Immer mehr Unternehmen am südlichen Oberrhein wenden sich an das Welcome Center. Trotz Konjunkturkrise hält die Suche nach Fachkräften aus dem Ausland an.

Trotz anhaltender Konjunkturkrise und ansteigender Arbeitslosigkeit suchen viele Firmen weiterhin nach Fachkräften. In der aktuellen IHK-Konjunkturumfrage gaben 46 Prozent der teilnehmenden Betriebe am südlichen Oberrhein an, dass der Fachkräftemangel ihre wirtschaftliche Entwicklung gefährde. Das wachsende Bestreben der Unternehmen, Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen, bekommt auch das Welcome Center zu spüren.
Seit dem Frühjahr 2023 bietet das Welcome Center Südlicher Oberrhein seine Dienste an. „Seit unserer Gründung hat die Nachfrage enorm zugenommen“, sagt Leiterin Sophie Figueredo-Hardy. Gemeinsam mit ihren beiden Kolleginnen Justyna Gawron und Olga Kuchendaeva hilft sie Unternehmen bei der Suche nach Fachkräften aus dem Ausland und bei Fragen zur aktuellen Gesetzeslage. Die Nachfrage hat sich im vergangenen Jahr verdoppelt auf 229 Unternehmensanfragen. Auch die Zahl der Folgeberatungen stieg deutlich von 18 Prozent (2023) auf 28 Prozent (2024). „Dass sich immer mehr Unternehmen wiederholt an uns wenden, ist ein positives Zeichen für das wachsende Vertrauen in unsere Arbeit“, sagt Leiterin Figueredo-Hardy.
Bürokratische Hürden sind eine Herausforderung
Die meisten Unternehmensanfragen kamen aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe (29 Prozent), gefolgt vom verarbeitenden Gewerbe (16 Prozent) und dem Baugewerbe (12 Prozent). „Erfreulich ist, dass auch immer mehr Handwerksbetriebe unseren Service in Anspruch nehmen“, sagt Figueredo-Hardy. Fast jedes zweite Unternehmen, das sich ans Welcome Center wandte, stellte Fragen zu Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen. Dass dieses Thema an Relevanz gewinnt, war absehbar und hängt mit dem zwischen November 2023 und Juni 2024 schrittweise umgesetzten Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) zusammen. „Das FEG hat zwar zu einigen rechtlichen Erleichterungen geführt, doch für die Betriebe bleibt der Prozess weiterhin komplex“, sagt Sunay Gün, Teamleiter der Abteilung Fachkräftesicherung der IHK Südlicher Oberrhein. Ob eine Fachkraft einreisen darf, hängt von verschiedenen Faktoren ab – etwa vom Nachweis eines staatlich anerkannten Berufsabschlusses im Herkunftsland sowie einer mindestens zweijährigen Ausbildung. „Nach wie vor stellen bürokratische Hürden eine Herausforderung dar. Wir unterstützen die Unternehmen dabei, sich in diesem Prozess zurechtzufinden und die richtigen Schritte zu gehen“, betont IHK-Experte Gün.
Im vergangenen Jahr hat das Welcome Center insgesamt 422 internationale Fachkräfte beraten. Das entspricht einem Anstieg von 192 Prozent im Vergleich zum Gründungsjahr. Dabei hat sich das Geschlechterverhältnis angenähert. 2024 zählte die Beratungsstelle 56 Prozent Männer und 44 Prozent Frauen. Im Jahr zuvor lag der Frauenanteil noch bei 38 Prozent.

Fachkräfte aus Kolumbien
Die meisten Anfragen kommen nach wie vor aus der Ukraine (16 Prozent) und der Türkei (acht Prozent). Auf Platz drei landete überraschend Kolumbien mit sechs Prozent, noch vor Indien (fünf) und Marokko (vier). Im vorvergangenen Jahr waren aus dem südamerikanischen Land noch keine Fachkräfte beraten worden. Im vergangenen September hatten Regierungsvertreter beider Länder eine gemeinsame Absichtserklärung über eine Migrationspartnerschaft unterzeichnet. Ziel ist es laut Bundesinnenministerin Nancy Faser, irreguläre Einwanderung einzudämmen und dafür gut qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen, „die wir in vielen Bereichen von der Pflege bis zum Handwerk dringend brauchen“.
Insgesamt erreichten das Welcome Center Anfragen aus mehr als 80 Ländern. Da hilft es, dass die drei Beraterinnen neben Deutsch sieben Sprachen beherrschen. Die für die internationalen Fachkräfte dominierenden Themen waren Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen (25 Prozent) sowie die Anerkennung ausländischer Qualifikationen (16 Prozent).
Mehr Fachkräfte mit abgeschlossener Ausbildung
Die meisten ausländischen Fachkräfte stammen aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe (neun Prozent), dem Baugewerbe, dem sozialen Bereich (Erziehung und Unterricht) sowie kaufmännischen Berufen (jeweils sieben Prozent). Signifikant gestiegen ist der Anteil der ausländischen Fachkräfte mit einer abgeschlossenen Ausbildung – von 13 auf 20 Prozent. „Wie begrüßen diese Ausgewogenheit und werden auch weiterhin gezielt Fachkräfte ohne Hochschulabschluss ansprechen“, sagt Welcome-Center-Leiterin Figueredo-Hardy.
Für das laufende Jahr sieht das Welcome Center weiterhin einen intensiven Beratungsbedarf bei der Anwendung des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes. Dazu wird es zahlreiche Informationsveranstaltungen geben. „Wir stellen fest, dass die intensive Aufbauarbeit des Welcome Centers in der Region zunehmend Früchte trägt“, sagt Figueredo-Hardy. Ziel sei es, das Netzwerk immer weiter auszubauen. Dazu dienen Kooperationen mit regionalen Wirtschaftsförderern und regionalen Ausländerbehörden. Neben der Webseite ist das Welcome Center auch auf Linkedin und Facebook aktiv. Demnächst startet ein eigener Instagram-Kanal. flo