Ordentlich Stellen schaffen, Arbeitskräfte finden und binden – in der schwierigen wirtschaftlichen Situation nicht einfach. Umso mehr ist zu würdigen, wenn Unternehmen es dennoch leisten.

Der Jobzuwachs war angekündigt. Von vornherein war der Neubau des US-amerikanischen Medizintechnikspezialisten Intuitive Surgical im Freiburger Industriegebiet Nord für bis zu 600 Mitarbeiter geplant. 2024 bezogen arbeiten dort, in der Europazentrale des Unternehmens, derzeit knapp 500 Menschen. 290 in Produktion und Entwicklung, der andere Teil in Schulung, Vertrieb und Kundendienst. Und es werden immer mehr. Intuitive Surgical ist bekannt für seine Da-Vinci-Operations-
systeme. „Freiburg ist führend im Bereich roboterassistierter Chirurgie, in ganz Deutschland sind 350 Systeme im Einsatz, europaweit sind es 1800“, sagt Dirk Barten, seit 2016 Geschäftsführer von Intuitive Surgical Deutschland und seit 2022 auch fürs Europageschäft verantwortlich.
Sinnstiftende Tätigkeit
Das Unternehmen wächst rasant, um 15 bis 20 Prozent pro Jahr. „Wir gewinnen neue Mitarbeitende auch deswegen, weil sie sich für unser Produkt begeistern, weil sie in ihrer Arbeit eine sinnstiftende Tätigkeit sehen. Unsere Technologie kann zu weniger postoperativen Schmerzen, einer besseren Patientenbehandlung und potenziell niedrigeren Kosten für das Gesundheitssystem beitragen.“ Intuitive Surgical hat daher den Jobmotor für den höchsten Arbeitsplatzzuwachs in der Kategorie große Unternehmen gewonnen. Der Wettbewerb, veranstaltet von der Badischen Zeitung, den Industrie- und Handelskammern (IHK) Südlicher Oberrhein, Hochrhein-Bodensee und Schwarzwald-Baar-Heuberg, der Handwerkskammer Freiburg und dem Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen Baden (WVIB) zeichnet jährlich Unternehmen aus, die in Südbaden die meisten Arbeitsplätze geschaffen oder kluge Konzepte haben, um Arbeitskräfte zu finden und zu binden.
Die schwierige wirtschaftliche Situation hat auch vor dem Jobmotor nicht halt gemacht. Während 2023 die 25 Unternehmen, die sich um die Preise bewarben, noch 1000 zusätzliche Stellen geschaffen hatten, kamen die 25 Bewerber 2024 noch auf 326 neue Stellen. Der Rekord der jüngsten Vergangenheit stammt aus dem Jahr 2019. 37 Unternehmen schufen damals 1557 zusätzliche Jobs. Seit Beginn des Jobmotors 2006 entstanden bei den teilnehmenden Firmen sogar rund 22 330 neue Arbeitsplätze.
Trotz zunehmender Arbeitslosigkeit haben Unternehmen nach wie vor Schwierigkeiten, ausreichend Nachwuchs zu finden. Weil viele ältere Arbeitnehmer aus den Babyboomer-Jahren ausscheiden, besteht Fachkräftemangel. Clevere Konzepte, um neue Arbeitskräfte zu finden und sie zu binden, sind weiter gefragt. Dass sich die Kreativität der Wirtschaft nicht auf Produkte beschränkt, zeigen die Konzepte. Talentförderung, ein echtes „Wir“-Gefühl und genossenschaftliche Mitbestimmung sind Trümpfe auf dem Arbeitsmarkt.
Für den höchsten Stellenzuwachs ausgezeichnet wurden neben Intuitive Surgical in der Kategorie große Unternehmen auch der für 400 Kinder verantwortliche Kirchzartener Kinderbetreuungseinrichtungsträger Kibids in der Kategorie mittlere Unternehmen und die Freiburger Kommunikationsagentur Spielplan4 in der Kategorie kleine Unternehmen.

Auf das Wir kommt es an
In der Kategorie „Mitarbeiter finden und binden“ bekam die Freiburger Zimmerei Grünspecht den Jobmotor für Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten (die Genossenschaft kommt auf sieben Millionen Euro Umsatz jährlich), außerdem in der Kategorie der großen Unternehmen J. Friedrich Storz Verkehrswegebau in Tuttlingen (800 Mitarbeiter, knapp 200 Millionen Euro Umsatz) sowie die Pforzheimer Witzenmann GmbH, deren Geschäftsführung paritätisch besetzt ist.
Alwin Wagner, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK Südlicher Oberrhein, beglückwünschte die Preisträger. „In wirtschaftlich herausfordernden Zeiten, in denen Negativ-Schlagzeilen dominieren, lohnt sich der Blick auf das, was Hoffnung macht: Viele Unternehmen in unserer Region stellen weiterhin engagiert Arbeits- und Fachkräfte ein – und zeigen eindrucksvoll, dass Innovationskraft und Gestaltungswille auch in schwierigen Phasen nicht abbrechen“, schrieb Wagner auf Linkedin. „Besonders beeindruckt haben mich in diesem Jahr jene Unternehmen, die aus der Not eine Tugend machen – mit ideenreichen Konzepten zur Fachkräftesicherung und -bindung.“
Bei Intuitive Surgical sind es gleich mehrere Aspekte, die das Unternehmen für Fachkräfte attraktiv machen – und wenn man dazu mehr wissen will, fragt man am besten die Menschen, die hier arbeiten. Elena Spreter zum Beispiel, sie ist seit zwei Jahren im Unternehmen. Gereizt habe sie, so Spreter, unter anderem die internationale Ausrichtung des Unternehmens. Englisch zu sprechen und zu schreiben sei längst normal geworden, ein vertiefender Sprachkurs sei Teil des Onboardings, also des Starts in den neuen Job, gewesen. Auch das obligatorische „Du“, das ganz nach US-amerikanischem Vorbild gepflegt wird, schätzt sie. „Wir haben flache Hierarchien, Transparenz, ein Management zum Anfassen. Die Tür zur Geschäftsführung steht immer offen“, sagt sie. Die 29-Jährige hat an der Uni Freiburg ihren Master in Lern- und Lehrpsychologie gemacht, zuvor bei einem regionalen mittelständischen Großhandelsbetrieb gearbeitet und ist nun Ansprechpartnerin für interne Schulungen und Workshops bei Intuitive Surgical Optics in Emmendingen, wo die Endoskope für die Da-Vinci-Operationssysteme produziert werden. Bis Sommer 2026 sollen der Standort Emmendingen und die Entwicklungsabteilung in Sexau in den Hauptsitz in Freiburg überführt werden.
Attraktiver Standort
Der Standort Freiburg sei „überaus attraktiv“, meint Harald Haigis, Geschäftsführer der Intuitive Surgical Optics. Menschen aus 32 Nationen, aus Indien, Chile, Brasilien, USA, würden dort arbeiten. Er sei zuversichtlich, dass die offenen Stellen bald besetzt würden. „Der hohe technische Anspruch unseres Produkts macht uns für viele Ingenieure zu einem attraktiven Arbeitgeber.“ Und auch das, was das Produkt möglich macht. „Ich stehe hinter dem Produkt“, sagt auch Elena Spreter. Wir leisten einen tollen Beitrag für Ärzte und Patienten“.
D. Bloedner, S. Ehmann