz- und Ergebnisplus im Vergleich zum Vorjahr. Sein Resümee fällt so positiv aus, dass er sich künftig auch als Coach anbieten will. Ulrike Heitze
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Online und kostenfrei.
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