Wie zündet man müde Manager wieder an? Wie erinnert man Unternehmer an ihre Vision? Darum kümmern sich Coaches wie Torsten Kleint aus March, mit seinen Erfahrungen als SEK-Beamter, als Bergführer und Gleitschirmflieger. Das Motto von Deutschlands toughestem Mental-Coach: Niemals aufgeben – auch wenn man wirklich mal abstürzt.

Drei Jahre Rezession sind fürs Geschäft gar nicht so schlecht. Zumindest nicht für einen Coach wie Torsten Kleint, der Unternehmern neuen Mut macht und sie daran erinnert, was wirklich in ihnen steckt. „Viele vergessen das im Lauf der Jahre“, sagt Torsten Kleint. „Die wenigsten haben noch eine klare Vision, stattdessen sind sie oftmals umgeben von Nein-Sagern und ihr Selbstwertgefühl ist nicht mehr bei neun oder zehn, sondern runter auf drei oder vier.“ Das ist dann der Punkt, an dem Kleint als Deutschlands toughester Mental-Coach diese Menschen mit dem Gesicht voraus eine Hauswand herunterscheucht, in Eiswasser springen oder auf Gipfel klettern lässt…
Ein Junge vom Dorf
Aber der Reihe nach. Torsten Kleint ist ein Junge vom Dorf. ’76 geboren, sozialisiert mit Helden wie Colt Seavers, Jody Banks und der großen Freiheit, die es früher in den Dörfern gab. Der Papa, der Onkel, der Opa mit dem Ackerbaubetrieb: alles schaffige Typen, die dem kleinen Torsten früh viel zutrauten. Ob beim Klettern in den richtig steilen Passagen am Gardasee oder bei der Kartoffelernte. Trecker gefahren ist Torsten in der Grundschule und den Klettergurt hatte er mit sechs auch schon an, um in die Felswand zu gehen oder bis zu 1000 Höhenmeter bergan zu laufen und seinen Idolen nachzueifern: den Bergführern mit dem blauen Abzeichen am Ärmel. Das alles mag klingen wie ein Albtraum für Helikopter-Eltern – aber ist vielleicht genau die Sozialisation, die es braucht, um später Polizist mit besonderen Aufgaben, Bergführer, Extremsportler und Gleitschirmflieger zu werden.

Nur kann man eben abstürzen, wenn man die Bodenhaftung verliert. Und genau dieses Gefühl kennt Torsten Kleint aus eigener Erfahrung. 2001 war Kleint mit seinem Gleitschirm in den französischen Alpen unterwegs, hatte mehrere heftige Aufstiege hinter sich und wollte eigentlich nur schnell zurück ins Tal. Ein Routineflug. Nichts Besonderes für einen, der es gerade als jüngster Bewerber aller Zeiten zum SEK geschafft hatte. Gegen Geiselnehmer kämpfen, Terroristen ausschalten, bewaffnete Gewalttäter verhaften: einer von den ganz harten Jungs. „Aber eben doch kein James Bond“, sagt Kleint und lächelt ein bisschen gequält. Denn James Bond hätte es sicher geschafft, auf jenem Flachdach zu landen, das sich Torsten nach einigen heftigen Turbulenzen für seine Notlandung ausgeguckt hatte. Im Film: kein Problem. Im wahren Leben aber donnerte Kleint ungebremst einen Meter unterhalb vom Dach gegen die Betonwand einer Halle und stürzte 17 Meter in die Tiefe. Diverse Knochenbrüche. Beine, Schulter, alles kaputt.

