Wie kriege ich mein Unternehmen fit für die Übergabe? Wann fange ich an? Und an wen wende ich mich, wenn ich eine Firma übernehmen möchte? Beim Nachfolgetag in Titisee gibt’s Tipps!

Es geht ums eigene Lebenswerk und natürlich geht’s auch ums Geld: Die Unternehmensnachfolge zu regeln, ist nicht leicht. Doch es gibt Möglichkeiten, den Prozess zu erleichtern, wissen Ursula und Tino Schulz. Das Ehepaar begleitet beim Steinbeis-Beratungszentrum in Engen-Welschingen sowohl Unternehmensübergeber als auch interessierte Übernehmer auf dem Weg zum perfect Match. Zu ihnen kommen die Frühplaner und die, die bis auf den letzten Drücker gewartet haben, vielleicht in der Hoffnung, dass die Kinder die Firma doch noch übernehmen. Warum Letzteres nicht die allerbeste Strategie ist, haben uns die Nachfolgeexperten erklärt – und die beiden teilen ihre Erfahrungen überdies im Juli beim Nachfolgetag in Titisee-Neustadt, einer kostenfreien Infoveranstaltung der IHKs aus dem Südwesten.
Ein strukturelles Problem
Wie groß der Handlungsbedarf ist, zeigt eine aktuelle Studie: 28 Prozent der Senior-Chefs überlegen, ihr Unternehmen zu schließen, weil die Nachfolge nicht gelingt. Das Ergebnis einer Umfrage der DIHK 2024. Hochgerechnet stehen demnach in den nächsten Jahren mehr als 250 000 Unternehmen vor dem Aus. Und das zerstört nicht nur Lebenswerke, es hängen schlicht auch Gewerbesteuern und Arbeitsplätze daran. Damit es also klappt mit der Nachfolge, müssen bestimmte Rahmenbedingungen stimmen.
Was die beiden Nachfolgeexperten zu allererst raten: früh anzufangen. Schon beim ersten Impuls sich rausziehen zu wollen aus dem Geschäft, sagt Ursula Schulz. Denn sich auf die Unternehmensübergabe vorzubereiten, heiße nicht, schon gleich zu übergeben, sondern vielmehr, die Übergabe in die richtigen Bahnen zu lenken.
Ist der erste Entschluss gefasst, gelte es, nichts schleifen zu lassen. Denn sonst werden Investitionen nicht mehr getätigt, Strategien nicht mehr durchdacht, leidet das Unternehmen – und damit sinkt die Übergabewahrscheinlichkeit. Ganz zu schweigen vom Kaufpreis. „Im Idealfall führt man dieses Unternehmen wirklich so fort, als würde man es ewig weiterführen und übergibt dann“, empfiehlt die Beraterin. Dazu gehören auch gewisse frühzeitige „Aufräumarbeiten“. Die gesellschaftsrechtliche Form zu ändern, beispielsweise, damit steuerlich alles glatt läuft, wenn’s ernst wird.
Was will ich haben?
Und apropos Preis: Wie wichtig einem der maximale Kaufpreis ist, ob vielleicht stattdessen die Standortsicherung Priorität hat oder man vielleicht an die Mitarbeiter übergeben will, auch wenn das mit einem kleinen Discount einhergeht – auch darüber sollten Übergeber sich frühzeitig klar werden.
Doch auch diejenigen, die gerne ein Unternehmen übernehmen möchten, sind gefordert, einige Details für sich zu klären: Welche Branche soll es sein, beispielsweise, in welcher Region und was kann ich mir leisten? Multiplikatoren wie die IHK helfen dann, Interessenten und Firmen zusammenzubringen.
Wenn sich dann ein Match anbahnt: Verständnis zeigen für die Perspektive des jeweils anderen, mahnen die Experten an. Denn für den Übergeber ist es sehr emotional, das Lebenswerk in andere Hände zu übergeben. Dabei spielt das Thema Wertschätzung eine große Rolle – und die spiegelt sich für viele auch im Kaufpreis wider. „Das ist oft ein emotionaler Aspekt, der wichtig ist: Was ist mein Lebenswerk wert?“, sagt Tino Schulz. Auch deshalb ist es entscheidend, den realistischen Verkehrswert für das eigene Unternehmen zu kennen.
Der Übernehmer wiederum sollte offen sein und nicht erwarten, dass sein Nachfolger die exakt gleichen Fähigkeiten seines Vorgängers mitbringt und mit dem Unternehmen auch gleich noch dessen 70-Stunden-Woche übernimmt. So einen Klon suchen Unternehmer öfter, das ist wissenschaftlich erforscht.
Was da hilft: Sich kennenzulernen, um zu sehen: das passt – oder eben auch nicht, sagen die Berater. Und mit gegenseitiger Wertschätzung lässt sich auch leichter über den Kaufpreis sprechen.
Auch Gründer können Nachfolger sein
Worauf das Ehepaar Schulz übrigens auch hinweist: Für Gründer kann eine Unternehmensübernahme ebenfalls eine Option sein. Denn anders als beim Start-up bietet ein gewachsenes Unternehmen ein planbares Einkommen, was je nach Lebensphase sehr willkommen sein kann; und im Übrigen gibt es auch dort noch jede Menge Gestaltungsspielraum.
Und schlussendlich gibt es noch einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Aspekt: Sich als Unternehmer frühzeitig zu überlegen – was mache ich danach? An Oldtimern schrauben, reisen oder vielleicht doch auch noch mal unternehmerisch irgendetwas anderes? Gibt es konkrete Pläne, ist der Schritt raus aus dem Unternehmen leichter. Denn es gibt auch ein Leben nach dem Unternehmertum. se
„Gründung trifft Nachfolge“
Die IHKs Schwarzwald-Baar-Heuberg, Hochrhein-Bodensee und Südlicher Oberrhein laden am 10. Juli, 14 Uhr, ins Kurhaus Titisee-Neustadt zur Veranstaltung „Gründung trifft Nachfolge“. Auf dem Programm stehen spannende Vorträge sowie eine Podiumsdiskussion.
Weitere Informationen und Anmeldung hier.