Laut einer aktuellen IHK-Umfrage investieren die Unternehmen am südlichen Oberrhein weiterhin fleißig in die duale Ausbildung – der Wirtschaftskrise zum Trotz.

Früher hatten wir in den Sommerferien bereits so viele Zusagen, dass alle Lehrstellen besetzt waren – und zwar in den Sommerferien des Vorjahres“, sagt Thomas Schlaps, der sich seit 20 Jahren bei Kammerer Gewindetechnik in Hornberg um die Ausbildung kümmert. Die Zeiten haben sich geändert. In diesem Jahr wartete man bei Kammerer noch Ende Juli vergeblich auf eine passende Bewerbung.
Mit diesem Problem steht das Hornberger Unternehmen nicht allein da. In einer aktuellen IHK-Umfrage zur Aus- und Weiterbildung, an der sich 277 Ausbildungsbetriebe am südlichen Oberrhein beteiligt haben, gaben 48 Prozent an, dass sie 2024 nicht alle Lehrstellen besetzen konnten. Zum Vergleich: 2019 lag dieser Wert noch bei 32 Prozent. Besonders betroffen von dem Azubi-Mangel sind die Medienbranche, in der
57 Prozent der Befragten im Vorjahr nicht alle Lehrstellen besetzen konnten, Verkehr und Logistik (55 Prozent) sowie Industrie und Baugewerbe (jeweils 54).
Dass die offenen Ausbildungsplätze nicht vergeben wurden, hat unterschiedliche Gründe. Die meisten Befragten, nämlich 71 Prozent, bemängelten, dass sie keine geeigneten Bewerbungen erhalten hätten.
41 Prozent bekamen überhaupt keine Bewerbungen auf ihre ausgeschriebenen Lehrstellen. Vereinzelt kam es auch vor, dass es sich der Azubi nach Vertragsabschluss doch noch anders überlegt hatte oder zum Ausbildungsstart einfach nicht erschienen ist (sechs Prozent).
Investitionen in Fachkräfte der Zukunft
Der von US-Präsident Trump angezettelte Zollkrieg, ein Übermaß an Bürokratie und weitere Wettbewerbsnachteile machen der deutschen Wirtschaft momentan das Leben schwer. Inwiefern schlägt sich die schlechte Lage auch auf die Ausbildung nieder?
25 Prozent wollen laut IHK-Umfrage im laufenden Jahr weniger ausbilden als im Vorjahr. 62 Prozent planen, ihr Lehrstellenangebot beizubehalten. Immerhin 13 Prozent wollen mehr Azubis einstellen als noch 2024 – sofern sie welche finden.
„Die schwache und unsichere Wirtschaftslage macht sich in der Ausbildung noch nicht so stark bemerkbar wie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Dass immer noch so viele Betriebe in die Fachkräfte der Zukunft investieren wollen, ist ein positives Signal“, sagt Simon Kaiser, IHK-Geschäftsführer der Aus- und Weiterbildung. „Das gilt auch für dieses Jahr“, sagt Kaiser, „es gibt immer noch attraktive Ausbildungsplätze in praktisch allen Bereichen, es werden nach wie vor Verträge geschlossen. Die Chancen auf eine Übernahme für die Absolventen sind derzeit sehr hoch.“
Die Firma Kammerer aus Hornberg hatte ihr Bewerbungsfenster offiziell schon geschlossen, als Ende Juli doch noch eine vielversprechende Bewerbung ins Haus flatterte. Das Schreiben stammte von Aaron Pfaff, Jahrgang 2003, der einen Tag nach seiner Bewerbung direkt zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde und tags darauf bereits seinen Ausbildungsvertrag unterzeichnen durfte. „Eigentlich wollte ich Lehrer werden, stellte aber schon im ersten Semester fest, dass das Studium für mich zu wissenschaftlich und praxisfern war. Jetzt lerne ich Zerspanungsmechaniker und freue mich darauf“, sagt Pfaff, der am 1. September mit der Ausbildung begann.
Wichtig: Zusammenarbeit mit Schulen
Der Umweg über das angefangene Studium – aus Sicht von Aaron Pfaff war das sicher nicht der Königsweg. Um direkt auf den für ihn passenden Berufsweg zu kommen, hätte er sich in seiner Schulzeit mehr Berufsvorbereitung gewünscht. „Am Gymnasium wird angenommen, dass nach dem Abi eh alle studieren gehen. Der Fokus liegt nie auf der Ausbildung“, bedauert Pfaff. Wie eine Ausbildung im Detail abläuft, habe er sich selbst beibringen müssen. Die wichtigsten Berater seien sein Vater und ein Cousin gewesen. Den Kontakt zur Firma Kammerer habe jemand aus seinem Freundeskreis hergestellt. Familiäre Netzwerke oder Freunde sind für junge Menschen oftmals die entscheidenden Ratgeber beim Berufsstart, wie Studien belegen.
Bis vor ein paar Jahren pflegte die Firma Kammerer einen engen Austausch mit der örtlichen Hauptschule. Doch die Schule musste schließen. „Seitdem kooperieren wir mit der Realschule in Triberg, bieten dort Praktika an“, sagt Ausbilder Thomas Schlaps. Diese Zusammenarbeit möchte Schlaps in Zukunft intensivieren und ausweiten auf andere Schulen in der Umgebung. Damit sie in Hornberg auf den passenden Azubi nicht noch einmal bis auf den letzten Drücker warten müssen.
IHK-Geschäftsführer Simon Kaiser unterstützt solche Initiativen. „Die Berufsorientierung ist inzwischen zwar theoretisch gut in den Lehrplänen verankert. Das Problem liegt aber darin, dass die Lehrpläne in Sachen Berufsorientierung nicht überall gleich engagiert gelebt werden“, analysiert Kaiser. „Leider ist es noch immer so, dass Betriebe und Jugendliche oftmals nicht zueinander finden.“ Umso wichtiger seien Praktikumswochen, aber auch Formate wie die Last-Minute-Lehrstellenbörse, die die IHK Südlicher Oberrhein jedes Jahr zusammen mit der Arbeitsagentur und der Handwerkskammer auf die Beine stellt. flo
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Karriere ohne Studium
Abitur in der Tasche, doch das Studium ist zu praxisfern: Der Weg, den Aaron Pfaff gegangen ist, wird für Abiturienten und Absolventen mit Fachhochschulreife
immer interessanter: Aus der letzten Ausbildungsbilanz der IHK Südlicher Oberrhein geht hervor, dass die Quote der Auszubildenden mit Allgemeiner Hochschulreife seit zehn Jahren stabil über 15 Prozent liegt. „Wir müssen auch Gymnasiasten zeigen, dass es zum Studium eine attraktive Alternative gibt: die Ausbildung in einem innovativen Unternehmen“, sagt Simon Kaiser, IHK-Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung. „Abitur und Ausbildung passen bereits heute sehr gut zusammen. Diesen Trend wollen wir über die berufliche Orientierung an den Schulen weiter verstärken“. Finanziell attraktiv sei die berufliche Ausbildung ohnehin. „Der Vorteil liegt auf der Hand: Vom ersten Tag an wird Geld verdient, der Start ins eigenfinanzierte Leben kann beginnen“, sagt Kaiser. „Der berufliche Karriereweg mit Weiterbildungen und der Übernahme von Verantwortung kann zudem bedeuten, am Ende seines Erwerbslebens in Summe mindestens genau so viel Einkommen erzielt zu haben wie mit einem Hochschulabschluss.“ tas