Der ganz große Absturz
Jemals wieder laufen können? Schwer zu sagen, meinten die Ärzte und aus dem Kraftpaket von einst wurde ein Jammerlappen mit nur noch 48 Kilo, der sich selbst nicht mehr mochte. Neun Monate Klinik. Zu sechst in einem Zimmer. Die Freundin weggelaufen, das rechte Bein gelähmt: der absolute Tiefpunkt. Weitermachen? Aufgeben? Suizid war damals ein Thema, sagt Kleint im Nachhinein. Zum Glück aber fand er seinen Weg aus der Krise. Zuerst in Form eines Buches. Tour des Lebens. Lance Armstrong und dessen Kampf gegen den Krebs. „Mein Onkel hat mir das geschenkt – und ich hab’ das Buch gleich in der ersten Nacht verschlungen“, erinnert sich Kleint. Die Geschichte von einem, der nicht aufgibt und dann Großes erreicht – wenn der das kann, warum nicht auch ich?
Tage später der nächste Impuls: Vitali Klitschko kam für eine Keynote in die Uni-Klinik und Torsten Kleint durfte dabei sein. Im Rollstuhl damals noch, aber Klitschkos Kampfgeist wirkte auf ihn so ansteckend, dass er danach die Reha schaffte. „Der Klitschko hat damals einen Satz gesagt,, der hängengeblieben ist: ,Jeder von euch hat seine besonderen Fähigkeiten. Aber wisst ihr darüber Bescheid und nutzt ihr sie auch im Ring des Lebens, wenn ihr für eure Ziele kämpft?“
Man kann sich denken, was danach passierte. Kleint kam tatsächlich wieder auf die Beine. Keine Amputationen, kein Rollstuhl. Ein bisschen steif ist das Bein noch – aber nicht so, dass man damit nicht über Jahrzehnte Polizist sein könnte. Und Bergführer. „Das war schon als Kind meine Vision“, sagt Kleint und streicht mit der Hand über den großen Aufnäher am Ärmel. Dazu muss man wissen: Wir sitzen hier am Frühstückstisch zwischen Nutella und Marmelade in Kleints Haus in March – weiter weg vom Matterhorn kann man kaum sein, aber man merkt eben, wie wichtig dem Coach seine Vision ist

„Fang an, deine Grenzen zu sprengen“
Das wirkt ansteckend. Schon beim Interview, aber erst recht auf Bergtouren oder in der Jochen-Schweizer-Arena, wo Kleint seine Klienten dazu bringt, über sich hinauszuwachsen. Senkrecht eine Hauswand herunterlaufen – das muss ein großartiges Gefühl sein! Danach sind die Geschäftsführer und Vertriebsleiter, die Personalchefs und Finanzvorstände so adrenalingeladen, dass sie sich alles zutrauen. Eisbaden? Why not! Bergtour? Aber gern! Harte Preisverhandlungen mit Kunden? Easy! Schwierige Gespräche mit Mitarbeitern? Nichts, wovor man Angst haben müsste…
Vorher aber bringt Kleint seine Klienten dazu, ihre eigene Vision zu definieren. Wo willst du in zwei bis drei Jahren stehen? Was willst du können? Was erreichen? „Wenn du das weißt, dann visualisier es“, sagt Kleint. „Fang an, deine Grenzen zu sprengen, nutz dein Momentum und verlier den Fokus nicht.“
Am Ende geht es dabei um Leadership. Und genau das brauche es in Zeiten wie diesen. Anführer, die den Mut nicht verlieren, die nicht panisch werden, sondern klare Entscheidungen treffen. Im Vertrauen auf die eigene Stärke und mit Fokus. Was ist jetzt wichtig? Wie ist die Lage? Worauf muss ich mich vorbereiten? „Das sind alles Fragen, die man sich beim Bergsteigen auch stellt“, sagt Torsten Kleint, der jedes Jahr gut 100 Unternehmer aufs nächste Level bringt und seine Erfahrungen teilt. Die als Polizist, auf den aus nächster Nähe geschossen wurde, wie die als Bergführer. „Stell Dir vor, du bist auf einer Piste, plötzlich zieht Nebel auf und du musst es ins Tal schaffen. Das kannst du 1:1 aufs Business übertragen. Denn in solchen Situationen muss einer vorangehen und die Gruppe führen.“
Braucht es Coaches nur im Sport?
Aber muss man dafür gleich für fünf Riesen ein Coaching buchen? Nicht unbedingt. Aber es helfe eben, wenn man seine eigenen Grenzen sprengen will. „Im Sport ist es gar kein Thema, dass es einen Coach braucht, wenn man etwas erreichen will“, sagt Kleint. „Im Business setzt sich diese Erkenntnis erst nach und nach durch.“ Das aber liege sicher auch daran, dass es auch bei Coaches solche und solche gebe. „Es sind viele Scharlatane in der Branche unterwegs“, bestätigt auch Torsten Kleint, der aber sicher auch nicht der Deckel ist, der auf jeden Topf passt. Das will er aber auch gar nicht sein, eher hält er es da mit dem Credo von Ralph Waldo Emerson: „Wessen wir am meisten im Leben bedürfen, ist jemand, der uns dazu bringt, das zu tun, wozu wir fähig sind.“ Ulf Tietge