Wie man sich neu erfindet – und dabei die Belegschaft mitnimmt: An solchen Themen forschen Wissenschaftler am Future of Work Lab in Konstanz. Unsere Autorin hat die Turnaround-Experten besucht, um zu erfahren: Wie schafft man es, dass Veränderungen begrüßt werden?

Digitalisierung, Arbeitskosten, Energiekrise: Die Liste der Herausforderungen für Unternehmen ist lang. Veränderungen in der Wirtschaft passieren gefühlt immer schneller, der Druck steigt, vieles wird unsicherer und komplexer. Was für die meisten Unternehmen inzwischen Realität ist, heißt in der Arbeitspsychologie VUCA: Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität. „Gerade hier im Südwesten spüren Unternehmen diese Dynamik sehr“, sagt Florian Kunze, Professor für Organizational Behavior an der Universität Konstanz und bundesweit bekannt durch die Konstanzer Homeoffice-Studie, die Vermutungen bezüglich der Auswirkungen von Home Office durch empirische Daten ersetzt.
Kunze erforscht im Future of Work Lab, wie sich Arbeit verändert und wie Unternehmen darauf reagieren können. Doch was genau ist anders? „Veränderungen gab es schon immer, aber die Geschwindigkeit hat in den vergangenen 10 bis 15 Jahren stark zugenommen“, sagt Kunze. Zum demografischen Wandel und dem Fachkräftemangel kommen Unsicherheiten durch Kriege und Konflikte sowie die Expansion von KI. Besonders kleinere Betriebe ohne professionelle Personalabteilung stünden daher vor Herausforderungen, so Kunze. „Viele Firmen haben Personalthemen lange eher operativ behandelt, jetzt braucht es aber eine strategische Perspektive.“

Der beste Hebel: Kommunikation
Der zentrale Punkt: Führung. „Wenn Menschen kündigen, dann oft nicht wegen der Organisation, sondern wegen der Beziehung mit ihrer Führungskraft“, sagt Kunze. Druck von oben, schlechtes Arbeitsklima, keine Sinnhaftigkeit – all das setzt Unternehmen unter Druck. Ein möglicher Hebel: „Systematische Mitarbeiterbefragungen sind ein starkes Tool, um Überlastung und Prioritäten sichtbar zu machen“, empfiehlt Kunze. Wer seine Mitarbeiter und deren Wohlbefinden im Blick habe, könne früher reagieren und „ein organisationales Burnout vermeiden“. Wie aber macht man Mitarbeiter veränderungsbereit? „Durch Kommunikation“, sagt Kunze. Wer den Blick nicht nur auf Probleme richte, sondern die Zukunft Schritt für Schritt gemeinsam und positiv angehe, stifte Sinn – und steigere die Bereitschaft, Veränderungen mitzutragen.
„Veränderung darf nicht nur erzwungen werden“
„Ob Menschen Veränderungen begrüßen oder ablehnen, hängt stark von Resilienz und Selbstwirksamkeit ab“, sagt Richard Uth, Arbeitspsychologe in der Abteilung der Arbeits- und Organisationspsychologie der Universität Freiburg. „Veränderung darf nicht nur von außen erzwungen werden“, sagt Uth. „Mitarbeiter bleiben nur dann langfristig motiviert, wenn ihre Grundbedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und Verbundenheit erfüllt sind.“ Dafür zu sorgen, sei wiederum Aufgabe der Führungskraft. Die gute Nachricht: „Wir Menschen sind dafür gemacht, uns zu verändern“, betont Uth und ergänzt: „Wandel muss keine Bedrohung sein.“

Wie Veränderungen in Unternehmen im Südwesten aussehen können, zeigt die Freiburger Badenova. Energiekrise, Corona und Fachkräftemangel drängten zu Veränderungen. Eine Umfrage unter den Mitarbeitern zeigte: Es ist Handlungsbedarf da. Deshalb wurden 2020 sogenannte „Change Companions“ eingeführt: Kollegen, die Veränderungsprozesse begleiten. Das Projekt lief so gut an, dass es ausgezeichnet wurde und sich mit der Freibaden Transformation Consulting eine Ausgründung formierte.
Anne Hegemann ist heute eine von zwei Geschäftsführerinnen dieses Spin-Offs. Sie erzählt, man habe sich an den Bedürfnissen von Mitarbeitern und Unternehmen orientiert und die Angebote entwickelt, die nötig waren: Coaching, Workshops, Informationsveranstaltungen. Sie sagt: „Widerstände sehen wir nicht als störend, sondern als wertvolle Information.“
Erst durch Widerstand lasse sich ableiten, wo es hake und wo es weitere Arbeit braucht. Ziel sei, die Veränderung aktiv zu gestalten, erklärt Hegemann: „Gezielter durch das Tal mit Problemen und Widerständen, schnell zurück in die Produktivität.“ Dazu gehören regelmäßige Gespräche, Workshops und Mitarbeiterbefragungen. Es lohne sich, sagt sie. Nach eigenen Berechnungen spart die Badenova rund 50 Prozent an externen Beratungskosten. Noch wichtiger sei das Vertrauen, das aufgebaut werde. Ihr Appell: Ohne „180-prozentige Rückendeckung“ der Führung funktioniere Veränderung nicht. „Die Mitarbeiter brauchen Orientierung“, betont sie. Dennoch sei es nicht immer möglich, alle mitzunehmen. „Dann braucht es einen passenden Platz außerhalb des Veränderungsprozesses, wertschätzend gestaltet.“
„Innovation entsteht durch Perspektiven“
Strategische Weiterentwicklung, Führung entwickeln, Veränderung priorisieren und das gleichzeitig: Das sind zentrale Aufgaben in der VUCA-Welt. Florian Kunze bleibt optimistisch – vorausgesetzt, die passenden Maßnahmen werden ergriffen. Sein Appell: möglichst diverse Teams. „Innovation entsteht nur durch unterschiedliche Perspektiven“, erklärt er. Insbesondere in Zeiten der Veränderung helfen gemischte Teams, Übergänge besser zu meistern – ob Alter, Erfahrung oder Geschlecht. Wichtig sei, sich der Veränderung nicht zu verschließen, betont dagegen Richard Uth. Übergänge müssten aktiv gemanagt werden – mit den Mitarbeitern im Blick. Und Schwierigkeiten gehören zum Prozess dazu, davon dürfe man sich nicht zu beirren lassen. Anne Hegemann kann das bestätigen. „Veränderung braucht Mut“, sagt sie. Doch wo Vorbilder den ersten Schritt machen, zeige sich schnell: „Veränderung ist nicht schlimm, sondern eröffnet neue Chancen.“ Carolin Johannsen
Für alle, die weiterlesen wollen
Der Konstanzer Arbeitsforscher Florian Kunze hat ein Buch geschrieben über Flexibilität als Chance und Risiko für die Zukunft der Arbeit. Erschienen bei Haufe. 220 Seiten für 22 Euro
